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30. März 2009, 12:32 Music Interview

Selig im Interview

Simon Knopf - //Es war, als seien sie nie weg gewesen. Als Selig am Donnerstag, 26.3., im Rohstofflager auf die Bühne traten, zeigten sie eine Präsenz und Spielfreude, die das Publikum mitriss. Lediglich am fast überschwänglichen Enthusiasmus der fünf Bandmitglieder liess sich ablesen, d...

Es war, als seien sie nie weg gewesen. Als Selig am Donnerstag, 26.3., im Rohstofflager auf die Bühne traten, zeigten sie eine Präsenz und Spielfreude, die das Publikum mitriss. Lediglich am fast überschwänglichen Enthusiasmus der fünf Bandmitglieder liess sich ablesen, dass Selig zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder gemeinsam auf Tour sind.

Students.ch traf Bassist Leo, Keyboarder Malte und Schlagzeuger Stoppel vor dem Konzert im Rohstofflager auf ein Gespräch.

Eure Tour ist beinahe ausverkauft und das Album scheint gut anzukommen. Das ist nach 10 Jahren Absenz nicht selbstverständlich. Seid ihr erleichtert?

Stoppel: Ja, das ist eine grosse Freude. Wir konnten ja nicht davon ausgehen, dass alles so hinhaut. Wir sind sehr froh über die Resonanz…

Malte: Wobei, der schönste Moment war schon, als wir die Platte fertig hatten und merkten, dass es ein super Album geworden war…

Stoppel: Aber dass sie jetzt andere Leute auch gut finden, ist ja auch nicht schlecht!

Malte: Ja, das ist natürlich doppelt schön (lacht).

Leo: Aber man muss schon sagen: Es ist alles sehr aufregend und wir sind auch überwältigt, wie die Leute reagieren. Dass z.B. unsere Tournee in Deutschland nach einer Woche fast ausverkauft war, damit haben wir nicht gerechnet. Auch nicht damit, dass die Platte so gut einsteigt oder was für Reaktionen man im Gästebuch findet.

Stoppel: Das ist schon super…

Auf eurem neuen Album habt ihr einen Titel namens „Die alte Zeit zurück“. Nach so langer Zeit weg vom Fenster besteht ja die Gefahr, dass man als Band in die Muster von damals zurückfällt und sich wiederholt. Wart ihr euch dieser Problematik bewusst?

Malte: Auf jeden Fall. Wir haben deshalb auch von Anfang an bewusst nach vorne gekuckt und gleich angefangen, neue Songs einzuüben. Obwohl, wir hatten uns aber nicht das Ziel gesetzt, frisch klingen zu müssen oder so. Das hat einfach irgendwie geklappt.

Leo: Aber es stand schon auch die Frage im Raum, ob wir noch was zu sagen haben nach zehn Jahren. Ist da noch dieser Funke, der uns früher ausgemacht hat? Wir standen nach einem halben Jahr mit viel Reden das erste Mal im Proberaum. Das war dann der Moment, an dem wir entschieden, ob es eine Reunion gibt oder eben nicht. Wir wussten, dass so was nur Sinn machen würde, wenn wir zusammen Musik machen konnten und sich die Sache wie früher oder sogar besser anfühlte. Uns war aber schon bewusst, dass das ein Risiko ist. Wenn wir nicht besser geworden wären und nicht das Gefühl gehabt hätten, die Musik sei lebendig, dann hätten wir das nicht gemacht.

Ihr habt den Moment angesprochen, an dem ihr wieder im Bandraum wart. Hattet ihr das Gefühl fürs Zusammenspielen, den Band-Groove, gleich wieder?

Stoppel: Der Sound war tatsächlich gleich wieder da, weil jeder von uns einfach so charakteristisch an seinem Instrument ist. Das war dann fast, als hätten wir erst vor einem halben Jahr das letzte Konzert gespielt.

Leo: Das fühlt sich wirklich so an! Wir nahmen die Instrumente in die Hand und spielten gleich einmal „Hey hey hey“ oder so. Wir hatten diese Songs damals so viel gespielt, dass es gleich wieder wie von selbst ging. Das war schon speziell, als plötzlich wieder dieses Selig-Ding entstand und mit den Liedern auch all die Erinnerungen aufkamen. Das war fast schon Magie… . Durch die Musik kamen all die Bilder hoch, was natürlich sehr emotional war. Das war ein ganz bewegender Tag, an dem wir übrigens auch gleich „Schau, schau“ geschrieben haben.

Momentan findet in Zürich die Musikmesse M4MUSIC statt und da ist die ganze Geschichte mit den Problemen der Labels wieder im Gespräch. War es für euch als „Band von damals“ schwierig, an einen Vertrag zu kommen?

Stoppel: Nee, überhaupt nicht! Plattenfirmen ticken ja so, dass sie auf Marken oder Namen setzen. Obwohl wir nie der Mega-Seller waren, keine goldenen Schallplatten zu Hausen hatten, war noch immer ein gewisser Mythos da. Mit Selig verband man etwas Unabgeschlossenes und so stiessen wir auch gleich wieder auf Interesse, als wir zum ersten Mal von unserer Reunion sprachen.

