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15. November 2006, 00:00 Interview

Luke Gasser

Joel Bedetti - Das Aushängeschild des Schweizer Independent-Films über seinen neusten Film Anuk, das gestörte Verhältnis der Schweizer zum Hochdeutschen und die schauspielerischen Qualitäten von Nicolas Cage. Regisseur, Rockmusiker, Bildhauer: Multitalent Luke GasserIn welchem Genre würde...

Das Aushängeschild des Schweizer Independent-Films über seinen neusten Film Anuk, das gestörte Verhältnis der Schweizer zum Hochdeutschen und die schauspielerischen Qualitäten von Nicolas Cage.

Regisseur, Rockmusiker, Bildhauer: Multitalent Luke Gasser

In welchem Genre würdest du deine Filme einordnen?

Es gibt Leute, die sagen, es seien Historienfilme. Es sind abenteuerliche Geschichten, und sie spielen in der Vergangenheit – aber sie haben nichts mit Historienschinken zu tun.

Welches sind deine filmischen Einflüsse?

Irgendwann fand ich heraus, dass Werner Herzog sehr wichtig für mich gewesen sein muss. Auch die Bildsprache von Ridley Scott ging nicht einfach an mir vorbei. Es sind einzelne Filme die mich beeindruckten. Die Bildsprache von Michael Ciminos Heavens Gate, die Üppigkeit von Kusturiza, aber auch die Schlichtheit von Dead Man von Jim Jarmusch haben mich beeindruckt.

Wie kamst du zum Film?

Filme interessierten mich schon als Kind, als wir dreiviertelstündige Super-Acht-Filme drehten. Zum Kino kam ich folgendermassen: Im Vollrausch beschlossen wir eines Abends, einen Film zu drehen – aus dieser Bieridee wurde dann Baschis Vergeltung. Ich hätte nie geglaubt, dass der Film ins Kino kommt! Am Schluss redete die ganze Schweiz über den Film; es wurde sogar zu einem Arena-Thema. Wir wussten gar nicht, wie uns geschah.

Alle deine Filme haben einen historischen Kontext und einen archaischen, mythischen Einschlag. Wieso?

Es hängt stark mit meiner Herkunft zusammen. Wenn du durch die Obwaldner Berge wanderst und diese wuchtige Landschaft siehst, dann spürst, dass sie voller Geschichten ist! Die archaischen Sagen und Mythen leben auch heute noch weiter – es drängte sich fast auf, solche Geschichten zu machen.

Alle deine bisherigen Kinofilme spielen in der Vergangenheit. Würdest du gerne in einer anderen Zeit leben?

Ehrlich gesagt – wir haben alle gerne eine warme Dusche, eine duftende Zigarre und einen guten Whisky. Der Film gibt einem die Möglichkeit, Vorstellungen von anderen Zeiten zu vermitteln - die sicher auch gut waren. Heute wie gestern hängt es davon ab, in welcher Schicht du lebst.

Wenn du heute in Aethiopien oder auch schon nur in Ostdeutschland ohne Arbeit und Perspektive lebst, dann ist es nicht lustig – da war es in der Steinzeit lustiger. Ich lebe gerne in unserer Zeit, sie gibt uns viele Möglichkeiten.

Was war das Budget des Films?

Etwa 450000 Franken. Aber das war der Cash. Wenn wir all die Kosen der ehrenamtlichen Arbeiten zusammengerechnet hätten, wären wir etwa bei 1.8 Millionen.

Hat sich das Budget seit Baschis Vergeltung kontinuierlich gesteigert?

Ja. Die enormen Kosten für die Technik – für Anuk arbeiteten wir erstmals mit Dolby Surround - machen die Budgetzunahme aus. Dafür sind wir jetzt mit der Ton- und Bildqualität auf internationalem Niveau. Das sagen auch die deutschen Verleiher.

Versuchtest du nie, staatliche Unterstützungsquellen anzuzapfen?

Der Bund sagte, dass der Film mit diesem Budget gar nicht zu produzieren sei – wir drehten ihn für die Hälfte. Das Fernsehen sagte, es unterstütze prinzipiell keine Projekte mit historischen Themen. Das Migros-Kulturprozent meinte, die Kostüme seien schlecht – da verstand ich gar nichts mehr.

Hängt es damit zusammen, dass du ein Exote unter den städtischen Independent-Regisseuren, kein Networker bist?

Ich gehe nicht zu den Apéros im Kaufleuten.

Wie kamst du auf die Idee mit der Bronzezeit?

