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13. Juli 2009, 21:08 Music Festivals

Openair Frauenfeld 2009: Review

Oliver Kaftan - //Anlässlich der 15. Ausgabe des Openair Frauenfeld feierten während drei Tagen und drei Nächten knapp 50‘000 Gäste auf der Grossen Allmend in Frauenfeld. Auf den zwei Bühnen traten 35 internationale, darunter Superstars wie 50 Cent und Kanye West, und nationale Bands auf....

Anlässlich der 15. Ausgabe des Openair Frauenfeld feierten während drei Tagen und drei Nächten knapp 50‘000 Gäste auf der Grossen Allmend in Frauenfeld. Auf den zwei Bühnen traten 35 internationale, darunter Superstars wie 50 Cent und Kanye West, und nationale Bands auf.

Die Erwartungen waren gross, nachdem die ausländische Presse das Openair Frauenfeld im Bereich Hip Hop zum „Event des Jahres“ (backspin.de) oder zur „grössten Veranstaltung in Europa“ (hip-hop.pl) ernannt hatte, doch wie sich zeigen sollte, waren Superlative hier alles andere als fehl am Platz. Superstars mit klingenden Namen wie 50 Cent, Kanye West und The Game treffen ansonsten eher an Preisverleihungen zusammen, wo sie, nicht gerade selten, die begehrten Preise auch gleich abräumen.
Doch alles der Reihe nach: Nachdem ein Feuer am Freitagmorgen kurz für Aufregung gesorgt hatte, glücklicherweise aber schnell unter Kontrolle gebracht werden konnte, stand dem Start des Festivals nichts mehr entgegen. Die Jungs von Wurzel 5 hatten die Ehre, den Grossanlass musikalisch zu eröffnen und heizten gleich mächtig ein. Zwar war bis dahin die Grosszahl der Gäste noch nicht eingetroffen oder zumindest mit dem Aufbau ihrer Zelte beschäftigt, die Berner liessen sich jedoch nichts anmerken und schienen einen ihren letzten Auftritte zu geniessen. Im Laufe des Nachmittags zeichnete sich daraufhin eine kontinuierliche Steigerung ab, die mit Turbonegro allmählich ihren ersten Höhepunkt erreichte. Zwar sind die Norweger nicht gerade der Prototyp einer Hip Hop-Band, jedoch schienen sich die Zuschauer, deren Häupter grösstenteils mit Baseballcaps bedeckt waren, daran nicht zu stören und zelebrierten, sicher auch schon mit der ersten Dosis Ethanol intus, ihre Offenheit für rauhere Rocktöne. Spätestens beim anschliessenden Auftritt von Samy Deluxe, der mittlerweile Reggae mit Jazz und RnB mit Soul vermischt, aber dabei nichts von seinem Raptalent eingebüsst hat, war das Abendprogramm lanciert. Landsmann Sido übernahm folglich das Zepter und reimte seine berühmt-berüchtigten Verse, welche Angst und Schrecken bei den Eltern seiner Fans verbreiten. Dass der Mann mit Maske auch zu ernsteren Zeilen in der Lage ist, zeigte er eindrücklich mit Songs wie Unser Leben und Mein Testament und bewies damit dem Volk, dass hinter der Maske mehr steckt als Kritiker vermuten.
Natürlich war auch der Tod von Michael Jackson am diesjährigen Openair Frauenfeld ein Thema. So bezeichnete etwa The Game den verstorben King of Pop als grössten Entertainer aller Zeiten und widmete ihm neben andächtigen Worten („You gave us the beat, you gave us the rhytm, you gave us the soul. Through us your legacy lives on.” - Auch bekannt aus Better on the Other Side) und einem Song (LAX Files), während dessen sich die Menge in ein Lichtermeer verwandelte, ein zehnminütigen eindrucksvolles Medley. Die Darbietung von The Game kann auch ansonsten als ein Highlight des dreitägigen Festivals bezeichnet werden, da er mit einer abwechslungsreichen Mischung von Songs aus seinem Repertoire die Menge jederzeit zu begeistern vermochte. Dank der reimtechnischen Perfektion und der in seinen Bann ziehenden Bass-Stimme des 29-jährigen Kaliforniers, brauchte es dazu auch keine aufwendige Lichtshow und Bühnenkulisse, wie sie etwa der anschliessend auftretende Kanye West einsetzte. Der Auftritt Kanyes ist natürlich nicht zu schmälern und sein kreativer und experimentierfreudiger Geist zu würdigen, jedoch wird er seine Musik nie ohne die sie umgebenden akzentuierenden Elemente darbieten können, da er, urteilt man bloss nach seinen Rapskills, nicht zur Weltelite gehört. Als origineller Showman und Entertainer war er aber zweifellos eine Bereicherung für das Openair Frauenfeld und ist dies auch für die ganze Black Music-Szene, da seine Musik und Konzerte von einer künstlerischen Elaboration zeugen, die sich im kleinsten Detail manifestiert und er Wege zu gehen wagt, die sonst niemand geht.
Bereits mit The Game und Kanye West deckte das Openair somit einerseits eine relativ breite Spannbreite des neueren Mainstream-Hip Hop ab, andererseits ermöglichte es dem Zuschauer den direkten Vergleich der beiden Künstler, zumal sie unmittelbar nacheinander auftraten.
Der Abschluss von Tag 1 lieferte Immortal Technique mit seinen politisch unkorrekten und kontroversen Lyrics, welche die Leute, sofern sie noch einigermassen gerade standen, zum Mitnicken veranlassten. Die anspruchsvolleren Texte des New Yorkers hätten jedoch früher im Programm mehr bewirkt, zumal sie mehr geistige Aufmerksamkeit erfordern als die Auftritte der beiden vorhergehenden Protagonisten.


