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20. November 2013, 19:22 Kolumnen

Hhmm… Ein Schweizer spricht

Marco Büsch - Die Zürcher Fachstelle für Migrationsfragen hat eine Kampagne lanciert unter dem Motto „Miteinander reden - miteinander leben.“ – Also lasst uns ein wenig darüber reden.

Das Thema Migration ist in der Schweiz und speziell in Zürich ein viel beackertes Dauerthema, und nun dachte sich die Zürcher Fachstelle für Integrationsfragen wohl: Warum nicht mal wieder eine Kampagne zum Thema Integration lancieren? Gesagt, getan: Ob im Tram oder auf Zuckersäcklein in der Unicafeteria, die Kampagne ist kaum zu übersehen. Falls sie trotzdem noch nicht von jedermann und -frau bemerkt worden ist, hier ein Kurzlink zu den Sujets: Link!

Picken wir uns einfach mal drei der sechs Sujets heraus und lassen den Gedanken freien Lauf:

– Auf dem ersten Sujet sieht man einen Mann, der Christoph Blocher ähnlich sieht, und einen Schwarzen, welcher ganz betrübt meint: „Warum wechseln Schweizer immer ins Englische?“ und der Christoph antwortet – so lustig! – auf Englisch: „They think it’s polite.“ – Darunter steht dann „Die Mehrheit der Einwanderer versteht nach zwei Jahren Deutsch – sprechen Sie auch so.“Zuerst einmal kann ich diesen Befehlston gar nicht ab, gerade hier in der Schweiz, dem überhöflichen Land; hier geht schon mal gar nichts ohne ein anständiges „chönted Sie nöd villicht bitte… wänns möglich wäri…“. Daran scheitern ja schon viele unserer Nachbarn aus dem Norden, welche sich nicht gewohnt sind, dass man in der Schweiz die Hälfte der Zeit auf Höflichkeitsfloskeln ver(sch)wendet und trotzdem noch ein so hohes Bruttoinlandprodukt pro Kopf erzielt: Das nenne ich gelebte Konsensdemokratie. Aber wenn wir schon bei den Deutschen sind: Das sind auch arme Schweine! Den Schwarzen spricht man vielleicht direkt auf Englisch an, was nicht wirklich gerechtfertigt ist, aber beim Deutschen wechseln viele sofort auf Hochdeutsch, kaum hat dieser ein paar Worte gesagt. Auch wenn sie einen immer wieder höflich darauf hinweisen, dass sie es zwar nicht sprechen, aber durchaus verstehen, das Schweizerdeutsche. Oder zumindest ist man gewillt, es zu lernen. Aber nein, der Schweizer redet vielleicht einen Satz auf Schweizerdeutsch und dann irgendwann doch wieder Hochdeutsch. Weil er es kann. Weil er mehrere Sprachen kann. Weil er den Konsens sucht, auf sein Gegenüber eingeht. Weil wir in der Schweiz sind und wir stolz darauf sind, dass wir das können. Die Deutschen hätten jedenfalls – meines Erachtens – durchaus eine eigene Kampagne verdient.

– Auf dem zweiten Sujet sieht man eine Frau und einen Mann. Die Frau sagt: „Wie bringt man einen Schweizer zum Reden?“, der Mann sagt „Hhmm…“. Ganz grosse Komik, echt lustig. Er sagt nichts, weil er ja Schweizer ist. Zum Schiessen! Und unten steht: „Eine Schweizer Eigenart: [d]ie (sic!) schweigende Mehrheit ist gesprächsbereit. Einfach sehr zurückhaltend.“ – Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Zürcher Fachstelle für Integrationsfragen hierbei gedacht hat, es wäre vielleicht lustig, den Schweizer Bürgern die eigenen Klischees vorzuhalten. Ja, kann schon lustig sein, aber hier ist es eindeutig zu plump geschehen. Und ich weiss nicht, wer das gezeichnet hat oder wer für diese Bilder Modell gestanden hat und es tut mir zwar ein wenig leid, aber diese Frau sieht einfach nur schrecklich aus. Sie sieht aus, als wollte sie mich anbrüllen. Kein Wunder, will ihr niemand antworten. Ich glaube, niemand möchte auf eine Frage antworten, wenn sie geschrien wird, aber das ist nur eine Vermutung. Vielleicht bin ich jetzt einfach auch nur eingeschnappt, weil ich Schweizer bin. Hhmmm…

– Auf dem dritten Sujet sieht man eine Frau und einen Mann, welche sich zusammen den Satz teilen: „Talent creates big business, origin only small talk“ – Finde ich gut, finde ich lustig, warum nicht gleich so? Und warum nicht in Deutsch? They think it’s polite? Aber ich will nicht meckern, der gefällt mir wirklich, der bringt einen vielleicht auch ein wenig zum Nachdenken. Hhmmm… zudem finde ich es ja nicht schlecht, wenn man den Nationalisten unter uns ein bisschen aufs Dach gibt, aber was genau wollen sie uns eigentlich damit sagen? Dass es egal ist, woher das Talent kommt, Hauptsache, es bringt uns viel Geld ein? Dass wir lieber Talent importieren sollten, anstatt unser Bildungssystem so zu verbessern, dass wir die Nachfragelücke selbst füllen könnten? Das ist nun möglicherweise alles ein wenig kurz gedacht, aber meiner Meinung nach klingt dieser Satz beim ersten Lesen klüger als er in Wahrheit ist. Zumindest aber lässt sich darüber diskutieren, was doch schon mal erfreulich ist. Wenn ich denn darüber diskutieren wollte. Aber ich bin leider Schweizer. Hhmmm…

Es hat schon was: Ein bisschen in die Offensive gehen, Befehle erteilen, Klischees aufgreifen, auf Englisch über business reden – ob man aber so eine öffentliche Diskussion anreissen kann? Ich weiss es nicht. Vielleicht werde ich ja noch eines Bessern belehrt und jemand hat Lust, mit mir darüber zu diskutieren? Es sei denn, es lesen hier nur Schweizer mit. Hhmmm…

Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!

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