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27. Mai 2014, 21:38 Kolumnen

Oh Sorry Star!

Marco Büsch - Kaum bin ich ein paar Jahre erwachsen, muss ich schon gestehen: Jugendsprache, schwere Sprache. Aber ich habe Experten befragt, Analysen erstellt und bin sehr dankbar für allfällige Ergänzungen. Auf dass ich mit meinem Bruder erfolgreich chatten kann.

Ich bin gerade in einem Alter, in dem Gelächter vorprogrammiert ist, wenn ich Sätze mit den Worten «Früher, als ich noch jünger war...» beginne – und das meistens zu Recht. Wer will schon von einem Mittzwanziger (dieses Wort!) Geschichten von früher hören, also von vor zehn Jahren. Oder sogar erst von vor fünf Jahren. Das ist doch lächerlich. Und ich tue es trotzdem, einfach, weil ich gerade sehr viel mit Jugendlichen zusammenarbeite und ich mich dabei manchmal sehr viel älter fühle, als ich eigentlich bin – und sein will. Wie sie sprechen, wie sie schreiben, wie sie leben: Das ist alles so anders und doch kommt es einem manchmal überraschend bekannt vor.

Da wäre zum Beispiel dieses Weglassen unnötiger Worte. Also unnötig im Sinne von, dass man den Satz auch dann noch versteht, wenn man nur die Hälfte der Wörter des eigentlichen Satzes benutzt. Klingt vielleicht komisch, daher ein kleines Beispiel: Ich war mit den Jugendlichen im Zoo und wir waren gerade so auf der Höhe des Löwengeheges, als ein Junge einem Mädchen, das auf den grossen Steinen dort herumkletterte, ganz laut zurief, das nächste Ziel sei das Restaurant, worauf das Mädchen erwiderte, sie hätten doch zum Spielplatz gewollt und der Junge antwortet original: «Weisch warum kein Spielplatz? Wil mir Glacé gönd!» – Aber das ist heute kein Problem mehr, das ist normal. Jugendliche treffen sich und fragen «Wo isch Fritz?», «Kännsch Hans?». Wieso auch nicht, Artikel sind für Streber. Oder für Menschen, die genügend Zeit haben, um diese Füllwörter auch noch mitauszusprechen.

Ich habe erst vor kurzem angefangen mit meinem kleinen Bruder (12) zu chatten – und ich war schnell ein wenig ratlos: Da schreibt er mir am Morgen «Hallo», ich schreibe zurück «Hallo, wie geht’s?», er schreibt «gut». Punkt. Fertig. Das Gespräch geht nicht weiter. Ich habe dann die Jugendlichen bei der Arbeit gefragt, ob das normal sei und was ich da antworten solle und sie meinten, das sei Alltag, das mache man halt so: Man schreibt irgend etwas mit minimalem Inhalt ohne jegliches Ziel, bekommt minimalen Inhalt zurück und freut sich ob der funktionierenden Kommunikation. Das ist immerhin besser als keine Kommunikation. Und dann noch ein Facebook-Bild liken, ein Herzli auf Instagram und ich solle doch einfach mal ein Smiley zurückschicken, Smileys seien cool. Wobei man cool nicht mehr wirklich sagt, mehr so im lustigen Sinn, so wie unsereins «lässig» benutzt, wenn man ein wenig ironisch sein will. Und ich solle doch «Hallo bro» schreiben beim nächsten Mal. Das habe ich dann nicht getan, das war mir zu doof. «Bro». Wer schreibt schon seinem eigenen Bruder «Bro»? – Aber Sie werden es erraten: Mein Bruder schrieb mir kurz darauf, als wäre es abgesprochen gewesen, «Hey bro». Und das Beste: Er schob gleich hinterher, dass das nicht mir galt, er habe nur das Chatfenster verwechselt. Ich weiss jetzt nicht, ob ich das cool finden soll oder nicht, wenn mein Bruder scheinbar allen «Bro» schreibt ausser mir. Oder ob es nicht besser so ist.

Aber falls man sich ob solch einer Szene betupft fühlen sollte, wird der geneigte Jugendliche von heute mit einem meiner Lieblingsaussprüche auffahren: das unbesiegbare «Oooh, sorry Staaaar» (ziemlich genau so ausgesprochen). Das ist die Antwort für alle, die meinen, etwas Besseres zu sein: Das sind sie nämlich nicht! Sie sind Opfer! Wobei Opfer eigentlich eine ziemlich harte Bezeichnung für jemanden ist, aber die Jugendlichen gebrauchen es nicht nur als Beleidigung, sondern vor allem auch, um (tatsächlich) ihr Mitleid auszudrücken: «Ich muess nasitze, wil ich mini Ufzgi vergässe han.» – «Oh, du bisch sones Opfer!». Und wenn jemandem etwas Gutes passiert ist oder gerade passiert, dann reicht ein « Läuft bei dir», wobei dies ursprünglich aus dem deutschen Rap stammt und bisher noch nicht passend übersetzt wurde beziehungsweise weiter auf hochdeutsch zitiert wird. Und dann gibt es noch «Gömer steil» für Party machen, was mich persönlich an die Generation meiner Eltern erinnert, welche ein hübsches Meitschi noch «Steiler Zahn» nannten. Wie doch die Zeit vergeht.

Ich habe jedenfalls jetzt begonnen, meinem Bruder ab und zu ein Smiley zu schicken oder ein «Hallo» und damit scheint er sehr zufrieden zu sein. Vielleicht dringen wir irgendwann auch noch in tiefere inhaltliche Gefilde vor, denn zumindest für mich ist Kommunikation halt doch nicht gleich Kommunikation: Ein bisschen mehr Fleisch am Knochen dürfte es schon sein. Aber bis dahin halte ich immerhin den Kanal aufrecht und hole mir vielleicht noch ein, zwei weitere Tipps von meinen jugendlichen Kommunikationsexperten bei der Arbeit. Ein Föteli auf Instagram habe ich jedenfalls auch schon geherzelt. Läuft bei mir.

Weitere Kolumnen gibt es auf meinem Blog nachzulesen: Hier!

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