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1. September 2014, 13:16 Movie

Gässli Film Festival: Crumb

Gregor Schenker - Vergangenen Sonntag ging das Gässli Film Festival in Basel zuende. An der Abschlussveranstaltung gaben sich Ehrengast Terry Zwigoff und Comic-Legende Robert Crumb die Ehre. Sie sprachen von Masturbation und Arsch-Fetisch.

"Wir sind alt geworden", seufzt Robert Crumb ins Mikrofon. Im Stadtkino Basel, besetzt bis auf den letzten Sessel, lief gerade Crumb. Der Dokumentarfilm stammt von 1994; die vergangenen zwanzig Jahre sind am Grossmeister des Underground-Comics nicht spurlos vorbeigegangen. Schlohweiss ist sein Haar inzwischen, krumm der Rücken (noch krummer als damals). Er beklagt sich darüber, dass ihn die Leute nach dem Film ständig erkannt hätten.

"Das Gute daran ist, dass er deswegen seinen lächerlichen Hut weggeschmissen hat", erklärt Terry Zwigoff, der Regisseur. Crumbs Frau Aline setzt nach: "Und er hat sich einen Bart wachsen lassen."

Crumb gehörte in den 60er-Jahren zu den Pionieren der Underground-Comics. Ähnlich wie Will Eisner, Art Spiegelman oder Gilbert Shelton erschuf er eine erwachsene Alternative zum damals konsequent harmlosen Mainstream-Zeugs à la Superman.

Was Crumb gezeichnet hat, kennt heute fast jeder: Die lässig daherschreitenden Keep-On-Truckin-Typen. Fritz the Cat. Und natürlich seine riesenhaften Amazonen mit den dicken Ärschen und muskulösen Beinen.

In den 80ern begann sein alter Kumpel Zwigoff (Ghost World) ein Porträt des Comiczeichners. Der notorische Mangel an Geld erzwang immer wieder Pausen, mehrere Jahre sollte es bis zum fertigen Film dauern. "Wir sprachen über zutiefst persönliche Dinge, weil wir nie gedacht hätten, dass das irgendwer jemals sieht", so das Ehepaar Crumb.

Die schmerzhafte Ehrlichkeit macht die Genialität des Werkes aus. Publikum und Kritik waren begeistert, bis heute fährt einem die Sichtung nachhaltig ein. Zwigoff rollt Biographie und Werdegang von Crumb auf, lässt den Künstler über die persönlichen, oft sexuellen Passionen sprechen, die der Porträtierte auch in seinen Comics verarbeitet.

Und er zeigt Crumb zusammen mit Charles und Maxon, seinen Brüdern (die beiden Schwestern weigerten sich, vor die Kamera zu treten). Ebenso wie das berühmte Geschwister sind sie Künstler, ebenso leiden sie unter ihren Dämonen:
Charles ist in psychiatrischer Behandlung und lebt bei der Mutter in einer heruntergekommenen Hütte (dennoch spricht er so gewählt wie eine der Figuren aus den alten Romanen, die er liest).
Maxon war wegen sexueller Belästigung im Gefängnis und quält sich mit Yogi-Praktiken. So offensichtlich die Störungen, so offensichtlich ist die Liebe der Brüder.

Die kaputten Protagonisten passen zu David Lynch, der im Vorspann steht. "Er hatte mit dem Film absolut nichts zu tun", erklärt Zwigoff. "Aber er stellte seinen Namen zur Verfügung, was nett war."

Zwigoff sitzt hier als Ehrengast und Jurypräsident des Gässli Film Festival 2014. In Basel beheimatet, heuer zum sechsten Mal stattgefunden, gegründet vom rheinstädtisch ansässigen Filmfanatiker Giacun Caduff, bietet es eine Plattform für junge Filmemacher. Und es holt eben alte Hasen heran.

Apropos: Beim Q&A erzählt ein älterer Herr (die grosse Glatze drei Bilder weiter oben ), wie er von Amerika nach Europa ausgewandert sei, mit Crumbs Werk im Gepäck. Dieses Kulturgut habe er auch seinen Kindern vermittelt. Mit Erfolg, wie seine Tochter bestätigt (er hat die junge Frau mitgebracht). Über Crumbs Big Ass Comics erzählt sie nämlich dem ganzen Saal: "Dazu habe ich früher masturbiert."

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