Den zweiten Tag eröffnete Mariana Da Cruz, die mit ihrem Mix aus Bossa Nova, Funk, Elektro und neuzeitlichem Samba Rock die aufstehwilligen Leute aus ihren Zelten lockte. Viele schienen aber von der progressiven brasilianischen Musik nicht Notiz zu nehmen, da sie zuvor bis in die frühen Morgenstunden in den diversen Partyzelten gefeiert hatten. Selbst die entzückenden Klänge von Black Violin vermochten nicht, den Kater vom Vorabend aus der Blutbahn zu jagen, waren aber gewiss schon unterbewusst in den Träumen des noch liegenden Partyvolkes präsent. Spätestens bei Gimma versammelte sich jedoch die Menge nach Verpflegung an einem der zahlreichen Stände oder aus der eigenen Grillproduktion wieder vor der Hauptbühne und genoss oder beschimpfte die Worte des kontroversen Bündners. Aber nicht nur Gimma spaltete die Menge, sondern auch die in Latexkostümen auftretenden Mitglieder von Deichkind, die einerseits Begeisterung entfachten, andererseits Spott ernteten. Niemand anderer zeigt wohl so klar, wie heterogen die Hip Hop-Gemeinschaft ist, wofür unter anderem auch der unüberhörbare Elektroeinfluss verantwortlich zu sein scheint. Für mehr Einigkeit sorgte diesbezüglich Gentleman, der, begleitet von seiner Live-Band und zwei reizenden Background-Sängerinnen, die Hitze der Karibik nach Frauenfeld brachte und dabei nicht bloss bei THC-Intoxikierten eine positive Grundstimmung erzeugte, welche für den Rest des Abends bestehen bleiben sollte. Den Bounce-Effekt, den zuvor schon La Coka Nostra und Hilltop Hoods ausgelöst hatten, verstärkte Gangsta-Rapper 50 Cent folglich um einige Potenzen. Natürlich machte der Multimillionär dabei keinen Hehl daraus, dass ihm die Geldscheine aus dem Allerwertesten wachsen, aber selbst jene, die normalerweise nicht The Massacre oder Curtis im CD-Player laufen haben, liessen sich durch die Rhymes von Fiddy, der es im Gegensatz zu vielen anderen Grossschwätzern ganz nach oben geschafft hat, begeistern. Den entfachten Enthusiasmus konnten schliesslich Vinnie Paz, Beat Maestro Stoupe & der lange verschollene „Partner in Rhyme“ Jus Allah von den Jedi Mind Tricks ohne Probleme aufrechterhalten. Die Darbietung der Horrorcore Hip Hop-Truppe war eine gelungene Ergänzung zum Auftritt von „Mainstream-Fifty“ und erreichte somit auch jene Wenige, die zuvor 50 Cent gar nichts abgewinnen konnten.


Der letzte Tag des Festivals war neben einer fulminanten Show von N.E.R.D. der Tag der Ersatz-Künstler: Da Young Jeezy und Lil’Wayne kurz vor Festivalbeginn abgesagt hatten, wurden kurzerhand Lady Souvereign und Ludacris ins Line Up integriert. Der Unmut darüber war unter den Leuten zu spüren, da das Popsternchen Lady Souvereign kaum die Fans von Südstaatenrapper Young Jeezy zu begeistern in der Lage war. Ludacris war dagegen ein valabler Weezy-Ersatz, der mit seiner Darbietung einen eindrücklichen Schlussstrich unter den dreitägigen Anlass zog.
Ein Lob an die Veranstalter, die auf die jährlich ansteigenden Besucherzahlen reagierten, indem sie die frühere Zeltbühne durch eine analog zur Mainstage konstruierte Openairbühne ersetzten und die Campingfläche vergrösserten. Allerdings scheint das Problem des Platzmangels beim Camping und Parkplatz noch nicht vollständig gelöst und wird auch nächstes Jahr weitere Anpassungen erfordern. An den Acts gibt es nichts zu beanstanden, da für fast jeden Geschmack etwas dabei war. Jedoch ist auch hier eine Kommerzialisierungstendenz zu beobachten. Will sich das Openair Frauenfeld in Zukunft definitiv als grösstes Hip Hop-Festival etablieren, darf das Augenmerk nicht auf Top-Acts beschränkt werden, sondern müssen weitere Elemente des Hip Hop mehr Berücksichtigung finden. Ohne einzigartiges Konzept bleibt das Frauenfeld Openair ein Hip Hop-Openair unter anderen Top-Festivals. Bis zum nächsten Jahr!


Bildquelle: Usgang.ch

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