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16. April 2008, 10:47 Kolumnen

RĂĽckblende: Damien Rice - O

Simon Knopf - 2002 Ein Trottoir in einer Grossstadt. Eine Menschenmenge in Zeitlupe und dazwischen Zwei, die unwissentlich direkt aufeinander zusteuern. Sie, mit rot gefärbten Haaren und Vintage-Look, er, Brillenträger und im grauen, biederen Mantel. Die ikonische Anfangsszene von Mike Nich...

2002

Ein Trottoir in einer Grossstadt. Eine Menschenmenge in Zeitlupe und dazwischen Zwei, die unwissentlich direkt aufeinander zusteuern. Sie, mit rot gefärbten Haaren und Vintage-Look, er, Brillenträger und im grauen, biederen Mantel. Die ikonische Anfangsszene von Mike Nichols Film „Closer“ hinterliess auf der ganzen Welt einen bleibenden Eindruck. Und dies nicht primär wegen Jude Laws und Natalie Portmans schauspielerischen Leistungen. Viel mehr stach da dieses Lied hervor, welches der Szene musikalisch und textlich Spalier stand, und sie nur zu passen untermalte. „I can’t take my eyes off you“, litt Einer und wurde dabei von aufwühlenden Cello-Klängen begleitet.

Der Leidende war der Ire Damien Rice und das Lied hiess The Blower’s Daughter. Es entstammte dem Debüt-Album des Dubliners, O, welches bereits zwei Jahre vor dem Film veröffentlicht worden war, bis dato aber kaum gross hatte Wellen schlagen können. Mit „Closer“ sollte sich das auf einen Schlag ändern. Auf ein Mal rissen sich die Leute um O und dies, obwohl das Album von vielen Musikkritikern eigentlich nur verhaltenen Applaus bekam. Nun, dass diese Gilde bisweilen auch mal an der Volksmeinung vorbeikritisiert, ist wohl kein Geheimnis. Doch diesmal war ihnen etwas entgangen: nämlich jene Elemente, welche die Ausstrahlung von O und die ungeheure Anziehungskraft auf viele Hörer ausmachte und immer noch ausmacht. Damien Rice’ Erstling versprüht durch und durch eine Ehrlichkeit, eine Genuinität was die vermittelten Gefühle der Songs betrifft.

Da singt einer, der als Strassenmusiker die halbe Welt gesehen hat. Einer, der in der Liebe aufgegangen ist und von ihr enttäuscht wurde – in der dörflichen Weltstadt Dublin kursiert so manche Legende über Rice und die „Blower’s Daughter“. Einer der den Schmerz und die Wut kennt und mit einer selbstverständlichen Offenheit darüber singt, dass die ganze Platte davon vibriert. Rice’ Stimme zeigt uns mal Zerbrechlichkeit (Cold Water), mal Wut (Delicate). Seine Lieder fangen meist ruhig mit gezupfter Gitarre an, um dann begleitet von Vyvienne Longs klagendem Cello und Lisa Hannigans feiner Stimme zu grossen Atmosphären zu werden, die wie Katharsis-Momente des Sängers erscheinen.

O ist eine sehr melancholische Platte, doch darf man darüber nicht ausser Acht lassen, dass Damien Rice nicht nur ein ausgezeichneter „Leidender“ ist, sondern auch ein begabter Musiker. Cheers Darlin’ und der hidden Track Prague gehören mit ihren zwischendurch beinahe disharmonischen Klanggebäuden zu den Highlights des Albums.

Sein DebĂĽt O hat Damien Rice in die Oberliga der Singer/Songwriter gebracht. Wer daran zweifelt, sollte einmal an einer Open-Mic Night im Studentenkaffee einer Irischen Uni dabei sein. Wo frĂĽher alle wie U2 klingen wollten, treten jetzt junge Studenten vors Publikum, welche die erste Strophe ihres Songs zur gezupften Akustik-Gitarre noch etwas zurĂĽckhaltend ins Mikrophon hauchen, nur um sich dann ab dem zweiten Refrain die Seele aus dem Leibe singen. Damien Rice was here.

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In dieser Kolumne bisher erschienen:

Radiohead - Ok Computer

U2 - The Joshua Tree

Pearl Jam - Ten

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