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15. Januar 2009, 12:58 Kultur

Hotel Bosporus

Christina Ruloff - Wer an die Türkei denkt, denkt – wie bei allen anderen Ländern – unweigerlich in Vorurteilen: Badeferien und hübsche Strände (so günstig beziehungsweise unsäglich staatlich subventioniert, dass Zu – Hause - Bleiben meist teurer wäre!) kommen einem in den Sinn. Und da...

Wer an die Türkei denkt, denkt – wie bei allen anderen Ländern – unweigerlich in Vorurteilen: Badeferien und hübsche Strände (so günstig beziehungsweise unsäglich staatlich subventioniert, dass Zu – Hause - Bleiben meist teurer wäre!) kommen einem in den Sinn. Und dass in manchen Gegenden Frauen gesteinigt werden, ist auch im Gedächtnis hängen geblieben. Die Türkei ist ein riesiges und von ungeheuren Unterschieden geprägtes Land und die Stadt Istanbul gehört zu einem anderen Planet. Wer einmal in Istanbul gewesen ist – oder wenigstens Esmahan Aykols wunderbaren Roman « Hotel Bosporus » gelesen hat – wird die Stadt lieben.

So ist es auch Kati Hirschel, der Heldin des Romans, ergangen: Als Tochter zweier Deutscher hat sie die ersten sieben Jahre ihres Lebens in ihrer Traumstadt verbracht und ist nach 20 Jahren in der deutschen Diaspora endlich wieder in ihre wahre Heimat zurückgezogen – nach Istanbul. Dass ihre Freunde sie trotzdem als Deutsche wahrnehmen und sich über die kleinen, aber gewichtigen Fehler in ihrem hervorragenden Türkisch (Man sagt nicht «jeder Fünfte», sondern «einer von fünf»!) mokieren, treibt sie in den Wahnsinn. Es verletzt ihren Stolz ganz besonders, weil sie als Deutschstämmige sehr wohl die vielen kulturellen Unterschiede zwischen Türken und Deutschen wahrnimmt und sich je länger, je mehr vor ihren eigenen Landsleuten graust: Geizig wie Dagobert Duck machen sie in Gesundheitssandalen und Tennisshorts die Touristenattraktionen unsicher und benehmen sich dem Klischee gemäss so arrogant, dass man nur Anstoss nehmen kann. Die Türken hingegen – schmacht!

Wer Frau Aykol die Veräppelung mancher teutonischer Unsitten und schon gar ihre offene und heftige Parteinahme für die Istanbuler übel nehmen wird, lasse lieber die Finger von diesem Roman. Alle anderen werden sich an der leichten und ironischen Abhandlung von Katis Abenteuern und an ihrem Beitrag zur Völkerverständigung freuen. Nach gut 40 Seiten wird die Besitzerin eines Krimibuchladens nämlich auch noch in einen echten Kriminalfall verwickelt. Nicht nur wirft sie alle ihre Vorsätze über Bord und bandelt mit einem Polizisten an. Plötzlich findet sie auch noch einen echten Mafioso im Wohnzimmersessel, der sich da räkelt und von sich nur im Pluralis Majestatis spricht. Die eigentliche Kriminalgeschichte ist derart dilettantisch inszeniert, dass Hobby - Detektive den Mörder sofort enttarnt haben oder sich nach der schwachsinnigen Auflösung am Schluss unendlich ärgern werden. Aber das tut ja alles nichts zur Sache:

Aykol schreibt witzig und hat ein untrügliches Gespür für irre Situationen, aus denen sich die Heldin mit nervenaufreibendem Aufwand und ziemlicher Coolness wieder herauskatapultieren muss. Und zugleich kriegt man als unwissender Schweizer so viel über Istanbul mit, so dass man gleich am nächsten Wochenende dahinreisen möchte – das Buch ist also der ideale Kulturbotschafter und besser als jeder Reisekatalog. Hotel Bosporus bietet ausgezeichnete Unterhaltung und macht sofort Lust auf die anderen Kati Hirschel-Romane!

Bildrecht: Diogenes

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