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11. Juni 2009, 08:46 Politik

Lukas Reimann: Politik oder Prostitution?

Lukas Reimann - Das gekaufte Parlament. Natürlich soll die Politik in engem Kontakt mit der Wirtschaft stehen. Neulich zeigten mir Gewerbeunternehmer ordnerweise ihren Bürokratie- und Gebührenkampf mit den Behörden auf. Das hat mich überzeugt, für den Bürokratie- und Gebührenabbau etwas...

Das gekaufte Parlament.

Natürlich soll die Politik in engem Kontakt mit der Wirtschaft stehen. Neulich zeigten mir Gewerbeunternehmer ordnerweise ihren Bürokratie- und Gebührenkampf mit den Behörden auf. Das hat mich überzeugt, für den Bürokratie- und Gebührenabbau etwas zu tun.

Das Wichtigste beim Kontakt mit Interessengruppen ist aber, dass der Politiker unabhängig bleibt und keiner Lobby verpflichtet ist, sondern nur seinen Wählern. Im heutigen Parlament ist dies ein Wunschtraum. Während der Session treiben sich da auf einen Nationalrat zehn Lobbyisten herum.

Aktuelle und haarsträubende Beispiele gibt es genug: Die CVP lässt sich von der – mit Steuergeld gestützten – UBS 100‘000 Franken zusichern. Dass man jetzt nach Parteiaustritten zurückkrebst, ändert nichts daran, dass nur ein Tag nach der Spendenzusicherung auffällig viele CVP-Ständeräte ihre Meinung änderten und nichts mehr von einem Lohndeckel für die UBS wissen wollten.Werner Messmer (FDP) versuchte der SUVA mehr Freiheiten zu geben. Die Versicherungsbranche fürchtete die Konkurrenz und droht der FDP mit Geldentzug, wenn Messmer weiterhin in der zuständigen Kommission wirke. Messmer war seither nicht mehr an den Sitzungen.Andrea Hämmerle (SP) präsidiert die Fernmeldekommission. Auch war er Präsident der Nationalparkkommission und bekam von Hauptsponsor Swisscom hohe Spenden. In der Kommission soll er gemäss Handelszeitung mit 13 zu 12 Stimmen den Stichentscheid gegen eine Vorlage gegeben haben, welche die Telefon- und Internetkosten hätte senken können.

Besonders eklatant scheint der Lobbyismus im Gesundheitswesen zu sein. Politiker fast aller Lobby-Bereiche von der Pharma über die Krankenkassen bis hin zu den Apothekern und Ärzten sitzen in der Gesundheitskommission. Die verschiedenen Allianzen verhindern damit, dass die Krankenkassenprämien sinken, denn keiner Lobby soll es weh tun.

Und als es um die Ventilklausel, also die Einführung von Kontingenten ging, um die unkontrollierte Einwanderung und die steigende Arbeitslosigkeit wenigstens vorübergehend während der Krise zu bremsen, kam eisiger Widerstand. Sofort waren die Lobbyisten da und forderten die weiterhin unkontrollierte Einwanderung, schliesslich bräuchten gewisse Branchen jetzt erst recht Billigarbeiter aus dem Ausland.

Vergangenen Dienstag lud UBS-Chef Grübel ausgewählte Parlamentarier zum 5-Gang-Menü im 5-Sterne-Hotel ein. Andere Parlamentarier lassen sich beschenken. Wieder andere bekommen nach Abwahl oder Rücktritt tolle Jobs bei Firmen, für welche sie jahrelang politisiert haben. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Natürlich sagen alle, sie seien trotz lukrativen Jobs und schönen Spenden unabhängig. Nur in der Praxis passiert oft genau das Gegenteil. Politiker werden zu Marionetten ihrer Geldgeber. Wenn man von einem Sektor viel Geld erhält, soll man mir bitte nicht erklären, man sei nicht befangen, wenn im Parlament über genau diesen Bereich ein Entscheid zu fällen ist. Es braucht viel strengere Regeln zu den Interessenbindungen und volle Transparenz. Wir wollen wissen, wer von wem eigentlich geführt wird.

Es gab verschiedene Anträge in Bern, welche Verbesserungen schaffen wollten. Oskar Freysinger (SVP) stellte einen Antrag auf volle Transparenz der Parlamentariereinkünfte. Politiker sollen alle Einkünfte offenlegen müssen. Der Antrag wurde im Ständerat aber deutlich abgeschmettert. Sind wir bereits soweit, dass die Mehrheit der Bundespolitiker etwas zu verbergen hat, wenn so ein Antrag abgelehnt wird?

