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4. Februar 2009, 08:41 Kolumnen

Suicidal Tendencies. Helsinki leidet.

Andreas Rohrer - Meine Gelenke sind gefroren, die Haut trocken, die Augen rot. Der Finnische Winter kann echt erbarmungslos sein. Kälte, Wind und Eis beanspruchen den Körper, der Mangel an Licht und Heiterkeit bedrückt den Geist. Meine Finnischen Kommilitonen sind noch ruhiger als sonst. In di...

Meine Gelenke sind gefroren, die Haut trocken, die Augen rot. Der Finnische Winter kann echt erbarmungslos sein. Kälte, Wind und Eis beanspruchen den Körper, der Mangel an Licht und Heiterkeit bedrückt den Geist. Meine Finnischen Kommilitonen sind noch ruhiger als sonst. In diesen Tagen spürt man, dass die Stadt leidet.

Im neuen Jahr habe ich die Sonne bis jetzt einmal gesehen. In gezählten 33 Tagen. Trotz der wieder länger werdenden Tage lassen graue Wolken nur ein wenig Helligkeit erahnen. Stadt und Häuser sind blass, ohne Licht sind gelbe und blaue Fassaden nur als graustufen wahrnehmbar. Das Land ist gefroren, die vereisten Böden drücken bittere Kälte durch jedes Schuhwerk, und die dunkelschwarzen Meerbuchten geben ein trauriges Bild aus Packeis, Abfall und toten Tieren. Die leeren Blicke der Menschen sind gesenkt, der Gang der wenigen die draussen sind ist hastig, die Gesichter eingepackt. Lächeln ohnehin zu mühsam. Jetzt lebe ich in diesem bösen Land, dem Paha Maa, das Aku Louhimies in seinem gleichnamigen Kultfilm so niederschmetternd zeichnet (Engl. Titel "Frozen Land"). Finnland leidet unter seinem Winter: 60 % der Finnen verspüren jedes Frühjahr temporal depressions. Man sucht nach Auswegen, will weg. Leider nicht nur in den Süden. Selbstmord und übermässiger Alkoholkonsum gehören in Finnland zu den häufigsten Todesursachen.

Gegenmittel gibt es aber doch. Die Stadt ist dank Metro und Shopping Malls zu einem grossen Teil unterirdisch begehbar. Zwanzig von meinen täglichen dreissig Gehminuten zur Uni kann ich im Innern zurücklegen. Im Uni-Sporttrakt und zu Hause warten mehrere Saunas darauf, mich zu wärmen. Oder noch kleinere Freuden: Süssigkeiten. Die Finnen sind verrückt nach jeglicher Art von Candy und Schokolade. Man spricht nicht von ungefähr von Glücksersatz. Und Zucker gibt Energie, wenn der Körper klappert. Die Süsswarenabteilung im Supermark belegt gut einen Fünftel der Ladenfläche. Lakritze, Gummibären, Fruchtgummis, Schleckstengel, so weit das Auge reicht. Zuschlagen unumgänglich.

Mit dem kleinen Energievorsprung kann man sich dann dem Winter entgegenstemmen. Eisschwimmen gehen zum Beispiel. Der gestreckte Mittelfinger eines jeden geschundenen Körpers. Fuck you, winter, und reinhüpfen ins Eisloch. Dann aber sofort zurück in die Sauna. Soll sogar gesund sein. Oder zur Eisdisco gehen. Auf Helsinkis Bahnhofplatz steht im Winter ein Eisfeld worauf der lokale Jugendsender THE VOICE wöchentlich Discos und Konzerte Veranstaltet. Da tanzen dann die jungen Dinger auf Schlittschuhen. Und sehen megahot aus.

Wien oder Helsinki? Der students.ch Austausch-Battle.

Und was tun die Wiener? Mirdschi züchtet einen Winterpelz.

Kommentare
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adrian 04.02.2009 um 14:54
aight! cooler Bericht Andi. Kopf hoch in Helsinki und viel Spass in der Sauna! Adi