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12. Dezember 2008, 09:17 Kultur

Ende gut, Vonnegut! @ Keller 62

Jan Rothenberger - Fünf Zentimeter grosse Chinesen, irre Psychologen und eine Seuchenapokalypse suchen das Theater Keller62 dieser Tage heim: Groteske Science Fiction auf der Bühne. Das Keller62-Theater macht es sich mit der Auswahl seiner Stücke nicht gerade einfach. Kurt Vonneguts surreale, ha...

Fünf Zentimeter grosse Chinesen, irre Psychologen und eine Seuchenapokalypse suchen das Theater Keller62 dieser Tage heim: Groteske Science Fiction auf der Bühne.

Das Keller62-Theater macht es sich mit der Auswahl seiner Stücke nicht gerade einfach. Kurt Vonneguts surreale, halbautobiografische Science-Fiction-Groteske Slapstick, or Lonesome no more! auf die Bühne zu bringen, ist alles andere als ein dankbarer Job. Der Roman, der sich aus kleinen Textschnipseln zusammensetzt, erzählt ausgehend von einigen Anekdoten aus dem Leben des Autors ein modernes Märchen über zwei Geschwister, die in den Ruinen des zukünftigen Amerikas gegen die Einsamkeit kämpfen. Wilbur (Bodo Krummwiede) und Eliza (Karolina Petrova), ihres Zeichens letzter amerikanischer Präsident und intelligenteste Frau der Geschichte, sind die Hauptfiguren sowohl des Romans als auch Lubosch Helds Adaption für das Theater. Die wenigen weiteren Personen des Texts werden ebenfalls geschickt von den beiden Darstellern verkörpert mithilfe von Rollenwechseln und Videoprojektionen. Die praktisch nicht zusammenzufassende Geschichte dreht sich um die Kindheit der beiden missgestaltet zur Welt gekommenen Wunderkinder, die ihre Talente zunächst vor der Welt und den Blicken misstrauischer Betreuer geheim halten. Schliesslich lüften sie ihr Geheimnis und stellen ihre Kräfte in den Dienst der Menschheit. Dabei erleben sie den Niedergang sämtlicher westlicher Zivilisation, die Kolonisation des Mars und die technologischen Fortschritte eines Zukunfts-Chinas, dessen sämtliche Bewohner sich aus ökonomischen Gründen auf eine Grösse von fünf Zentimetern miniaturisieren lassen. Während alledem hadern sie mit der erzwungenen Trennung voneinander und einer zunehmend entfremdeten Gesellschaft. Die Adaption des skurrilen Werks, über das der Autor selber Jahre später harsch urteilte (er gab ihm nachträglich die Note „D“) mutet dem Zuschauer einiges an Längen und anstrengenden Sequenzen zu. Die Inszenierung stellt passend zum Titel „Slapstick“ einige Ausschnitte von Sketchen Laurel and Hardys programmatisch voran und versucht die Übersetzung auf die Bühne mittels von Elementen aus diesem Repertoire. Letztlich will die schwierige Gratwanderung zwischen Komik und Ernst jedoch nicht ganz gelingen. Interessant ist allerdings, wie die Geschichte den 1976 veröffentlichten Text aktualisiert hat. So ist die paranoide Angst vor der „gelben Gefahr“, die im Buch konstant auf die Schippe genommen wird, heute teilweise auf dem Weg, sich wieder im öffentlichen Bewusstsein festzusetzen. Eine Furcht vor einem allzu grossen wissenschaftlichen Fortschritt der Chinesen wird vom Text auf witzige Weise porträtiert. Und die Vorstellung einer Seuchenapokalypse, die die westliche Welt nach dem Versiegen aller Rohstoffe heimsucht ist auch der Stoff anderer zeitgenössischer Dystopien. Leider spielen diese Elemente eine zu marginale Rolle im Stück, um die für den Zuschauer zu unklar motivierten Vorgänge auf der Bühne zugänglicher zu machen. So bleiben Nicht-Kenner des Buchs nach den hundert Minuten leider ein wenig ratlos zurück.

  • Ende gut, Vonnegut!
  • Regie: Lubosch Held
  • Ort: Theater Keller 62
  • weitere Vorstellungen: 10., 11., 12., 13. Dezember
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