Zurich Filmfestival Highlight: Roman Polanski: Wanted and Desired
Christina Ruloff - Nicht wenige (Hollywood) - Tragödien sind über die Jahre nicht zu einem Mythos verkommen: Roman Polanskis Gerichtsverhandlung und seine abschliessende (und finale) Flucht nach Europa – nachdem er sich in den Vereinigten Staaten wegen „unlawful sexual intercourse with a 13- ...
Marina Zenovich wirft in ihrem hervorragenden und sehr objektiven Dokumentarfilm Roman Polanski: Wanted and Desired einen Blick hinter die Kulissen, spricht mit allen noch lebenden Beteiligten (ausser Polanski, dessen Sicht dank Archivmaterial zur Genüge vertreten ist) und zeichnet ein neues und hoffentlich abschliessendes Bild der in jeder Hinsicht unglücklichen Affäre.
Laurence J. Rittenband und seine Inszenierung des Prozesses werden beleuchtet und anhand deutlicher Zeugenaussagen hinterfragt.
Dabei treten zwei Aspekte sehr deutlich zu Tage: Polanskis Richter Laurence J. Rittenband „orchestrierte“ (so das Opfer, Samantha Geimer) eine zuweilen groteske Farce, um seiner Medienbesessenheit gerecht zu werden und sich als mächtiger, ja allmächtiger Richter zu inszenieren. Dabei ging es ihm nie um die Sache, um den Täter oder gar um das Opfer, sondern nur darum, möglichst vorteilhaft in den Medien zu erscheinen. Dass die gerichtlichen Untersuchungen (wo ihr demütigende Fragen gestellt und ihre Unterwäsche seziert wurden) öffentliche Gerichtsversammlung für die Dreizehnjährige Samantha Geimer traumatische Folgen hatte und ihrer Jugend ein abruptes Ende setzte, war ihm ebenso egal, wie dass ihre Familie gebeten hatte, von einer Verfolgung, ja Inhaftierung des berühmten Regisseurs abzusehen. Sowohl Polanskis Verteidiger Douglas Dalton als auch der Staatsanwalt Roger Gunson (der die Verhandlung als „sham“ bezeichnete) wurden von dem Richter mehrfach betrogen und hintergangen, so dass sie sich nach Polanskis Flucht gemeinsam (!) für seine Absetzung aussprachen.
Mindestens so interessant ist jedoch, dass der Kreuzzug der amerikanischen Presse gegen Polanski viel früher begonnen hatte, nämlich nach der Ermordung seiner schwangeren Frau Sharon Tate durch die Manson - Family. Während die europäischen Medien die Katastrophe als weiteres tragisches Kapitel im Leben eines vom schrecklichem Unglück verfolgten Mannes sahen, glaubten die amerikanischen Kollegen, der satanische „Zwerg“, der angeblich mit starkem Akzent spricht und nur Perversionen im Kopf hat, habe den Massenmord selber angeordnet, wenn nicht daran teilgenommen!
Douglas Dalton, Polanskis Anwalt war von der Flucht des Regisseurs nicht überrascht.
Polanskis Verbrechen gegen das Mädchen ist, unabhängig von allen Begleitumständen, unbestritten. Dass das Klima im Hollywood der 60er Jahre ihn zum Gefühl verleitet hat, dass in der Stadt der Träume alles jederzeit möglich sei, mag die Tat erklären (in einem alten Interview schwärmt er von den unbegrenzten Möglichkeiten in Los Angeles). Und dass die Flucht in Anbetracht einer 50 jährigen Haftstrafe nachvollziehbar ist, leuchtet ein. So ist – wie es alter britischer Freund pointiert ausdrückt – Roman Polanski in Amerika „wanted“ (und konnte daher den Oscar für die beste Regie im Jahre 2002 nicht persönlich entgegen nehmen), in Europa aber, und speziell in Frankreich, wo er 1998 in die Académie des Beaux-Arts aufgenommen worden ist, „desired“ – erwünscht, geschätzt, geachtet.
Marina Zenovichs Film rollt die Fakten intelligent auf, zeigt – soweit die möglich ist – die Wahrheit rund um Prozess und Flucht des Regisseur und schliesst hoffentlich das unglückliche Kapitel ein für alle Mal ab.
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