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2. Juli 2010, 16:22 Kolumnen International

no. 9 - big apples from the Big Apple

meng tian - In einem bestimmten dialogreichen Film gibt es eine gewisse Stelle, wo die Hauptdarstellerin den Hauptdarsteller danach fragt, worüber er mit ihr reden würde, wenn es der letzte Tag im Leben der beiden wäre. Der Darsteller antwortet mit „Magie des Universums“. Auch bekannt...

In einem bestimmten dialogreichen Film gibt es eine gewisse Stelle, wo die Hauptdarstellerin den Hauptdarsteller danach fragt, worüber er mit ihr reden würde, wenn es der letzte Tag im Leben der beiden wäre. Der Darsteller antwortet mit „Magie des Universums“. Auch bekannt als die Unplanbarkeit, die Umwege, die Zufälle oder die „Schicksalhaftigkeit“, die einen manchmal komplett aus der Bahn werfen, aber dafür das Leben ausmachen.

Mit solch einer Magie lernt man hier schnell umzugehen, weil sie tatsächlich jederzeit präsent ist. Man weiss nämlich nie so genau, ob man nicht schon an der nächsten Ecke Denzel Washington mit Theaterkollegen begegnet, auf der Nebenstrasse das Set von „Friends“ oder „Sex and the City“ entdeckt, eine gute Idee für ein nächstes Projekt intuitiv aus heiterem Himmel einschlägt oder etwas (wieder) findet und ausprobiert, das einen überraschenderweise weiterbringt.

Es gibt Arbeiten wie dieses Bild hier von Christian Marclay, das mich schon im März im Metropolitan Museum of Art inspirierte. Dann sehe ich diese Woche plötzlich das gleiche Bild im International Center of Photography Museum hängen. Das Gleiche mit Menschen: flüchtige Bekanntschaften, die sich immer wieder an unterschiedlichen Anlässen in verschiedenen Kreisen antreffen; oder Leute, die man jahrelang nicht gesehen oder kontaktiert hat, aber ganz plötzlich im Café nebenan Tee trinkend und Zeitung lesend weilen... In solchen Momenten fragt man sich: was bedeutet es, wenn an so einem anonymen Ort solche ungeplante Verbindlichkeit passiert? Hat es überhaupt etwas zu bedeuten, oder nicht?

Es gibt auch unangenehmere Themen, die ebenfalls solche Fragen aufwerfen. Seit dem 11. September 2001 sind bald 9 Jahre vergangen. Stehen tut aber auf dem ehemaligen Grund der zwei World Trade Centers immer noch nichts ausser einer einzigen Baustelle. Ist das ein Zeichen der immer noch andauernden Trauer der Bevölkerung? Oder eines der organisatorischen Schwierigkeit oder Intention der Politik? Oder eines der Wut und des Ressentiments des amerikanischen Volks? Oder nichts als Zufall?

In Zeiten wie diese merkt man plötzlich, dass es nur eine kleine Anzahl an Menschen gibt, mit denen man all diese Empfindungen aktiv teilen möchte. Einige verständlicherweise, andere überhaupt nicht. Die Erkenntnis, wer diese Menschen sind, ist manchmal so überraschend anders als man es eigentlich erwartet hätte, dass es schwierig ist, es sich selber wirklich einzugestehen. Aber in diesem Falle glaubt meine Wenigkeit daran, dass Umwege und Zufälle etwas zu bedeuten haben. Sie zeigen einem Sachen aus anderen Perspektiven, so dass man danach seinen Weg und die Weggefährten besser sehen kann. Wenn etwas oder jemand immer wieder zurückkehrt in das eigene Leben, dann hat es wohl etwas zu bedeuten.

Freundschaften über Distanz zu pflegen ist nicht einfach. Auch wenn man sie verschieden gestalten kann: mit den einen pflegt man dann einen regelmässigen Kontakt mit Hilfe der modernen Kommunikationsmöglichkeiten, mit den anderen geniesst man hingegen das gegenseitige Verständnis durch ein einziges Schweigen. Es braucht Arbeit, und Bemühen, und Aufmerksamkeit. Aber bei den richtigen Menschen weiss man, dass sie nach noch so langer Zeit des Nicht-Auf-Einem-Kontinent-Seins auf der gleichen Wellenlänge schweben wie man selbst. Das ist wohl ein anderes Beispiel für die unplanbare Magie des Universums.


big apples from the Big Apple Reihe: Übersicht
Meng Tian im Web: Meng-tian.com
Popkredit der Stadt Zürich: Musikeratelier in New York

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