Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

9. Juli 2013, 16:06 Kolumnen

Ein Zürcher in... Genf

Marco Büsch - Ein Zürcher streift mit einem Lonely Planet Reiseführer durch Genf. Oder besser durch Genève. Ein kleiner Reisebericht.

Warum Städtereisen nach Berlin, Amsterdam oder Stockholm unternehmen, wenn Städte wie Bern, Luzern oder eben Genf so nah sind? Nun, vielleicht sind sie zu nah, dafür kann man am Abend auch wieder heimkehren und trotzdem einige wenige Feriengefühle mit nach Hause nehmen. Zu diesem Zwecke habe ich mir einen Lonely Planet Reiseführer gekauft und besuche nun einige Schweizer Städte als wäre ich ein richtig touristischer Tourist. Den Anfang macht dabei das schöne Genf.

Eine Reise in die Westschweiz ist immer so eine Sache für sich: Zwar nennen die meisten Leute stolz die Dreisprachigkeit, wenn sie gefragt werden, was denn für sie die Schweizer Identität ausmache – aber schlussendlich beschränken sich dann die Französischkenntnisse bei vielen doch nur auf dass in der Schule gelernte. Diesbezüglich geht es mir leider nicht anders, denn schon am SBB-Ticketautomat werde ich schier wahnsinnig als beim Eintippen von «Genf» einfach kein Eintrag erscheint, bis ich dann beim dritten Mal endlich begreife, dass es halt in der Westschweiz immer noch «Genève» heisst, was die SBB einem anscheinend auch so beibringen will. Vielen Dank liebe SBB, ich habe es gelernt! Wissensgewinn geht schliesslich immer vor pünktlich den Zug erwischen.

Der Lonely Planet beschreibt Genève als «sleek, slick and cosmopolitan», ich lande aber zuerst im «Paquis quarter», welches zwar durchaus «cosmopolitan» wirkt, aber nicht wirklich «sleek» oder «slick». Wäre ich beim Onlinespiel geoguessr.com hier gelandet, hätte ich im ersten Moment auf Südfrankreich, Spanien oder Italien getippt: Breite Strassen, viel Verkehr, holprige Trottoirs mit (für Schweizer Verhältnisse) einigem an Abfall gesäumt und Menschen aus allen Gegenden der Welt. Und wenn einem dann noch die Sonne ins Gesicht scheint, fühlt es sich an wie Ferien im Süden. Der Lonely Planet rät einem sehr dazu in (im?) Paquis essen zu gehen, da die kulinarische Auswahl überragend sei und auch die Preise dafür stimmen. Dem kann ich nur beipflichten. An ein paar Ecken standen dann auch schon Prostituierte um elf Uhr Morgens, wobei ich mich fragte, ob das denn nicht eher ein Nachtbusiness sei. Durchaus nicht, denn schon verschwand ein Bagpacker paar Schritte vor mir mit einer der Damen in einem Hauseingang. Wie sagt der Lonely Planet so schön zu Paquis: «This is the Geneva of the Genevois... or as close as you‘ll get». Nun denn, ich ging lieber Mittagessen.

Nachdem ich nun die rechte Seite der Rhone gesehen hatte, galt es die klassischen Touristenattraktionen noch genauer zu begutachten. Verfolgt wurde ich dabei immer von einem Touristenbus, welcher gerade eine Führung anbot. Die Touristen mussten am Ende gemeint haben, ich gehöre zur Führung, so oft wie sie mich gesehen und mitfotografiert haben. Den Anfang machte die Cathédrale St-Pierre (Cour St-Pierre), in welcher Calvin einst gepredigt hatte. Eine wunderschöne Kathedrale, welche ich leider schon verlassen hatte, als ich den Warnhinweis des Lonely Planets «don‘t leave the cathedral without buying a ticket for the cathedrale towers» las. Vielleicht ein andermal. Weiter ging es in den Parc de Bastions (Place Neuve) – Fazit des Lonely Planets: «It‘s all statues – not to mention a giant chess board». Dazu 4.5-Meter hohe Statuen Reformatoren Bèze, Calvin, Farel und Knox, gemäss Lonely Planet «in their nightgowns ready for bed no less». Leider mit einem kleinen Wassergraben dazwischen, sodass man nicht an ihnen hochklettern kann für ein Foto – Es ist vielleicht auch besser so, dafür kann man sich einigermassen günstig Liegestühle mieten.

Gerne hätte ich auch das vom Lonely Planet hochgelobte «After the Rain»-Spa besucht, leider wusste der Lonely Planet bei der letzten Aktualisierung 2012 noch nicht, dass dieses am 30. Juni schliessen würde. Es klang zwar ziemlich spassig, aber auch kostspielig: «Kids can wallow in a strawberry milk and candyfloss bath (Sfr 120 for 30 minutes) or wrap themselves in a white chocolate wrap (Sfr 90 for 30 minutes)». Wobei ich auch kein Kind mehr bin. Vielleicht besser, dass es geschlossen wurde, die Enttäuschung wäre sonst vielleicht noch grösser gewesen.

Man könnte noch so vieles über Genève schreiben, diese Stadt bietet eindeutig das Potential, um auch länger als nur einen Tag dort zu verweilen, aber als Tourist habe ich jedenfalls schon ein bisschen an der Oberfläche kratzen können, vor allem mit der Hilfe des Lonely Planets. Das nächste Mal würde ich mich dann aber vielleicht auch einmal getrauen einen Einheimischen anzusprechen: Technisch gesehen können wir ja alle fliessend französisch und deutsch sprechen, wir haben das ja in der Schule gelernt. Genève wird mir jedenfalls in guter Erinnerung bleiben – zwar habe ich es nicht «constantly perceived as the Swiss capital (it isn‘t)», jedoch war der Besuch in dieser schönen Stadt tatsächlich ein kleinerer Kulturschock als ein Besuch in Solothurn oder Baden: Der wahre kulturelle Graben verläuft halt nicht zwischen den Sprachregionen sondern zwischen Stadt und Land (oder Peripherie) – zumindest in meinem Falle. A bientôt Genève!

Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!

Kommentare
Login oder Registrieren