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21. September 2009, 09:34 Music Interview

Interview mit Element of Crime

Silvan Gertsch - Immer da wo du bist bin ich nie. So heisst das neue Album von Element of Crime, für das Sven Regener (u.a. Autor von "Herr Lehmann") einmal mehr tief in die Wortkiste gegriffen hat. Im Interview spricht der Sänger über Punkrock, die chaotische Anfangsphase seiner Band - und ü...

Immer da wo du bist bin ich nie. So heisst das neue Album von Element of Crime, für das Sven Regener (u.a. Autor von "Herr Lehmann") einmal mehr tief in die Wortkiste gegriffen hat. Im Interview spricht der Sänger über Punkrock, die chaotische Anfangsphase seiner Band - und über Büne Huber von Patent Ochsner.

Du hast kürzlich in einem Interview gesagt, dass euer neues Album "vergleichsweise Punkrock" sei. Inwiefern?

Sven Regener: (lacht) Hab ich das wirklich gesagt? Nun, das redet man halt, wenn der Tag lang ist und der Interviews viele. Ob das wirklich Punkrock ist, liegt im Auge des Betrachters. Ich würde nicht drauf bestehen, auf solchem Quatsch. Ich glaube, das ist Rockmusik.

Aber so ein kleines bisschen Punkrock steckt schon drin. Im ersten Song singst du: "Scheiss auf den Kaktus, der ist böse und heiss."

In unserem stilistischen Spektrum kann das schon Punkrock sein.

Das Album ist wütender und rebellischer als das letzte.

Das kann man so wahrnehmen und hängt auch mit der Art, wie man ins Album reinkommt, zusammen. Das liegt aber ebenso im Auge des Betrachters. Auf jeden Fall ist der Einstieg rauer als derjenige auf dem Vorgänger. Gesteuert war das aber nicht. Persönlich schreibt man die Songs, die sich aufdrängen, die man hat.

Der Albumtitel klingt wie eine Anspielung auf eine Zeile aus dem Song "Delmenhorst" von eurem letzten Studioalbum. Ist das Zufall?

Das ist eigentlich zufällig entstanden. Wobei – was ist da schon zufällig. Da hat mir das Unterbewusste wohl einen Streich gespielt. Das Lied war da, wir machen ja immer erst die Musik. Und ich hab dazu die Wörter gesucht. Und irgendwann bin ich dann auf so was gestossen wie "immer da wo du bist bin ich nie". Das ist ja ein bisschen das Gegenteil von dem, was ich in "Delmenhorst" singe. Deshalb ist mir diese Nähe am Anfang auch gar nicht aufgefallen. Irgend jemand hat mich dann auf diese Parallelen hingewiesen. Aber dann fand ich das auch gar nicht so schlecht, wenn sich ein Thema wie ein roter Faden durch so was hindurch zieht.

Hattest du keine Bedenken, dass man das neue Album dann zu fest in die Nähe des vorherigen rückt?

Ja guck mal, ich hätte nichts dagegen, wenn es so wäre. Das würde ich auch zugeben. Aber nur wegen dieser paar Wörter bietet sich das nicht an, dafür ist es ja auch im Kontext zu anders. Das ist ja immer auch davon abhängig, was drum rum noch passiert in dem Lied – musikalisch wie auch textlich. Es gibt immer einerseits so eine Kontinuität und andererseits natürlich entwickelt man sich. Man ist vier Jahre älter, es sind Sachen passiert, es drängen sich andere Ideen auf für Texte und da ist ein bisschen Überschneidung eigentlich auch gar nicht so schlimm.

Freust du dich darüber, wenn dir beim Schreiben von Songs eine besonders schöne Formulierung gelingt? Oder gehst du das Ganze nüchtern, trocken an?

Das ist wirklich sehr durch die Musik bestimmt. Man muss sich das so vorstellen, dass die Melodie schon völlig fertig ist. Total komplett. Wenn wir uns sehr sicher sind, dass wir dieses Lied auch unbedingt machen wollen, dann schreib ich den Text. Natürlich freue ich mich über schöne Texte. Aber richtig Spass hat man erst mit ein bisschen Abstand. Im Studio, wenn man es einsingt. Dann nimmt man es nicht mehr als derjenige, der es geschrieben hat, wahr. Sondern als derjenige, der das jetzt singen darf.

Das klingt so, als ob deine Texte sehr spontan entstehen würden.

Ja, natürlich. Man tut auch gut daran, im Rock’n’roll das so zu machen. Ich beschäftige mich ja immer auch nur mit einem Lied aufs Mal. Wenn man die Melodie hat, muss man teilweise ein, zwei Wochen warten, bis einem was einfällt. Mir macht es auch Spass, zu sehen, wie so etwas weiter wächst. Das ist ein sehr spannender Prozess, in dessen Verlauf man immer schauen muss, was man wirklich will. Und der beinhaltet viele spannende Momente. Das muss man auch zulassen. Man sollte da kein Kontrollfreak sein.

Ein schönes Sprichwort besagt: Der Teufel liegt im Detail. Sind es solche kleine Mosaiksteinchen, die den Erfolg von Element of Crime ausmachen?