Mythos ist ein gutes Stichwort. Stefan Raab bezeichnete euch kürzlich als „eine der legendärsten Bands“, die es in Deutschland jemals gab. Ihr habt den Soundtrack für eine Generation geliefert. Wie geht man damit um?

Leo: Wir sind natürlich sehr vorsichtig mit dem Anspruch, den wir an uns selber haben. Wir haben uns ja nie vorgenommen, zu so etwas zu werden. Aber es ist schon speziell. Nachdem wir uns aufgelöst hatten, erfuhren wir irgendwann, dass sich neue Bands auf uns berufen, dass Leute sagen: „Das klingt echt Selig-mässig.“ Über solche Sachen hatten wir uns damals nie Gedanken gemacht. Das wurde uns erst später etwas bewusst. Beim Neuanfang war für uns dann einfach wichtig, dass der Spirit von damals wieder da war…

Ein Teil von euch hatte ja in der Zwischenzeit andere Projekte. Ihr habt euch sicherlich auch als Personen verändert, weiterentwickelt. Spürt man das beim Arbeiten?

Malte: Ich denke vor allem, dass diese lange Zeit dazu beigetragen hat, dass jeder von uns sich selber besser kennengelernt hat. Dadurch kann sich jeder in der Band besser einschätzen, weiss, wann er genug hat und auch wann ein anderer seine Freiräume braucht. Daraus resultiert schon eine andere Arbeitsweise. Wir haben das Album nicht wie damals so aufgenommen, dass wir uns für sechs Wochen im Studio eingeschlossen haben. Wir haben Pausen gemacht, die Zeiten begrenzt.

Leo: Was man dazu sagen muss, früher waren wir vierundzwanzig Stunden am Tag Selig. Wir wollten viel spielen und hatten auch Freude daran. Gleichzeitig konnten wir aber auch zu nichts nein sagen. Die Konsequenz davon war, dass wir zu viel unternommen haben und irgendwann auch den Draht zueinander verloren haben. Das wird uns jetzt nicht mehr passieren. Wir werden jetzt schauen, dass wir stets Pausen einlegen, während derer jeder seine Projekte machen kann. Es soll eine Freude bleiben, wenn wir als Selig zusammenkommen.

Damals wart ihr Mitte 20 und das Ganze muss ein Wahnsinnsrausch gewesen sein. Könnt ihr dem heute etwas relaxter gegenüber stehen?

Leo: Jetzt ist es ja immer noch ein Rausch. Weisst du, diese Musik ist ein Sog. Man merkt richtig, wie sie einen reinzieht und wie man mehr davon will. Es ist halt etwa wie bei einer Droge: Wenn du zu viel nimmst, ist irgendwann nicht mehr gut… Heute Abend, z.B., ist das letzte Konzert dieser Tour. Wir haben sieben Konzerte gespielt und wir empfinden es als viel zu kurz. Wir sind wieder voll in diesem Fluss drin und könnten locker weitermachen. Der ganze Tag richtet sich nach diesem Ereignis am Abend, zielt auf diese zwei Stunden auf der Bühne hin. Gleichzeitig merkt man aber bereits, wie das normale Leben zu verblassen beginnt. Und genau darum ist es wichtig, dass wir jetzt mal wieder eine kurze Pause machen. Wir müssen diese Erfahrungen gewissermassen portionieren!

Die Erlebnisse setzen lassen…

Leo: Genau! Dieser Sog „Selig“ ist so stark, dem muss man zwischendurch entkommen. Der intensive Kontakt zum Publikum… Ich weiss nicht, wie es heute wird, aber an den letzten paar Gigs haben wir solche Feste gefeiert mit den Leuten! Das war ein richtiger Kick…

Stoppel: Und sonst wird es einfach wieder eine einzige Bilderflut. Man nimmt die Konzerte und Erlebnisse gar nicht mehr als Einzelerlebnisse wahr und weiss kaum noch, was wann passiert ist.

Im Gästebuch habe ich auch Einträge von Leuten gesehen, die euch vorher gar nicht kannten. Was für ein Publikum hattet ihr an den Konzerten?

Malte: Ich glaube schon, dass es zu Beginn vor allem die alten Fans waren, die jetzt an diese Konzerte kamen. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb diese Gigs so schnell ausverkauft waren. Aber ich denke, dass sich dies über den Sommer, wenn wir Festivals spielen, noch ändern wird.

Stoppel: Die Tour ging ja auch vor dem Release der neuen Platte los. Jetzt, da das Album schon ein paar Tage draussen ist, konnten wir auch beobachten, dass jüngere Leute die neuen Songs mitsingen und die alten nicht… (lachen)

Leo: Ja, das war wirklich irre. Da waren teilweise Jüngere zu sehen, die all die neuen Lieder mitsangen und etwas verwundert umkuckten, als dann der ganze Rest die alten Lieder mitgrölte… Komischerweise werden auch unsere alten Alben wieder mehr verkauft. Das freut uns natürlich!

Making-Of zu "Und endlich unendlich"

http://www.selig.eu

http://www.universalmusic.ch

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