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11. Dezember 2013, 23:03 Kolumnen

Es ist so einfach

Marco Büsch - Wieso an der Kasse warten, wenn man selbst einscannen kann? Wieso abräumen lassen, wenn man selbst das Geschirr abräumen kann? Machen wir doch alles selbst: Es ist so einfach.

Am Wochenende war es so weit: Endlich wieder einmal in die IKEA. Viel zu viele 1-Franken-Hot Dogs in sich hineinstopfen, einen Becher kaufen und à discrétion viel zu kalte Getränke mit zu viel Kohlensäure in sich hinein leeren, nur um dann Bauchweh zu haben. Und dann diese ewig langen Wege, die man zurücklegt, bis man gefunden hat, was man braucht, während man schon Säcke gefüllt hat mit Dingen, welche man eigentlich gar nicht kaufen wollte, aber welche nützlich sind, irgendwann vielleicht, Hauptsache günstig. Und dann denkt man vielleicht kurz, dass sicherlich irgendwo irgendwer dafür büssen muss, dass man hier jetzt so günstige Produkte bekommt, aber dann sehen alle so freundlich aus, ist die Atmosphäre so freundlich, und man denkt, diese Firma kann doch nicht böse sein, immerhin ist sie aus Schweden, dem oberkorrekten Vorbildland. Und wenn die IKEA schon so nett zu den Kunden ist, kann man als Kunde ja auch nett zur IKEA sein, mindestens verlangt sie das so.

Im Restaurant der IKEA steht gross auf einem Schild „Warum sollte ich meinen Tisch abräumen? Bei IKEA zahlt man am Anfang weniger fürs Essen, weil man sein Geschirr danach selbst aufräumt. Mit dem Aufräumen Ihres Tabletts helfen Sie uns auch weiterhin die Preise niedrig zu halten. Es ist so einfach. Herzlichen Dank.“ – Es ist so einfach: Wieso sollte IKEA mehr Personal einstellen, wenn der Kunde die Arbeit gleich selbst erledigen kann. Und er macht es auch noch gerne, weil das Essen ja günstiger wird dadurch und so beide Seiten einen Nutzen daraus ziehen. Dieses Prinzip wird mittlerweile in weiten Teilen des Marktes angewendet: Firmen lassen Kunden für sich arbeiten. Sei es beim E-Banking der Banken, am Flughafen beim Self-Check-In oder eben beim Geschirrabräumen in einem Restaurant: Dem Kunden wird suggeriert, dass es auf diese Weise schneller geht, effizienter und dass es am Ende immer auf eine win-win-Situation hinausläuft. Vielleicht verlieren ein paar Bankangestellte dadurch ihren Job, dafür werden mehr Informatiker angestellt, Strukturwandel hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Die Frage ist jedoch, ob diese Unternehmen den Gewinn, den sie aus diesem neuen System ziehen, auch voll und ganz an die Kunden zurückgeben? Ich bezweifle es ¬– und so bleibt es zwar eine vermeintliche win-win-Situation, jedoch mit viel höherem Gewinn für die Firmenseite, während die Kundenseite mit einem Service-Verlust leben muss und mit einen meines Erachtens deutlich kleineren Gewinn daraus zieht.

Bei IKEA an der Kasse gibt es nun übrigens nun ein Self-checkout-System, wie es auch bei Migros und Coop zurzeit in einer Testphase läuft: Der Kunde wird nicht mehr von einem Kassierer bedient, sondern scannt selbst seine Ware ein und bezahlt dann mit Karte. Während dieses System in der Schweiz noch eher Neuland ist, gab es dieses System bereits im Jahre 2007 in 95% aller Supermärkte in den USA. Es macht sich sogleich ein diffuses Gefühl breit: Ist es nun soweit, wird der Mensch endgültig durch die Technik ersetzt? Gefühlt ja, praktisch eher nein: Im Jahre 2012 wurden in den USA zwischen 12 und 30 Prozent der Verkäufe in Supermärkten über Self-checkout-Systeme abgewickelt, jedoch ist die Anzahl der Verkäufer seit zehn Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen. Die Frage bleibt zwar, ob das Jobwachstum ohne die Maschinen nicht stärker gewesen wäre, aber festzustellen bleibt: Der Mensch wird nicht durchwegs durch die Maschine ersetzt. Noch nicht. Aber man arbeitet sicherlich in diese Richtung, denn ein Roboter braucht keine AHV, keine sonstigen Beiträge. Er hat keine eigenen Launen. Er ist in keiner Gewerkschaft und verlangt auch nicht mehr Lohn oder Ferien und was auch immer der "menschliche" Arbeitnehmer so verlangt. Er ist einfach handlicher und kostengünstiger. Es ist so einfach.

Bis jetzt ist das Self-checkout zumindest in der Schweiz noch in den Kinderschuhen: Je nach Filiale stehen die Leute lieber vor der normalen Kasse Schlange, als sich mit dem Self-checkout auseinanderzusetzen. Und sie stehen wahrscheinlich sogar länger an als vor den Self-checkouts, weil diese einiges mehr an Platz einnehmen, wo vorher normale Kassen standen. Eine schwierige Gratwanderung, denn unzählige Studien deuten darauf hin, dass es zu einer starken negativen Reaktion zulasten der Wahrnehmung der Firma kommt, wenn die tatsächliche Wartezeit an der Kasse die erwartete Wartezeit deutlich übersteigt. Aber warum benutzen so wenige Leute das Self-checkout-System?

Die Gründe dafür dürften vielfältig sein: Selber scannen ist doch noch eine rechte Arbeit, besonders wenn man viel Ware einkauft. Und dann muss man die Cumulus-Karte selber einscannen, allfällige Gutscheine selber einscannen, das Gipfeli im Plastiksäckchen selber eintippen und am Ende nimmt der Automat nur Karten und kein Bargeld. Es fehlt die soziale Interaktion. Für viele – besonders ältere – Leute wird das System auch schlicht zu kompliziert sein, auch wenn immer jemand bei den Automaten steht, um sie zu erklären. Einkaufen soll einfach und schnell gehen und nicht in eine Weiterbildung ausarten. Man sollte der Maschine die Artikel einfach hinhalten können und sie sollte die Artikel dann selber reibungslos einscannen können, so sollte die Zukunft aussehen. Bis dahin befinden wir uns in einer Übergangsphase, in welcher das Self-checkout-System neben dem herkömmlichen System funktioniert oder eben nicht wirklich funktioniert, sondern eher noch verschmäht wird, bis ein Umdenken in den Köpfen der Leute stattgefunden hat. Und dann stehen wir alle bei den Self-checkouts an, in gleich langen Schlangen, nur dass es dann keine Kassierer mehr braucht, weil wir alles selbst machen. Es ist so einfach. Aber schauen wir mal, ob die Artikel-Preise dann entsprechend gesenkt werden.

Quellen und weitere Links zum Thema: (1), (2),(3) und (4)!

Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!

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