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17. März 2009, 02:00 Kultur

Mikrokosmos Autosalon – die etwas andere Perspektive

Antonio Fumagalli - Aus dem Westen nichts Neues? Was in der Romandie geschieht, dringt oft kaum in die Deutschschweizer Stuben. Unser Autor begibt sich auf Spurensuche.Ich gebe es zu, ursprünglich sollte diese erste Kolumne „aus der Westschweiz“ der sich als Einleitung eigentlich besser eignend...

Aus dem Westen nichts Neues? Was in der Romandie geschieht, dringt oft kaum in die Deutschschweizer Stuben. Unser Autor begibt sich auf Spurensuche.

Ich gebe es zu, ursprünglich sollte diese erste Kolumne „aus der Westschweiz“ der sich als Einleitung eigentlich besser eignenden Frage gewidmet sein, ob der vielzitierte Röstigraben im Alltag tatsächlich spürbar ist. Aber dann kam – wie immer mit grossem Getöse – der Genfer Autosalon angerollt. Und so muss die Identitätsfragestellung warten, sie wird ja ohnehin kaum innert Monatsfrist anders beantwortet werden.

Gewiss, es gab schon rosigere Zeiten für den Salon. Die Wirtschaftskrise und der mittlerweile deutlich hörbare Ruf der Konsumenten nach verbrauchsärmeren Modellen bereiten so mancher Autofirma arge Kopfschmerzen. Nicht wenige haben von den staatlichen Apotheken dagegen hochdosierte Pharmazeutika erhalten. Doch will man sich dem Publikum als Todkranken präsentieren, der sich quasi in masochistischer Manier vor der breiten Öffentlichkeit selbst bemitleidet? Wohl kaum. Dementsprechend glänzten die stündlich polierten Autolacke wie eh und je. Kein Wunder herrschte für die NZZ „Trotz starken Bremsspuren noch viel Partystimmung“ und die welsche Tageszeitung „Le Temps“ schrieb vom „effet retard“, gemäss welchem die Aasgeier erst nächsten Frühling über dem Ausstellungsgelände kreisen werden.

Das Urteil der Presse stimmte allerdings nur auf den ersten Blick mit der Realität überein: Wer die Möglichkeit hatte, hinter die Kulissen zu blicken – als mehrmaliger „car explainer“ einer etablierten Automarke darf ich diesen Anspruch erheben –, kam nicht um die Erkenntnis herum, dass längst nicht mehr alles aus Gold war, was glänzte. Viele Firmen reduzierten ihr Standpersonal, einzelne teilten ihren Mitarbeitern sogar erst in letzter Sekunde mit, ob sie nun tatsächlich angestellt werden. Manchmal waren es auch nur Kleinigkeiten, die sich veränderten: Die Gratis-Gipfeli am Morgen wurden wegrationiert und auf der Innenseite des Hemds klebte anstatt dem Logo eines italienischen Designers nun dasjenige eines schwedischen Textilgiganten. Am eindrücklichsten merkte man die vielerorts angezogene Sparschraube allerdings beim Abendprogramm: Die von den Automarken organisierten und unter den Angestellten äusserst beliebten Apéros und Parties gab es zwar nach wie vor, aber sie sind rarer geworden. Zudem wurden die kostenlosen Eintritte dafür im Gegensatz zu früheren Jahren nicht mehr nach dem Giesskannenprinzip verteilt. Partystimmung in Ehren, aber wo bitte war denn die Party?

Selbstverständlich ist das alles ein Jammern auf hohem Niveau: Die rund zehntägige Anstellung am Autosalon ist gerade für Studenten noch immer eine der effizientesten Methoden, auf legalem Weg innerhalb von kürzester Zeit eine schöne Stange Geld zu verdienen. Die Ausgabe 2009 des Genfer Autosalons indes als „same procedure as every year“ zu bezeichnen, würden – im Gegensatz zum grossmehrheitlichen Eindruck der Besucher und Presseleute – zumindest viele „hôtesses“ und „car explainer“ nicht unterschreiben.

Antonio Fumagalli ist in Zürich geboren und aufgewachsen, zwecks Studium aber vor gut vier Jahren nach Genf gezogen.

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