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21. Juli 2014, 23:04 Konzert Kultur Music Festivals students.ch

Die Sterne mit Charles Pasi und Band sehen

Annekatrin Kaps - Rein meteorologisch war das unmöglich, ging doch ein Unwetter über den Rosenfelspark in Lörrach nieder. Im Exil im Burghof bekam man davon nichts mit, konnte mit Camille O`Sullivan sich verzaubern lassen und eine Sternstunde mit Charles Pasi erleben.

Eine Musik wie von Puccini zieht süss durch den Burghof, wird von einer männlich, markanten Stimme aus dem Off abgelöst. Dann kommt Camille O`Sullivan ganz in Schwarz gekleidet herein. Sie trägt dazu einen roten Hut und eine brennende Kerze. Eine Kinderstimme plappert englisch, dann erklingt etwas, was an den Gesang einer Sirene erinnert und in den Sound vom Phantom of the Opera übergeht. Noch ist nicht mehr passiert, die irische Sängerin steht nur da, lächelt verträumt und dirigiert die Band. Ein Gitarrenton verhallt endlos lang.

Die ersten Lieder sind traumhaft schön, mit einer leicht verhauchten Stimme singt sie uns in Trance. Vom Auf und Ab des Lebens mit unüberhörbarer Röhre oder melancholischer Ruhe, begleitet von Xylophonklängen und einer verschmitzt lächelnden Trompete.

Kühler Vamp, Rockröhre oder doch hitzewallende Diva?

Das ist sehr schön, bleibt aber leider etwas zu sehr an der Oberfläche, zu schnell springt die Vierzigjährige davon, verweilt selten länger. Das wird anders, als sie mit „the question is the answer“ um Vergebung fragt und mit voller Stimme loslegt: „the moon ist so yellow silver“ wie ihre Halbstiefel, schwarz und dunkel schön liegt er vor uns auf dieser geneigten Tanzfläche, auf der alle sitzen. Und wir, die wir trotz Regens den Weg in den Burghof gefunden haben, fragen uns, was die Anderen wohl nun machen, die daheim geblieben sind. Langweilen sie sich nicht?

Zu voller Form läuft sie auf, als sie „you born to lose“ schmettert. Die charmante Band - der Keyboarder Feargal Murray in Schwarz, Paul Byrne an den Drums in Anzug und Hut, salopp an der E-Gitarre Anthony Law – legt sich ins Zeug. Doch bei der nächsten Ansage klingt Sullivan heiser.

Mit einem Plüschmaske auf dem Kopf, die vorn einen Esel, hinten ein Schwein ist, philosophiert sie über den „sucess“ und entfesselt mit Balkan-Rhythmen und Hej-Rufen einen wilden Tanz. Nun ist das Publikum endgültig wach, applaudiert heftig, man hört einzelne Bravorufe. Der Striptease geht weiter, die Glitzerstiefel werden gehen rote Highheels getauscht. Ès wird rockig und später traurig-schön, dazu trägt Madame eine rote Melone und schlenkert launig die Glieder. Ihre Band dirigiert sie selbst bei deren Solis, doch die Musiker scheinen das gewöhnt.

Schön ist auch der Seemann aus Antwerpen, selbst wenn es mit ihm nicht gut endet und das Lied mit einem Aufschrei. Mit dem nächsten Lied entblösst sie sich vom schwarzen Jackett, darunter kommt eine weisse Bluse zum Vorschein. Doch ihre Seele ist wohl kaum so rein, flötet sie doch mit ruhiger Stimme „I will let you down, I will make you hurt“.

Die letzte Zugabe ist zugleich ein starker Abgang. O`Sullivan steigt von der Bühne, setzt den roten Hut auf, nimmt ihre Handtasche ladylike über den Arm, in der anderen Hand ein Glas Rotwein. Leise singend geht sie durch den Saal hinaus.