Ich wollte eine Zeit, von der man noch nicht viel weiss. Die Bronzezeit ist für mich insofern auch sehr interessant, weil die Menschheit doch schon sehr entwickelt waren. Durch den Bronzehandel entstand ein weltweiter Austausch – auch von Ideen. Die damaligen Leute hatten auch einen globalen Weltbegriff. Sie wussten, dass die Welt nicht hinter dem nächsten Berg endet.

Was war das schwierigste, die bronzezeitliche Umgebung am Set zu konstruieren?

Wir drehten in der Pampa, deshalb mussten wir sehr viel tragen. Den halben Tag schleppten wir nur Zeugs herum. Auch die Pferdestunts waren nicht einfach. Die Pferde kamen aus der halben Schweiz, die Stuntleute – die auch für Ridley Scotts Gladiator vor der Kamera standen - von Paris. Budget und Zeit waren knapp. Die Schlacht in Braveheart drehte man in sechs Wochen, wir hatten den ganzen Film in 18 Tagen im Kasten.

Ein Krieger zieht aus und findet nach langer Reise und hartem Kampf sein Volk wieder. War es Absicht, die Geschichte des Films einem archaischen Mythos anzulehnen?

Absolut. Es gibt ein paar Grundgeschichten in der Welt, die sich immer wiederholen. Mobbing im Büro ist genauso eine alte Geschichte wie der Kampf zwischen Anuk und Moa-Te. Es gibt fünf bis sechs Geschichte auf der Welt, die sich in Variationen wiederholen.

In der Schlussszene bedienst du dich mit den Pfeilen aus dem Jenseits selbst der archaischen Logik.

Die Pfeile sind eine Metapher für das Urvertrauen. Du knallst diese Pfeile in bester Absicht hinaus. Und irgendwann, wenn du es nicht erwartest, kommt dir etwas, das du in einer guten Absicht gemacht hast, zu Hilfe.

Ihr habt auf hochdeutsch gedreht. Bist du zufrieden mit dem Resultat? Von manchen wird bemängelt, der deutliche schweizerische Einschlag gebe dem Film einen etwas amateurhaften Touch.

Wir haben ein dermassen geknicktes Verhältnis zum Hochdeutschen! Natürlich ist es süddeutsch. Aber es ist gut genug, dass es keinen Deutschen stört. Wir hätten den Film zur Synchronisation auf Berlin geben können - für weniger Geld, auf Tatort-Sprache. Und hätten wir es in Hannover synchronisiert, hätte man gesagt, der Film habe keinen Charme mehr. Wenn schlussendlich nur am Hochdeutsch herumgemeckert wird, dann haben wir es recht gemacht!

Anuk - ein Stelldichein von Rockstars.

Rockmusiker sind die letzten Krieger unserer Gesellschaft. Die wenigsten Schauspieler sind Krieger - die gehen von einem geheizten Raum in den anderen. Rockstars ziehen durch die Welt und müssen das Publikum erobern – Angesicht zu Angesicht!

Man kennt sie als Baschis Freundin: Musikerin Kathy Winter

Bist du zufrieden mit der schauspielerischen Leistung der schauspielenden Musiker?

Natürlich finde ich auch, da und da hapert es. Aber die Figuren sind glaubwürdig - und übertreiben vor allem nicht.

Verrätst du uns etwas über deine nächste Geschichte?

Über ungelegte Eier gackert man nicht.

Wirst du dein Konzept irgendwann ändern? Ein Thema in der modernen Zeit nehmen, mit Profi-Schauspielern arbeiten?

Wann ist jemand überhaupt Profi? Wenn er nach zehn Jahren eine Akademie absolviert und arbeitslos ist? Unsere Leute spielen im Jahr ein bis drei Theater, wir haben bereits unseren dritten Kinofilm hinter uns – mehr als die meisten Profis. Wenn ich einen Nervenzusammenbruch haben muss, kann es sein, dass professionelle Schauspieler das besser hinkriegen. Aber da bin ich bei den internationalen Darstellern auch nicht so sicher. Wenn ich Nicolas Cage sehe, dann spiele ich zehn mal besser - und weniger nervig.

Ist Anuk dein bester Film bisher?

Wir sind extrem stolz auf den Film. Wir haben eine eigene Welt erschaffen, mit eigenem Design, eigenen Kostümen. Es gab noch nie einen Schweizer Film mit solchen Pferdestunts und Kampfszenen. Wenn dann nur das Hochdeutsch das Problem ist, dann können wir wirklich zufrieden sein.

Hier gehts zur Filmkritik von Anuk.

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