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15. Oktober 2009, 22:14 Kultur

Sibylle Berg und Katja Riemann lasen aus „Der Mann schläft“

Michaela Lischer - Sibylle Berg und die Schauspielerin Katja Riemann lasen im Klubsaal des Kaufleuten abwechslungsweise Passagen aus „Der Mann schläft“ (Carl Hanser Verlag 2009). Dass Sibylle Berg keine Wohlfühlgeschichten schreibt, ist man sich von ihr gewohnt. Wenn es dann in einem ihrer Ro...

Sibylle Berg und die Schauspielerin Katja Riemann lasen im Klubsaal des Kaufleuten abwechslungsweise Passagen aus „Der Mann schläft“ (Carl Hanser Verlag 2009). Dass Sibylle Berg keine Wohlfühlgeschichten schreibt, ist man sich von ihr gewohnt. Wenn es dann in einem ihrer Romane plötzlich um etwas geht, das erfüllter Liebe verblüffend nahe kommt, horcht man unweigerlich auf und ist auf der Hut. Daran tut man gut, wie bereits nach wenigen Sätzen klar war.

Die Handlung springt über vier Jahre hinweg vor und zurück und das Bild einer ebenso unerwarteten wie unspektakulären Liebesbeziehung zeichnet sich ab. Der Mann, er bleibt ohne Namen, ist plötzlich da: „Neben mir drängte sich ein massiger Mensch auf die rote Sitzbank. Er fiel mir in meiner Apathie nur dadurch auf, dass er in der Umgebung der nachgestellten Bohème-Welt völlig unpassend wirkte.“ Und man weiss von Anfang an: Er wird nicht bleiben. Das Publikum verharrte dann auch in schweigender Bedrücktheit, die sich aber immer wieder und immer öfter in befreiendem Lachen entlud. „Ich wünschte, ich hätte ein Tier. Ich könnte es verhungern lassen, es würde zu mir sprechen, kurz vor seinem Tod: ‚Warum hast du mich benutzt, nur um mich sterben zu sehen?‘, würde er fragen, der kleine Beagle, und traurig schauen, und ich würde erwidern: ‚Tut mir leid, es ist nichts Persönliches, ich wollte nur wissen, um was ich trauere.‘“ Der abgründige Text rechnet in bergscher Manier mit jeder Illusion von der grossen Liebe ab und entlarvt akribisch die kleinen Gemeinheiten und grossen Irrtümer, die den zwischenmenschlichen Alltag prägen.

Zwischendurch – zur Auflockerung, wie die Autorin augenzwinkernd meinte – wurden Gedichte vorgelesen. Triefend vor Ironie waren nicht nur die zurechtgebogenen und rein-gelesenen Reime, in beissendem Zynismus wurde auch der Inhalt gehalten. Und wenn eines – so kündigte Katja Riemann es leichthin an – einmal gut ausgeht, dann wirft sich der Protagonist darin aus dem Fenster. Das ist Sibylle Berg in Reimkultur.

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