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7. Juli 2011, 17:33 Kolumnen

Shots no. 30: Alles Flaschen

Dominik Mösching - Argentinien ist schlecht in die Copa America gestartet. Zwei uninspirierte Unentschieden gegen Kolumbien und Bolivien, lahme Einzelkämpfer, viel warme Luft um schwache Stars. Fast wie in der bonarensischen Politik: Am nächsten Sonntag wird die Stadtregierung gewählt.

Flaschen in San Telmo: Manchmal blubbern sie ein bisschen.

Das Bild sprach Bände. Messi stand regungslos da, blickte sekundenlang in die Leere und dann zu Boden. Er zog langsam sein Trikot aus der Hose, stülpte es über sein Gesicht und vergrub es im hellblau-weissen Stoff, als ob er Trost suchen würde beim nationalen Wappen, das doch normalerweise so stolz auf der Brust der argentinischen Fussballer prangt. Das Spiel war nicht etwa zu Ende. Es lief die 80. Minute. Doch er schien zu realisieren: An einem Tag wie diesem, an dem er wirkungslos war wie selten und das Spiel völlig an ihm vorbeilief, würde sich das Schicksal niemals mehr auf seine Seite schlagen. Immerhin hatte Argentinien das Glück, dass die Kolumbianer ihre Überlegenheit, ihre clevere Organisation und ihre eleganten Kombinationen nicht auch noch mit einer entsprechenden Effizienz im Abschluss krönten. Es hätte locker 4:0 statt 0:0 geheissen.

Am Tag danach ist man sich in Buenos Aires einig. Unsere Fussballer, alles Flaschen. Einzeln vielleicht nicht, aber im Team. Warum funktioniert es nicht, seit Jahren nicht? Genau diesen Eindruck kriegte man auch bei der gestrigen Debatte zur anstehenden Wahl der Stadtregierung, interessanterweise unmittelbar vor dem Fussballspiel terminiert. Auf dass die Bürgerinnen und Bürger allfällige negative Emotionen auf den grünen Rasen übertragen. Die zehn (!) aussichtsreichsten Kandidaten durften zu den brennenden Themen jeweils zwei Minuten aneinander vorbeireden. Realsatirisches Nichtfernsehen at its best.

Wer eine Zeit lang in der Stadt wohnt, weiss: Die Infrastruktur – Verkehr, Wohnraum, Grundversorgung – vermag kaum mit dem Bevölkerungswachstum mitzuhalten. Armut und Unsicherheit plagen die unterprivilegierten Viertel. In einer Stadt mit fünf unabhängigen Polizeien ist die Frage nach Ineffizienz, Korruption und Bürgernähe höchst legitim. Aber die Antworten? Senator und Links-Peronist Filmus will das Selbstbewusstsein der Menschen stärken. Das ist nett. Bregman von den Sozialisten will den Sechs-Stunden-Arbeitstag, und alles wird gut. Rechts-Peronist und Ganz-bestimmt-nicht-ÖV-Benutzer López Murphy landete mit "...jeden Morgen, wenn ich den vollbesetzten Bus nehme..." den Lacher des Abends, der seine Hauptbotschaft "Wählen Sie López Murphy" fast vergessen machte.

Getoppt wurde er nur noch von Anwalt Castrilli. Eindringlich blickend wiederholte er seinen metaphysisch kreativen Slogan "Wählen Sie sich selbst. Wählen Sie Castrilli" sieben Mal. Das war ein bisschen unheimlich. Fast so unheimlich wie das Unvermögen von Ex-Stadtpräsident Telerman, wenigstens einmal ein Statement vor der Sirene zu Ende zu bringen. In der illustren Truppe fehlte nur einer. Amtsinhaber Macri, der die Stadt so herzenswarm führt wie früher seine Unternehmensgruppe, hatte plötzlich seine staatsmännische Ader entdeckt und sich gegen solche plakativen Events gestellt. Stattdessen habe er reale Politik gemacht und an seinen Plänen gearbeitet, um die Stadt zu verbessern, liess er heute ausrichten.

Auch keine schlechte Idee, so vier Jahre nach Amtsantritt.

Wahlkampf in Buenos Aires.
Wahlkampf in Buenos Aires.

Auch in illustren Truppen sind immer die anderen Schuld.
Auch in illustren Truppen sind immer die anderen Schuld.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

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