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12. November 2009, 21:47 Music Interview

Interview mit Adrian Sieber von den Lovebugs

Patrick Holenstein - 15 Jahre sind die Lovebugs nun schon als Band zusammen. Inzwischen sind sie aus der hiesigen Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken. Zum Jubiläum erscheint eine CD, die alle bisherigen Hits versammelt.

Students hat mit Adrian Sieber über die CD geplaudert, mit ihm einige Songs genauer angeschaut, erfahren, wie nahe die Band den Rolling Stones schon war und dass der Eurosong Contest kein Reinfall war.

Was hältst du von U2?

(Lacht). Eine lustige Frage. (Überlegt lange). Es ist eine tolle Band. Sie haben in ihrer Karriere einige Übernummern geschrieben. U2 gehört zu den Bands, bei denen es mich immer freut, wenn ich ihre Lieder höre.

Ich habe U2 angesprochen, weil das Cover zur „Best Of“-CD Only Forever offensichtlich eine Hommage an Achtung Baby ist. Wie gewollt ist das?

Du bist der Erste, der das erwähnt! Wir haben sehr lange diskutiert, ob wir das wirklich so durchziehen sollen, weil es tatsächlich ein ähnliches Konzept ist, wie bei Achtung Baby. Natürlich ist es ein anderer Fotograf, der die Bilder geschossen hat. Aber es hat so gut zum Konzept gepasst, dass wir uns dafür entschieden haben, es zu tun. Und mit U2 verglichen zu werden ist ja auch nicht das Schlimmste der Welt.

Die zweite Verbindung zu den Iren von U2 ist Richard Rainey, den ihr als Produzent für The Highest Heights gewinnen konntet. Er hat zuvor das aktuelle U2-Album No Line On The Horizon produziert. Danach wollte er ja eigentlich keine Produktion mehr übernehmen. Wie habt ihr es geschafft, dass er eure CD produziert?

Das Problem war, dass er in der U2-Produktion drin war. Bei ihnen ist es so, dass sie ein neues Album beginnen und einfach drauf los arbeiten. Da der Band weder finanziell noch zeitlich eine Grenze gesetzt ist, hat sich die Arbeit am Album immer weiter hinausgezogen. Richard hatte einfach keine Kapazität mehr. Wir hatten ihn aber schon länger als Wunschkandidaten im Auge, also haben wir ihn gefragt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Finanzielle nicht so eine Rolle spielt. Wenn ein Produzent mag, was du tust, dann produziert er dich oft auch. Klar können wir nicht so viel bieten wie U2, aber Richard hat es ja trotzdem gemacht.

Die Gitarre im Titelsong The Highest Heights erinnert etwas an U2. Wie sehr hörst du selber Raineys Handschrift auf der CD?

Richard Rainey hat ja nicht nur mit U2 gearbeitet, sondern diverse Bands produziert. Wir sind durch die dänische Band Grand Avenue auf ihn aufmerksam geworden. Die Platte hat uns gefallen und wir dachten, sie könnte ein gutes Beispiel dafür sein, wie unsere nächste Platte klingen könnte. Richard ist jemand, der nur mit Bands arbeitet und ihm gelingt es jeweils, den Charakter einer Band in den Vordergrund zu stellen. Es gibt Produzenten, bei denen ihr Stil deutlich zu erkennen ist und es gibt Produzenten, bei denen die Bands so klingen, wie sie halt klingen. Richard gehört zur zweiten Art und das kam uns sehr entgegen.

Songs aus dieser Zusammenarbeit sind auch auf der „Best Of“-CD Only Forever, die ihr zum 15-jährigen Bandjubiläum veröffentlicht habt. Das ist eine lange Zeit. Was geht dir durch den Kopf, wenn du auf eure Bandgeschichte zurück blickst?