Anita Fetz (SP) wollte, dass wenigstens betroffene Politiker bei Interessenbindungen in Ausstand treten sollen. Also zum Beispiel Krankenkassen- oder Pharma-Verwaltungsräte im Parlament sollen sich doch bitte bei Geschäften zu den Krankenkassenprämien raushalten. Auch ihr Antrag scheiterte kläglich. Vielleicht wäre der Rat bei gewissen Geschäften ja nicht mehr beschlussfähig gewesen, wenn mehr als die Hälfte hätte in Ausstand treten müssen?

Wer sich selbst verkauft, ist auch bereit, Land und Leute zu verkaufen. Der Schriftsteller Thomas Mann nannte schon 1918 den Politiker ein „niedriges und korruptes Wesen“. Als Bürger fragt man sich, ob man unter solchen Umständen überhaupt noch wählen gehen soll? Unbedingt! Denn nur die Wähler haben es in der Hand, dies zu ändern. Politiker, die auf dem Buckel des Volkes abzocken, gehören abgewählt!

Ein guter Politiker kontrolliert die Mächtigen statt von ihnen kontrolliert zu werden: Unbestechlich für das Volk! Das muss für alle Politiker aller Parteien gelten.

Lukas Reimann (26) ist SVP-Politiker, jüngstes Mitglied im Nationalrat und studiert Rechtswissenschaften an der Universität in Zürich.

www.lukas-reimann.ch

Die erste Politkolumne von Lukas Reimann

Die zweite Politkolumne von Lukas Reimann

Die Politkolumne auf Students.ch

Kommentare
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ayayay 09.10.2009 um 16:16
endlich wieder einmal ein courragierter politiker
mit hirn
akademiker 11.06.2009 um 18:45
Milizpolitiker ohne Interessensbindung gibt es nicht und kann es nicht geben. Da die Politiker im Milizsystem auf Teilzeit arbeiten, sind sie immer abhängig vom Arbeitgeber, von Aktionären, von Vereinen und Verbänden in denen sie tätig sind. Und sogar der selbständige Unternehmer hat eine Interessensbindung: die zu seinen Kunden und zu seinem Berufsstand.
Interessenslose Politiker zu fordern, ist ein unrealistisches Ziel. Ein Politiker wird meistens nicht nur von Lobbyisten finanziert: die Lobbyisten stellen auch seine Wählerschaft dar.
Ein Pharmalobbyist wird deshalb bspw. hauptsächlich von Leuten gewählt, die in der Pharmaindustrie tätig sind. Ein Gewerkschafter wird von seinen Gewerkschaftskollegen gewählt. Und das ist auch richtig so, denn Politiker haben die Interessen ihrer Wählerschaft zu vertreten und die ist nun einmal in erster Linie die eigene Lobby.
Der Wähler wählt ebenfalls nach diesem System: ein Sozialarbeiter wählt in der Regel SP, weil in dieser Partei seine Interessen als Staatsbeamte vertreten sind. Ein Banker wählt eher bürgerlich, weil er sich da besser vertreten sieht. Es ist ganz natürlich, dass die Wähler dann auch lobbyieren und den entsprechenden Parteien Spenden zukommen lassen.
Es gibt doch niemand sein Geld aus für eine Partei, in der er sich nicht vertreten sieht.
Die Diskussion um die UBS-Spende der CVP ist müssig. Der Wähler ist mündig genug, um selbst zu entscheiden, ob er eine Partei wählt, die Abzocker-Manager aus der UBS schützt und dafür offenbar eine Spende abzockt.
Die Transparenz ist sicher wichtig, doch ich denke, wenn eine Partei es so macht wie die SP und die eigenen Parteispenden deklariert, dann ist diese zur Genüge hergestellt. Letztlich liegt es ja auch im Eigeninteresse einer Partei, die Parteispenden transparent zu deklarieren.
Grundsätzlich wählen die Bürger eben doch lieber Parteien, die offen kommunizieren und das tun, was sie versprechen, als diejenigen, auf die kein Verlass ist.
In dem Sinne sollte auch klar sein, was bspw. die SVP zu tun hat