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2. November 2006, 00:00 Movie

The Queen

Daniel Gremli -

Stephen Frears neuer Film dreht sich um den herzlosen Umgang der Queen mit dem Tod von Lady Di. Dafür gabs in Venedig den Preis für das beste Drehbuch.

Die Queen übt sich im Trauern

Letztens in der Bar mein Gegenüber: „Diese Briten... ich liebe diesen englischen Humor!“ „Monty Python und so...? Ja, sehr lustig.“ „Nein, ich mein mehr diesen guten alten britischen Humor. Kennst du „The Importance of Being Earnest?“ „Ja.“ „Oscar Wilde?“ „Jaja, gelesen...“ “DEN Humor mein ich. Natürlich englische Originalsprache. Diese trockene Arroganz, diesen bissigen Witz, ich finde das zum umfallen komisch!“ Ich schweige. Humor ist Geschmacksache und ich persönlich fand Wilde’s Theater ungefähr so komisch wie die Erstaugustrede des Bundespräsidenten. Aber eben: Humor ist und bleibt Geschmacksache und mein Gegenüber aus der Bar hätte Stephen Frears neuen Film The Queen wohl genau so lustig gefunden wie die grosse Mehrheit der Pressevertreter im Kinosaal, die sich, ihrer Aufgabe als Kulturkenner bewusst, fast in die Kiste gelacht haben. Der SF Kulturplatz bezeichnet den Film als „klug, frech und britisch“, die NZZ als „klug und detailreich“. Britisch ist der Film ohne Frage. Die Geschichte über Queen Elizabeth II und ihren herzlosen Umgang mit dem tödlichen Unfall von Lady Diana kann ja auch nicht „unbritisch“ erzählt werden und der Humor ist nahezu voll und ganz in den Fussstapfen von Oscar Wildes typischen britischen Komödien.

Jagdausflug mit Charles

An Detailreichtum und Glaubwürdigkeit fehlt es dem Film The Queen in keiner Weise. Die Geschichte ist mit Originalaufnahmen über Lady Di durchzogen und vermischt sich mit nachgestellten Nachrichten, die von den Hauptdarstellern gespielt sind. Der Film wirkt wie eine Dokumentation und die starken Schauspieler, allen voran Hellen Mirren als Queen, überzeugen auf der ganzen Linie. Dies wird von den Meisten wohl als Stärke ausgelegt, doch genau hier liegt auch die Problematik. Der Film ist aufgebaut als handle die Geschichte von der Kubakrise und der Zuschauer wird sich hier wohl fragen, was das ganze denn soll. Die internen Zanggereien zwischen dem Königshaus nach Dianas Tod verdienen nicht wirklich eine solche Beachtung, als dass man sich ernsthaft mit einer Queen identifizieren könnte, die hin und her gerissen ist zwischen dem trauernden Volk, und der ablehnenden Haltung gegenüber der Prinzessin der Herzen. Die Auszeichnung als bestes Drehbuch für The Queen in Venedig ist sicherlich gerechtfertigt, da der Drehbuchautor Peter Morgan es geschafft hat, diesen politisch belanglosen Konflikt in ein anspruchsvolles Drama zu verwandeln. Doch das Thema hat zu wenig Substanz für einen wahrhaftig interessierten Zuschauer und der schweizerillustriertenlesende Monarchiekenner wird den Film wohl eher verständnislos zur Kenntnis nehmen. Was an der Filmthematik so klug und frech sein soll ist mir persönlich schleierhaft, die einzige Person, die diesen Film als Frech bezeichnen könnte, ist „Her Majesty The Queen“ und die würde wohl schon einen Hotdog mit Ketchup UND Mayonnaise als wahnsinnig frech einstufen.

Der Film eckt nicht an und ist im gesamten für die Leinwand „too polite“, hätte aber durchaus ein gutes Theaterstück abgegeben. Dort würden sich die Dialoge sicherlich auch besser entfalten und der Konflikt, welcher diese Geschichte unterschwellig durchaus bietet wäre im Theater wohl besser spürbar gewesen. Ein Film aber – das hätte es nicht gebraucht, dafür ist die Geschichte zu wenig bissig.

Die Queen als Selfmade-Woman

Eine Queen hautnah zu erleben, die am Morgen mit kleinen Augen aufsteht, die mit ihrem Landrover im Fluss stecken bleibt und sich Sorgen macht, ob sie denn für ihren Charles eine gute Mutter war, diese Idee ist sicher witzig aber für den Grundton des Filmes ist es eigentlich nebensächlich und vermittelt wenig zusätzlichen Gewinn.

Als halber Dokumentarfilm, der gleichzeitig den englischen Humor und auch noch die Emotionen der Lady Di – Anhänger bedienen will, ist der Film weder Fisch noch Vogel und kann trotz vieler guter Szene, die oft auch zum schmunzeln sind, nicht überzeugen. Genau so gut könnte man Achtung, fertig, Charlie! als eine bissige Abrechnung mit dem Militär betiteln und The Day after Tomorrow als einen wichtigen Beitrag zur Klimadiskussion.

Alles in allem: Eine überragend gespielte Queen in einer Szenerie, die so glaubwürdig ist, dass es dem Film mehr schadet als nützt über ein Boulevardthema, dass zu einem übertrieben wichtigen Dilemma hochstilisiert wurde. Wer die Theaterstücke von Oscar Wilde zu seinen Liebsten zählt, dem ist The Queen zu empfehlen. Ich persönlich setz mich da lieber zurück in die Bar.

Bewertung: 2.5 von 5

Tony Blair rettet die Situation

Originaltitel: The Queen

Land: England, Frankreich, Italien

Genre: Biografie/Komödie/Drama

Dauer: 97 Minuten

Regie: Stephen Frears

Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, u.a.

Verleih: Monopole Pathé

Kinostart: 2. November 2006

Text: Lorenz Würgler

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Quelle: Bilder: Monopole Pathé (Link)
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