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8. Dezember 2008, 23:58 Kolumnen

Simon im Brocki - Ausstechformen

Simon Knopf - Nach dem krankheitsbedingten Ausfall meines Brockibesuches in der letzten Woche, ist es diesmal Zeit für etwas Besonderes! Per Zufall stosse ich in einer VBZ-Ticketeria auf den Hinweis zum Flohmarkt in der Zentralwerkstätte der Zürcher Verkehrsbetriebe. Als ehemaliges Aglo-Kin...

Nach dem krankheitsbedingten Ausfall meines Brockibesuches in der letzten Woche, ist es diesmal Zeit für etwas Besonderes! Per Zufall stosse ich in einer VBZ-Ticketeria auf den Hinweis zum Flohmarkt in der Zentralwerkstätte der Zürcher Verkehrsbetriebe. Als ehemaliges Aglo-Kind hör ich zum ersten Mal davon: 120 Stände voller Ramsch im provisorischen Ambiente einer ÖV-Werkstatt, klingt viel versprechend! Obendrein ist es Jahre her, seit ich zum letzten Mal an einem „Flohmi“ war.

Voller Vorfreude pilgere ich also am Samichlaustag an die Luggwegstrasse und in jene Halle, wo die Zürcher Trams und Busse zurechtgebeult, geölt und neu gestrichen werden. Bereits auf dem Hinweg, im Tram Nr 2, kommt mir der leise Verdacht, dass ich möglicherweise nicht der Einzige bin, der von der „Schnäppchenjagd in Tram-Ambiance“ Wind bekommen hat. Links und rechts von mir wird über Wunschobjekte und Jagd-Strategie getuschelt und kurz vor der Haltestelle „Grimselstrasse“ habe ich das Gefühl, auf dem Weg zu einer Viehversteigerung oder was Ähnlichem zu sein. Nun, ganz falsch sollte ich mit meinem Eindruck nicht liegen.

Kurz danach betrete ich die grosse Halle der Zentralwerkstätte, wo mir tatsächlich das provinzielle Volksfestgefühl sogleich entgegenschlägt. In einem riesigen Festwirtschaft-Trakt füllen sich schon vor Mittag Heerscharen von Leuten die Lampe mit Weisswein und Bier. Gleich nebenan bereiten die Jungs vom FC-VBZ im Akkord Würste und Raclette für eine 30 Meter lange, ungeduldige Schlange von Hungrigen zu.

Der Flohmi-Bereich ist zum Brechen voll. Ich schlängle mich in Zeitlupentempo durch die Gassen zwischen den Tischen und versuch an Wurst mampfenden Vokuhila-Trägern mit Zierbärtchen vorbei ab und zu mal einen Blick auf die Auslagen zu erhaschen. Eine nervenaufreibende Dreiviertelstunde und eine Umrundung später hat sich mein Enthusiasmus verdünnisiert. Flohmarkt ist irgendwie nicht der treffende Ausdruck für das, was ich hier sehe. Sperrmüll-Abzocke scheint mir doch etwas näher an der Wahrheit zu sein. Da werden einem alte Teleshopping-Saftpressen, kaputtes Spielzeug, billiger Formel-1 Merchandize, B-Movies auf VHS und poplige „TIMELIFE – Faszination Fliegen“ Sammelordner für horrende Preise angeboten! Und dann der ganze Porzellan-Kitsch: Engelchen, Clowns, Instrumente, Häusschen, Käferchen, Blümchen und noch einiges an Brechreizerregendem mehr.

So stehe ich etwas frustriert und ratlos in der Menge rum und mach mir meine Gedanken über den ganzen Müll, den irgendjemand irgendwann mal gekauft haben muss, und auf wie vielen Flohmärkten der Ramsch wohl schon rumgelegen hat, als mir bewusst wird, dass ich nicht einmal einen Jux-Kauf entdeckt hab! Der Plunder hier ist so schlecht, dass es nicht einmal etwas gibt, das ich aus Scherz oder als Gag kaufen könnte!

Leicht angesäuert gehe ich zurück zu einem Tisch mit Nippes und kauf mir sieben Ausstechformen für Weihnachts-Guetzli. Mein WG-Mitbewohner hat vor einigen Tagen Mailänderli-Teig gekauft. Auf dem Weg nach Draussen kreuze ich ein diskutierendes Ehepaar: „Das Porzellan-Ängeli wär wunderschön gsii, aber diä hät doch glatt 20 Stutz defür wele!“

Schnäppchenjagd my ass!

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