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20. Dezember 2013, 18:47 Kultur students.ch Interview

Zu Gast in der Gassenküche Basel

Annekatrin Kaps - Hell und bunt sind die beiden Räume, die jeden Abend bis zu siebzig Hungrigen gleichzeitig Platz bieten. In der Ecke bei der Tür wurde mit Ölfarbe direkt auf die Wand ein Bild gemalt, gegenüber hängt eine riesige Blüte als Stoffapplikation. An manchen Tischen trifft sich sogar abends ein Stammtisch.

Aber die Gassenküche am Lindenberg in Basel ist mehr als ein Ort, günstig zu essen.Hier geben sieben Teilzeitangestellte und circa fünfzig freiwillige Helfer neben dem Menü auch viele Infos zum Arbeiten, Therapien ab oder helfen bei Krisen und versuchen, jeden im Gespräch mit einzubeziehen. Das Atelier im Obergeschoss steht während der Öffnungszeiten offen, die Kunstwerke an den Wänden sind alle hier im vollgestopften, kunterbunten Stübli entstanden.

Seit bald fünfundzwanzig Jahren gibt es nun die Gassenküche, die gute Seele und Leiterin der Küche selbst ist Brigitte Tschäppeler. Sie ist seit zwei Jahren dabei und erzählt, wer für drei Franken abends zum Essen kommt.

Wie ist das eigentlich, ist in der Gassenküche mit den fixen Öffnungszeiten nicht jeder Tag gleich?

Es gibt eine gewisse Routine, wie beispielsweise das Gratisfrühstück, viele Stammgäste und diejenigen, welche draussen schlafen oder in der Notschlafstelle. Aber es hängt auch von der Zusammensetzung, dem Alkoholpegel und gewissen Auffälligen ab. Langweilig ist es jedenfalls nie.

Wer kommt hierher?

Sozialhilfebezüger, AHV-Rentner, welche nicht kochen können, Musikanten, die in der Stadt betteln und vor allem aus Osteuropa kommen, Arbeitssuchende, auch viele Grenzgänger. Letztere sind nicht immer die Anspruchslosesten. Dann Suchtkranke und psychisch Kranke.

Neuerdings heissen alle „Armutsbetroffene“, aber es sind die gleichen Menschen wie bisher. Es ist eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, aber die Toleranz unter ihnen ist auch grösser. Auch wenn es öfters die latente Angst gibt, dass die Ausländer ihnen etwas wegessen könnten.

Es gibt die Gassenküche nun bald ein Vierteljahrhundert, wer hat sie gegründet?

Das ist ein strittiger Punkt. Es gab 1984 ein Pilotprojekt mit dem Schwarzen Peter. Doch richtig gegründet wurde sie 1987 von der Kommunität der Friedensgasse und zwei Jahre später als Verein übernommen.

Wie viele kommen täglich essen?

Es sind hundertzwanzig Leute und zwischen achtzig und hundertzwanzig, die für drei Franken ein Essen kaufen. Nur Suppe und Salat mit Brot gibt’s gratis. Den Sonntagsbrunch auch.

Zu Weihnachten spielen die Black Tigers

Wer kommt zu Ihnen?Es sind eigentlich alles abgestürzte Existenzen, die wegen der Sucht oder aus Krankheitsgründen aus dem Netz gefallen sind. Hochintelligente sind dabei, die mal Häuser besessen haben oder Ferien in Florida gemacht haben. Doch irgendwann fehlte ihnen die Kraft, den Alltag zu meistern.

Der Frauenanteil ist zwar gestiegen, aber es sind immer noch ein gutes Drittel Männer. Von achtzehn bis fünfundachtzig ist jedes Alter vertreten. Wir geben ihnen Infos, aber sie sollen auch die Gemeinschaft spüren.

Wie haben Sie geöffnet?

Morgens von halb acht bis halb zehn, das Abendessen gibt es von 17.15 bis 19.30. Der Brunch am Sonntag ist von neun bis elf.

Gibt es noch andere Aktivitäten?

Wir feiern Weihnachten gemeinsam im Union am Heiligabend, das ist seit Jahren von 18 bis 22 Uhr. Es gibt ein feines Essen, das Menü ist geheim und die Black Tigers werden spielen. Die Geschenke verteilen wir schon anderthalb Wochen vorher, damit alle, die das ganze Jahr kommen, etwas erhalten. Schoggi und Duschbäder sind dabei, im Keller stapelt sich momentan alles. Mehr Aktionen liegen zeitlich nicht drin, aber für unser Jubiläum nächstes Jahr planen wir ein Grillfest.

Vermitteln Sie auch Arbeit?

Nein, aber in unsere Küche können sich Einige ein Taschengeld beim Gemüse rüsten oder Abwaschen verdienen. Das ist beliebt, nicht nur wegen den zwölf Franken pro Stunde, sondern weil es auch Struktur gibt.

Drei Franken sind für unsere Kunden viel Geld

Was übernehmen Sie noch?

Neben den Informationen zum praktischen Leben sind wir für Gespräche da. Unsere Gäste dürfen, aber müssen das nicht. Wir begleiten auch mal aufs Amt oder besuchen sie im Spital. Beerdigungen erfahren wir meistens zu spät.

Zuletzt noch eine ganz wichtige Frage – was gibt es zu essen?

Immer eine Suppe, zum Menü einen Salat und danach ein Dessert. Entweder Fleisch oder Fisch. Für unsere Kunden sind drei Franken viel Geld, dafür erwarten sie Fleisch. Wenn wir Schnitzel machen, wissen wir mittlerweile, dass es zwanzig Portionen mehr sein müssen, die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert da ausgezeichnet. Einmal pro Woche gibt’s was vegetarisches, das künden wir vorher nicht an, sonst kommt fast keiner.

Und wer bezahlt das?

Wir haben ein Budget von 750 000 Franken pro Jahr, das wird zu einem gewissen Teil aus Spendengeldern finanziert. Der Kanton unterstützt uns mit einer Defizitgarantie von 147 000 Franken, die allerdings an klare Auflagen gebunden sind. Lebensmittelspenden erhalten wir von der Schweizer Tafel oder Privatpersonen. Wir haben öfters Leute, die uns Obst aus ihren Gärten bringen und sind sehr froh um jede Gabe.

Weitere informationen zur Arbeit der Gassenküche unter www.gassenkueche-basel.ch

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