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7. November 2008, 10:22 Kolumnen

Das Wilde Wien

mirjam fuchs - Ein Austauschsemester gehört zu einem der zahlreichen Höhepunkte eines Studiums. Nichts ist einfacher als mit Erasmus für ein halbes Jahr in die Fremde abzuhauen – und so ein bisschen Auslanderfahrung macht sich erst noch gut im Lebenslauf: „Fremde Kulturen erleben“ und ...

Ein Austauschsemester gehört zu einem der zahlreichen Höhepunkte eines Studiums. Nichts ist einfacher als mit Erasmus für ein halbes Jahr in die Fremde abzuhauen – und so ein bisschen Auslanderfahrung macht sich erst noch gut im Lebenslauf: „Fremde Kulturen erleben“ und „den Horizont erweitern“ gelten ja als ungemein wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung. Darum drück ich dieses Semester nicht in Zürich, sondern in Wien die Vorlesungssaalbank.

Obwohl ich nur ins Nachbarland hinübergewechselt habe, ist das mit der oben erwähnten fremden Kultur keine Übertreibung. Zwar ist Österreich wie die Schweiz ein deutschsprachiges kleines Alpenland, aber Wien ist anders: in der Hauptstadt lässt sich noch der Duft der grossen weiten Welt erschnuppern. Klar sind die wirklich gloriosen Zeiten Wiens seit dem Untergang der Habsburgermonarchie Geschichte, doch die Kaiser haben ihre Spuren hinterlassen. Von ihrer Herrschaft zeugen unzählige Riesenbauten, Prachtboulevards und Schlösser. Es sind jedoch nicht nur die architektonischen Merkmale, die Wien im Vergleich mit Zürich zu einer wahren Weltstadt machen. Da ist zum Beispiel die Metro, mit der man problemlos wochenlang schwarzfahren kann. Und die vielen Sandler am Karlsplatz, die, anders als die paar Penner in Zürich, nicht zu übersehen sind. Und natürlich der berühmte Wiener Schmäh, dieser eigenartige Humor, der sich nicht beschreiben, sondern nur erleben lässt.

Auch den Horizont erweitern lässt sich in Wien, gerade was das Zwischenmenschliche angeht, sehr gut. Ich habe gelernt, Beschimpfungen und Beleidigungen aus Beamtenmund nicht persönlich zu nehmen. Wenn mich gleichaltrige Studenten siezen und mich Professoren Kollegin nennen, irritiert mich das nicht mehr. Und auch die grantigen Kellner im Kaffeehaus bringen mich nicht mehr aus der Ruhe – denn obwohl die grantig sind, lassen sie einem stundenlang unbehelligt sitzen und Zeitung lesen. Übrigens ist das mit der sprachlichen Verständigung so eine Sache. Mit dem Herrn vom Trafikstand, wo ich morgens meine Zeitung hole, muss ich mich mit Händen und Füssen verständigen, weil ich ihn einfach nicht versteh.

Wien, diese fremde Stadt mit ihrer eigenen Kultur und den sprachlichen Eigenheiten ist also eine echte Herausforderung und nicht zu unterschätzen. Mehr Geschichten aus dem wilden Osten gibt es übernächste Woche.

Kommentare
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sommeroderso 08.11.2008 um 03:30
Ha! Hab das letzte Jahr in Wien gewohnt und bin jetzt quasi in die andere Richtung gewechselt... die Unterschiede zwischen den beiden Ländern, bzw. Bundeshauptstädten, sind wirklich nicht zu unterschätzen.