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29. November 2008, 16:50 Kultur

Stuff @ Theater Neumarkt

Robert Salzer - Das Theater Neumarkt holt die Börse auf die Bühne und stellt die Frage, was es wohl braucht, um aus Scheisse Gold zu machen.In Chris Kondeks Stück „Stuff“ stehen die Finanzplätze der Welt in Flammen. Der in Videoprojektionen versierte Regisseur überblendet in der Anfangs...

Das Theater Neumarkt holt die Börse auf die Bühne und stellt die Frage, was es wohl braucht, um aus Scheisse Gold zu machen.

In Chris Kondeks Stück „Stuff“ stehen die Finanzplätze der Welt in Flammen. Der in Videoprojektionen versierte Regisseur überblendet in der Anfangsszene Katastrophenbilder mit Aufnahmen von Zürichs Finanzinstituten. In dieser postapokalyptischen Szenerie treffen wir auf drei namenlose Broker, die das für sie unverständliche zu fassen versuchen: Warum die Preise abgestürzt sind – denn bekanntlich sei ja alles eine Frage des Preises. Was passiert ist, sei nicht abzusehen gewesen, so stammeln die Figuren hilflos vor sich und wechseln zwischen Rechtfertigung und Selbstanklage. Der Markt funktioniere ja schon. Und zwar darum, weil sich Gier und Angst immer die Waage halten würden. Im Crash sei halt einfach der blinde Glaube der Finanzwelt an den unbegrenzten Gewinn verloren gegangen. Um jetzt die Dinge wieder ins Lot zu bringen, entwickeln die drei in ihren Laboratorium einen abstrusen Plan: Weil doch zuletzt dieser Glaube an den Markt gefehlt habe, könne nur eines helfen: Noch mehr (Aber-)glauben. Und sie greifen auf eine der ältesten Formen davon zurück, die Alchemie. Denn, so ihre Logik, in der modernen Wirtschaft passiere schliesslich auch nichts anderes als die Umwandlung von Rohstoffen in Geld, von Geld zurück in Rohstoffe, von einem stuff in einen andern. Worauf die Losung der Broker lautet: „Das Problem war nicht, dass wir Alchemisten waren, sondern dass wir nicht Alchemisten genug waren!“

Das ist die Prämisse des Stücks, das sich hochaktuell und respektlos eines allgegenwärtigen Themas annimmt. Wie die Finanzakteure in der Wirklichkeit sind ihre Pendants im Stück auf der Suche nach einer rettenden Universal-Rezeptur gegen die Verwerfungen der Finanzkrise. In beiden Fällen bleibt uns dabei nur die Rolle des Zuschauers und das (mit-)spekulieren auf den Erfolg ihres Plans. Beeindruckend dabei ist, wie genau die Macher den Spekulanten aufs Maul geschaut haben. Der Jargon der Figuren ist dermassen nahe an der Realität, dass sich einem beim Zuschauen auch gelegentlich die Nackenhaare aufstellen, so sehr schaffen es die Monologe, die aktuelle Banker-Rhetorik zu entlarven. Trotz des Bemühens einer grundsätzlichen Systemkritik, die man so oder so ähnlich schon gehört hat: Das Ensemble packt das Thema clever an und setzt es mit originellen dramaturgischen Ideen um. Matthias Breitenbachs Broker rührt wie ein Kochshow-Host gutgelaunt in einem Topf und erklärt, wie der Kakao für unsere Schokolade von afrikanischen Warlords produziert wird. Gleichzeitig verkündet seine Kollegin (Rahel Hubacher) bei ihren Experimenten, die unsichtbare Hand des Marktes habe Parkinson, weshalb man ihr jetzt ein bisschen helfen müsse. Und Thiemo Strutzenbergers Figur denkt laut darüber nach, wo sich in dem vor ihm ausgeschütteten Sack Reis die wohl der einzig wahre Wert wiederfinden lasse, nämlich die menschliche Arbeitskraft. Letztlich gelingt der Inszenierung eine wohl dosierte Mischung aus hintergründiger Komik und substanziellen Fragestellungen, die die eine oder andere der gewohnten Hiobsbotschaften von der Börse in einem neuen – vielleicht noch beunruhigenderen – Licht erscheinen lassen. (Autor: Jan Rothenberger)

  • „Stuff“
  • Regie: Chris Kondek
  • Ort: Theater Neumarkt - Saal
  • Premiere: 27.November
  • weitere Vorstellungen: 29. November; 1./2./3./7./9./10./12./13./14./16. Dezember
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