Als Blues-Sänger wird er angekündigt, und er sieht nicht nur ein bisschen so aus wie Tom Waits, er singt auch so verknautscht und nicht immer verständlich. Der Dreissigjährige mit den verstrubelten, braunen Haaren, salopp in Schwarz gekleidet mag rein äusserlich zum Understatement neigen. Aber nicht bei der Musik.

Ein Unbekannter ist er nicht mehr, er wird mit viel Applaus begrüsst. Mit erstaunlicher Präsenz singt er unaufgeregt, auch die Band wirkt entspannt. Etwas Reaggy schimmert bei allem Blues immer durch.

Tom Waits lebt jetzt in Frankreich

Joseph Champagnon an der Gitarre trägt eine Schiebermütze zum französisch lässigen Landhausstil, der Keyboarder Pity Carbera gehört zu den Männern, denen ein Vollbart wirklich steht. Francis Arnaud an den Drums kommt im gleichen Outfit wie Pasi daher, Sebastien Levanneur, der auch Gitarre spielt und singt, ist erdfarben leger gekleidet.

Wenn das hier Blues ist, waren die Jungs eine ganze Zeit in der Karibik und keineswegs vergebens. Worum es geht, ist bei so viel liebenswerter Melancholie trotz allem etwas unklar, sicher scheint nur, dass der Sänger „allways in love“ war. Aber eben, war. Eine Mundharmonika untermauert den Liebesschmerz, irgendwas quietscht dazwischen, was sich auch südseemässig anhört, aber nicht ortbar ist. Egal, das Publikum tanzt.

Mit sparsamer Gitarrenbegleitung singt der französische Musiker nicht leicht verständlich von langen Stunden. Man weiss immer noch nicht, warum er eigentlich so leidet, irgendein Missverständnis lässt ihn nicht schlafen.

Das ist zwar traurig für ihn, doch unser Glück, wenn so wunderschön melancholische Lieder dabei herauskommen. Und die Texte kann man ja im Booklet der CD nachlesen.

Der nächste Song verströmt entspannte Alles-ist-möglich-Stimmung, die Mundharmonika kann nun auch fröhlich und die Zuhörer sind um gefühlte fünfzig Meter nach vorn gerückt. Es geht auch rockiger, dazu die immer etwas heisere Stimme und fantastische Bühnenpräsenz. Erst der vierte Song, aber die Leute rasen.

Beim nächsten Lied fordert er uns auf, näher zu kommen, vorn wäre es wärmer. Es scheint erstaunlich viele zu geben, die frieren. Allerdings nicht lange bei dieser sehr entspannten Reaggy-Blues-Nummer.

Ein Trommelsolo mit allen, das gibt es wohl nur bei Charles Pasi und Band. Der Rhythmus ist so ansteckend, dass man meint, ihn bis zum Hals klopfen zu hören. Die Fünf geben alles, der Boden vibriert. Der Keyboarder gibt als erstes auf, dann wirft sich der Gitarrist auf den Boden.

Wir sind alle Ėdit Piaf

Ob wir französisch singen wollen, fragt Pasi und wir wollen alle. Und auf einmal können wir ihn gut verstehen, wie er „Je vois la vie en rose“ intoniert, nur von der Mundharmonika begleitet.

Dann kommt ein Country, es wird geklatscht. Er zieht das Tempo an, das Publikum hält wacker mit. Die Tonart wechselt, ein Zug fährt pfeifend und stampfend in schwindelnde Höhen, die nächste Station ist Pop.

„Come at here“, es bleibt ungeklärt, wer vor diesem charismatischen Jungen mit der so grossen und sensiblen Stimme davonlaufen würde. Sehr hübsch ist auch, die Sleeping Queen, eine traurig schöne Erinnerung. Charles Pasi beschreibt sie als „She is a painted Queen from a sleeping scene.“

Beim letzten Song, klingt es italienisch, die Bühne erstrahlt in Rot und es wird einem warm ums Herz. Es gibt sie immer wieder, diese Sternstunden des Glücks. Die nachklingen in den langen Herbstabenden und kalten Winternächten, die noch so fern scheinen.

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