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23. August 2009, 00:18 Konzert Music

Review: Kummerbuben @ Kaufleuten

Patrick Holenstein - Das Schlagzeug ertönt, rhythmisch, fast hypnotisch. Der Bass steigt mit ein, wenig später das Saxofon, gefolgt von Handorgel und Gitarre, nur der Sänger enthält sich noch, lässt seine Mitmusiker ein ausgiebiges Intro zelebrieren. Plötzlich tritt jemand aus dem Hintergrund u...

Das Schlagzeug ertönt, rhythmisch, fast hypnotisch. Der Bass steigt mit ein, wenig später das Saxofon, gefolgt von Handorgel und Gitarre, nur der Sänger enthält sich noch, lässt seine Mitmusiker ein ausgiebiges Intro zelebrieren. Plötzlich tritt jemand aus dem Hintergrund und spuckt Feuer, synchron zu einem harten Paukenschlag. Die Kummerbuben stehen auf der Festsaalbühne des Kaufleuten. Mit Anneli, wo bisch geschter gsi startet die Berner Band den Konzertabend. „Wisst ihr, Intellektuelle erkennt man nicht an den Hornbrillen,“ erzählt Sänger Simon Jäggi wenig später, “man erkennt sie daran, dass sie an einem Mittwochabend bei 34 Grad ins Kaufleuten an ein Kummerbuben-Konzert gehen!“ Mit solchen Sprüchen hatte Jäggi das Publikum sofort im Griff und schon nach dem dritten Song klatschen die Zürcher eifrig mit.

Die sechs Kummerbuben spielten sich die Seele aus dem Leib, führten die Zuhörer durch ihre Welt. Eine Welt voller Leiden, die sich in tieftraurigen Bluesriffs zeigt, aber gleichzeitig voller Lebensfreude, was knackige Funkbeats zum Ausdruck bringen. Beides hält sich während des Konzertes die Waage. „Einmal wollten die Berner Zürich erobern“, beginnt Simon Jäggi über den Grund zu philosophieren, wieso die beiden Kantone rivalisieren, „vor den Toren Zürichs merkten sie allerdings, dass sie keine Waffen dabei hatten. Also kehrten sie wieder heim und liessen es bleiben.“ Die Tatsache, dass die Kummerbuben den Text etwas „eingebernert“ haben und damals eher Bauern aus dem Zürcher Oberland die Limmatstadt einnehmen wollten, fällt wohl unter künstlerische Freiheit. Vom damaligen Befehlshaber, General Andermatt, erzählen die Lyrics des gleichnamigen Songs.

Was die Kummerbuben so speziell macht, sind die uralten und traditionsreichen Texte aus der Schweizer Geschichte, welche die Berner in ein modernes Gewand packen. Da werden Lieder, die vielen schon in der Schule zu den Ohren raus hingen, zu Partykrachern, wie zum Beispiel Es wott es Fraueli z märit gah. Wenn dann das sonst eher verhaltene Zürcher Publikum so richtig aus sich herausgeht, wird eindrücklich deutlich, wie viel Potential in den alten Weisen steckt, wenn man sie denn adäquat umsetzt. Früher, so erfuhr man vom Sänger, sei es schwierig gewesen, gleichgeschlechtliche Neigungen in Texten zu verarbeiten, deshalb hätte man sich bei der Tierwelt bedient. „Das folgende Lied führt uns in die Tiefen des Hasenmilieus“, erklärte Jäggi grinsend und Has wurde angestimmt. Das oben schon genannte Lied über die Frau und ihren Weg zum Markt beendete das Set. I dr Aare, eine Ballade aus der Sicht eines Verstorbenen, macht den Anfang der Zugabe und Trinker beendete diese auch schon wieder. Der Song ist auf keiner Platte zu finden und klang live super.

Die Musik der Kummerbuben mag nicht für den Mainstream gemacht sein und das ist auch gut so. Jedoch muss den sechs leidenschaftlichen Musikern gelassen werden, dass sie sich treu bleiben und dass sie problemlos einen Saal packen können. Wer bereit ist, sich vom Beat anstecken zu lassen, erkennt die Schönheit in der Musik der Kummerbuben. Die abwechslungsreiche und nie gleich instrumentalisierte Musik überzeugt über die volle Distanz. Was den Bernern in alter Zeit – ziemlich frei ausgelegt – verwehrt blieb, gelang den Kummerbuben: Sie haben es definitiv geschafft und Zürich erobert.

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