Vielleicht. Ich weiss es nicht. Ich glaube, es ist ein Melange aus ganz vielen Dingen. Je nach je. Einige werden von der Trompete gepackt. Andere von den Gitarren von Jakob. Vom Rhythmus. Von der Melodie. Oder von bestimmten Textzeilen. Man weiss es nicht. Und ich finde das auch gut. Der Erfolg ist ja im Grunde genommen ein individueller. Und der ist ja auch nicht messbar. Der eigentliche Erfolg fängt damit an, dass man sich für etwas entscheidet: Ich mach das.

Blicken wir zurück, auf Element of Crime in ihrer Anfangsphase. Seid ihr damals, vor knapp 25 Jahren, eine Band mit Visionen gewesen? Oder lief anfänglich alles ziemlich chaotisch ab?

Wenn man als Rockband anfängt, dann will man so weit kommen wie möglich. Man will auch da oben auf dieser Bühne stehen. Und man will von den Leuten geliebt werden. Das gilt glaube ich für jede Band und für jeden Rockmusiker grundsätzlich. Aber wir hätten uns früher niemals vorgenommen, dass es diese Band so lange gibt. Das passierte dann so. Weil es immer gute Gründe gab, auch weiter zu machen. Das hat mit Erfolg zu tun, aber auch mit künstlerischen Werten. Dass es noch neue Songs gibt, die man schreiben möchte. Am Anfang war vieles sehr chaotisch, ungeplant und zerstritten auch. Das wichtigste für eine Band ist, dass sie ihren Stil findet. Ohne Stil kann sie nicht existieren. In diese Stilfindung haben wir zu Beginn am meisten Zeit investiert. Damals war es in Berlin auch relativ leicht, Konzerte zu spielen. Es gab überall kleine Clubs. Das wurde dann beständig grösser, ohne dass wir grosse Hits gehabt hätten, die uns schnell irgendwo hin katapultiert hätten.

Ist das ein Grund, wieso ihr heute noch unterwegs seid? Dass ihr langsam aber stetig gewachsen seid und nicht über Nacht erfolgreich wurdet?

Oh, das wäre natürlich auch ganz schön gewesen. Aber hinterher scheint so was immer sinnvoller oder klüger. Wenn wir in den 80er-Jahren, als wir noch englisch sangen, einen Hit gehabt hätten, dann wären wir vielleicht nie auf die Idee gekommen, deutsche Texte zu schreiben.

Vor dem Albumrelease hast du in Österreich gebloggt, mit dem Ziel, die Bevölkerung von Österreich mit derjenigen von Deutschland zu versöhnen. Wäre so was nicht auch zwischen Deutschland und der Schweiz notwendig?

(lacht) Darum kann ich mich nicht auch noch kümmern. Aber ich glaube, dass das eigentlich gar nicht nötig ist. Was ich da in dem Blog gemacht habe, ist natürlich der komplette Unsinn. Vor allem der Königgrätz-Kram. Die Österreicher kennen diesen deutsch-deutschen Krieg von 1866 noch von der Schule her. Ich glaube aber, es gibt im Gegenzug keinen einzigen Deutschen, der darüber irgendwas weiss. Da sieht man schon mal, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist. Das sind halt wirklich auch fremde Länder. Man kann nicht in so ein Nachbarland gehen und denken: Das ist alles eine gemähte Wiese, und man wird gleich von vornherein verstanden. Die Länder sind sich halt auch fremd und das sollte man auch akzeptieren. Und man spricht gar nicht so sehr die gleiche Sprache, wie man denkt. Aber die sprachlichen Unterschiede zwischen Schleswig-Holstein und Bayern sind ja nicht geringer. Man sollte das alles mit Humor nehmen.

Zur Schweiz hast du einen speziellen Bezug. Der heisst Patent Ochsner. Wird es irgendwann wieder zu einer "Zusammenarbeit" kommen? Oder war das einmalig?

Du meinst damals mit "Wysses Papier"? Das war ja eigentlich gar keine Zusammenarbeit, die haben unseren Song in Berndeutsch gesungen.

Aber Büne Huber ist ja für das Stück auch mal gemeinsam mit euch auf der Bühne gestanden.

Das stimmt, wir haben mal auf dem selben Konzert gespielt. Da haben wir auch zusammen gesungen. Das kann man mal machen, das war lustig. Wir haben aber auch drei oder vier Platten von Le Soldat Inconnu produziert, einer Genfer Band. Und früher haben wir viel mehr noch in der Schweiz gespielt. Wir haben immer gute Erfahrungen hier gemacht. Insofern vermisse ich da im Augenblick nichts. Wir kommen ja im nächsten Jahr nach Zürich und nach Bern. Das wird sicher toll. Es ist eher so, dass man es nicht mehr schafft, an so Orten wie Genf, Stäfa, Winterthur und so weiter auch noch aufzutreten. Das ist eine Frage von Energie und von Zeit, nicht? La Chaux-de-Fonds. Unglaublich, wo wir schon überall gespielt haben. Wenn man so nachdenkt, Wahnsinn. Lausanne. Das müsste man sicher überlegen, wenn man noch eine zweite Tournee macht, ob man da nicht auch wieder auftreten kann. Das würde mich auch wieder mal interessieren.

www.element-of-crime.de

Das neue Album "Immer da wo du bist bin ich nie" ist ab sofort erhältlich!

Element of Crime live:

20.01. Kaufleuten, Zürich

21.01. Bierhübeli, Bern

Kommentare
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pbjg 22.09.2009 um 14:56
ein schoenes interview - danke!