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18. August 2009, 00:00 Movie

Kino: Inglourious Basterds

Gregor Schenker - Nominell lehnt sich Quentin Tarantinos neustes Werk an Enzo G. Castellaris italienischen Kriegsfilm Inglorious Bastards von 1978 an, hat mit dem allerdings wenig mehr als das historische Setting gemein: Eine Spezialeinheit aus jüdisch-amerikanischen Soldaten schleicht sich unte...

Nominell lehnt sich Quentin Tarantinos neustes Werk an Enzo G. Castellaris italienischen Kriegsfilm Inglorious Bastards von 1978 an, hat mit dem allerdings wenig mehr als das historische Setting gemein:
Eine Spezialeinheit aus jüdisch-amerikanischen Soldaten schleicht sich unter dem Kommando von Lt. Aldo Raine (Brad Pitt) in Frankreich hinter die feindlichen Linien, dies mit dem Ziel, so viele Nazis wie möglich zu massakrieren, um die Moral derselben zu senken. Da tut sich plötzlich eine einmalige Möglichkeit auf: die deutsche Schauspielerin Bridget von Hammersmark (Diane Kruger) arbeitet insgeheim für die Alliierten und unterrichtet diese davon, dass bei der Premiere des (fiktiven) deutschen Propagandafilmes Stolz der Nation in einem Pariser Kino fast die gesamte Führungsriege der Nazis anwesend sein wird; eine gute Gelegenheit, die ganze Bande auf einmal zu beseitigen. Zusammen heckt man einen entsprechenden Plan aus, doch läuft bereits beim ersten Treffen zwischen von Hammersmark und den Basterds alles schief...

Inzwischen verliebt sich in Paris Fredrick Zoller (Daniel Brühl), Kriegsheld und Star von Stolz der Nation, in eine französische Kinobesitzerin (Mélanie Laurent) und überredet Goebbels (Sylvester Groth) dazu, die Premiere in deren kleines Lichtspielhaus zu verlegen. Was er nicht weiss: die junge Frau ist in Wirklichkeit Shosanna Dreyfuss, eine Jüdin, deren Familie vom „Judenjäger“ Hans Landa (Christoph Waltz) umgebracht wurde (welcher Goebbels Sicherheitsmann bei der Vorstellung ist). Sofort schmiedet sie einen Racheplan...

Im Grunde stimmt hier gar nichts: der eigentliche Aufhänger der Story (also das Nazischlachten) tritt bald in den Hintergrund, die beiden grossen Handlungsstränge laufen nie gescheit zusammen, der Film erzählt keine kontinuierliche Geschichte, sondern besteht aus einer Ansammlung (teils vielleicht etwas zu ausgewalzter) tarantino-typischer Dialogszenen mit gelegentlichen Gewaltausbrüchen (bis zum Finale gibt es kaum Action).

Und vor allem: der Film hat zwar einige ernsthafte, dramatische Szenen, ist insgesamt aber total albern; es wirkt, als habe Tarantino jeden noch so dämlichen Einfall, der ihm beim Brainstorming spontan in den Sinn gekommen ist, sogleich filmisch umgesetzt. Der Filmtitel ist mit Absicht orthographisch daneben, Brad Pitt übertreibt, als gäbe es kein Morgen mehr, Hitler und Goebbels sind lächerliche Witzfiguren (einziger ernstzunehmender Bösewicht ist Waltz als Landa, wobei auch der teils ziemlich aufdreht), praktisch alle Namen der nicht historischen Figuren sind Anspielungen auf irgendwelche Schauspieler oder Regisseure, mittendrin gibt es eine Ankleidungs- und Schmink-Sequenz zu einem David-Bowie-Song, der Soundtrack besteht zum grössten Teil aus ausgeliehener Spaghetti-Western-Musik und die historischen Fakten stimmen hinten und vorne nicht (da der Film eine Art Märchen darstellen soll, hat sich Tarantino so einige Freiheiten genommen).

Ausserdem gehen die „Basterds“ mit einer gewöhnungsbedürftigen Kaltschnäuzigkeit und Brutalität vor; Eli Roth zum Beispiel, ansonsten Regisseur von Filmen wie Cabin Fever oder Hostel (und als Schauspieler kaum auszuhalten, besonders wenn er witzig sein soll), darf einem Nazi mit dem Baseballschläger die Rübe einschlagen oder einem anderen das Gesicht mit dem Maschinengewehr zerschiessen (zimperlich ist der Film nicht). Da fiebert man am Schluss weniger mit den „Helden“ mit, als dass man Mitleid mit den Nazis kriegt. (Eine positive Identifikationsfigur ist da schon eher Laurent als Shosanna.)

Inglourious Basterds ist also eine wilde Mischung aus Kriegsfilm- und Propaganda-Parodie, aus dem Ruder laufenden cinematischen Anspielungen und konsequent albernem Humor mit ein paar ernsthaften Momenten und ein paar ruppigen Gewaltszenen. Im Grunde ist der Streifen völlig bescheuert, doch Überraschung, Überraschung, gerade das macht seinen Charme aus. Nennt mich Horst, aber ich mag den Film, jedenfalls hab ich mich vorzüglich unterhalten gefühlt. Eine Guckempfehlung fürs abgebrühte Publikum.

Bewertung: 4 von 5


  • Titel: Inglourious Basterds
  • Land: USA/Deutschland/Frankreich
  • Regie: Quentin Tarantino
  • Darsteller: Brad Pitt, Christoph Waltz, Mélanie Laurent, Eli Roth, Daniel Brühl
  • Verleih: Universal Pictures
  • Start: 20. August 2009
Fotos von Universal Pictures
Kommentare
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dollarhyde 20.08.2009 um 01:52
Was heisst schon "meistüberschätzt". Reservoir Dogs und Pulp Fiction sind trotzdem sehr gut und auch Inglourious Basterds ist nicht wirklich *schlecht*, sondern bloss... seltsam. Ein typisches "guilty pleasure", das man im DVD-Regal neben die Adam-Sandler-Filme stellen kann.