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23. Mai 2009, 12:07 Konzert Kultur Music

Review: Andrew Bird in der Roten Fabrik

Philipp Ramer - Ohne Vorband und mit standesgemässer leichter Verspätung beginnt Andrew Bird sein Konzert im gut besuchten Clubraum der Roten Fabrik. Unter Applaus schlurft er auf die Bühne, stellt sich wortlos vors Mikrofon, hebt die Violine an die Brust und setzt zu einem Pizzicato an. Nach...

Ohne Vorband und mit standesgemässer leichter Verspätung beginnt Andrew Bird sein Konzert im gut besuchten Clubraum der Roten Fabrik. Unter Applaus schlurft er auf die Bühne, stellt sich wortlos vors Mikrofon, hebt die Violine an die Brust und setzt zu einem Pizzicato an. Nach wenigen Takten legt er das Instrument beiseite, nimmt die E-Gitarre zur Hand und spielt ein paar Akkorde – derweil laufen die gezupften Geigenklänge über die Verstärker als Loop weiter. Daraufhin wendet er sich dem Glockenspiel zu und schlägt in wohlkalkulierten Abständen einige Stäbe an. Schliesslich tritt er an ein seitlich gestelltes Mikrofon, pfeift eine kleine Melodie hinein und klatscht ein paar mal rhythmisch in die Hände. Ehe man sich’s versieht, sind die einzelnen Instrumentalpassagen, die nun allesamt als Soundschleifen parallel laufen, zu einem musikalischen Ensemblewerk verschmolzen. Von diesem ‹Loop-Orchester› begleitet, setzt Bird nochmals zum Geigenspiel an. Nach fünf Minuten ist die ‹Ouvertüre› vorbei, das Publikum spendet herzlichen Beifall. Kaum ein anderer Indie-Künstler bietet derzeit so viel instrumentale Abwechslung in seiner Solo-Show. Und kaum einer schreibt schönere Songs. Seit 2003 veröffentlicht Bird im Zweijahrestakt Alben, die von der Kritik viel Zuspruch erfahren, einem breiten Publikum aber weitgehend unbekannt bleiben. Die Plattenfirma hofft, dass sich dies mit der jüngsten CD, Noble Beast, ändern wird. Zwar ist das Album – wie seine Vorgänger – kein leicht zugängliches Werk, weist aber in Stücken wie Oh No oder Fitz and the Dizzyspells durchaus radiotaugliche Pop-Qualitäten auf. Gerade diese beiden Songs geraten am Konzert jedoch eher flach: Mit der Violine unterm Kinn setzt Bird zu Oh No an, bricht aber prompt wieder ab mit der Begründung, er habe den «friggin’ song» vergessen. Unter allgemeinem Gelächter wechselt er zur Gitarre und spielt ihn nun doch, allerdings etwas unmotiviert. Fitz and the Dizzyspells kündigt er mit Recht als einen «kind of a rocker» an, der besonders gut mit der Band zusammen funktioniere: Alleine kriege er das vielleicht nicht hin, «but I’ll entertain you watching me try». Tatsächlich wünscht man der Performance ein wenig mehr Drive, einen treibenden Perkussionspart, womöglich gar die Backgroundstimmen, wie man sie auf dem Album hört. Gitarre und Geigenloops lassen das Lied zwar vibrieren, aber bringen es nicht richtig in Schwung. Ganz gross hingegen wird der Abend bei den ruhigen Stücken: bei Effigy von Noble Beast, bei einer ausserordentlich schönen Version von Masterfade von The Mysterious Production of Eggs oder bei der letzten Zugabe, Weathersystems vom gleichnamigen Soloalbum. Zupfend und streichend, singend und pfeifend variiert Bird die Lieder mit feinem Gefühl und sicherem musikalischen Gespür. Geschickt und beinahe unmerklich bedient er die Loop-Pedale am Boden und lässt einen immer wieder aufs Neue staunen, dass all diese Klänge von einem einzigen Musiker ausgehen. Wenn sich dann noch die dekorativen Grammophonrohre im Hintergrund der Bühne zu drehen beginnen und sphärische Sounds erzeugen, entsteht, für den Augenblick eines Songs, tatsächlich so etwas wie eine magische Stimmung.
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