Auf der einen Seite bin ich natürlich stolz, dass es schon so lange funktioniert. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir nach so langer Zeit noch befreundet sind. Als Band machst du intensive Zeiten durch, auch zwischenmenschlich. Wir bezeichnen es immer als Schicksalsgemeinschaft, weil du ja nicht die Möglichkeit hast zu kündigen und morgen auszusteigen. Wir sind zu fünft und wenn einer nicht mehr dabei ist, dann gibt es die Band nicht mehr. Und natürlich ist es toll, wenn du eine CD mit deinen bekanntesten Songs versammelt siehst. Da hängen so viele Erinnerungen dran, Songs, die du heute noch so liebst wie früher und jene, bei denen du dich fragst, was man dort Lustiges ausprobiert hat.

Wenn du von deinen Erinnerungen sprichst: Gibt es eine Geschichte oder eine Anekdote, an die du dich besonders gerne erinnerst?

Das sind sehr viele. Ein Highlight für mich war das Konzert im Stadttheater Basel. Dort haben wir unsere Unplugged-CD aufgenommen. Es war für uns als Band sehr speziell, weil du dich ein Jahr auf dieses eine Konzert vorbereitet hast und dann ist der Moment da und du weisst, jetzt gilt es. Das war schon ein grossartiges Ereignis. Oder dass wir vor den Rolling Stones in Dübendorf auftreten durften. Aber es gab auch Fettnäpfchen oder falsche Entscheidungen, was Singles angeht. Wir haben manchmal an den Leuten vorbei geschossen. Oder wir hatten harte Zeiten mit Plattenfirmen. Es ist ein bisschen wie eine Achterbahn.

Genau, ihr habt die Rolling Stones zweimal supportet. Wie schafft man es auf die Bühne der Stones?

Indem Good News anruft und fragt, ob man das machen will. Es war wohl so, dass Andre Bechir, der Chef von Good News, uns live gesehen hat und sich dachte, die kann man auch vor die Rolling Stones hinstellen. Da sagst du natürlich nicht nein.

Hattet ihr Gelegenheit, die Stones persönlich zu treffen?

Nur bis auf etwa 50 Meter Distanz. Es ist aber eine lustige Geschichte. Das ganze Umfeld der Stones war supernett und sehr zuvorkommend. Wir durften das Catering und den gesamten Backstage-Bereich mit nutzen und der ist bei den Stones kein kleines Zimmer, sondern eine Halle. Also haben wir gegessen und plötzlich „Tschätterets“ neben uns. Im ersten Moment sind wir erschrocken, aber schnell merkten wir, dass das die Stones waren, die sich mit Wild Horses für den Gig einspielten. Das war schon eindrücklich, während du isst jammen im Raum neben dir die Rolling Stones.

Du hast vorhin auch das Musikbusiness angesprochen. Wie hat sich die Musikindustrie in der Zeit, seit es die Lovebugs gibt, verändert? Ist es heute schwieriger eine CD aufzunehmen?

Nein, es war nie leichter einen Tonträger zu veröffentlichen. Du musst ja nicht einmal mehr eine CD aufnehmen, du kannst deine Musik einfach im Internet verbreiten. Es gibt viele neue Möglichkeiten, die vor 10 Jahren bloss Träume waren. Dadurch ist natürlich eine viel grössere Menge an Musik verfügbar und es ist immer wieder eine Herausforderung sich durchzusetzen. Die Leute haben oft das Gefühl, dass die Lovebugs schon berühmt sind und ja eh ihre Fans haben, aber man muss immer wieder bei Null anfangen und die Leute überzeugen. Selbst der grösste Fan kauft deine CD nicht, wenn sie „Chabis“ ist.

Wenn wir schon bei der heutigen Musik sind: In deinem Blog auf der Lovebugs-Seite schreibst du über nationale und internationale Bands, deren Videos du verlinkst und die du vorstellst. Ist das wirklich dein persönlicher Geschmack?

Ja klar, aber das darf man nicht überbewerten. Ich bin halt durch und durch Musikfreak, daneben gibt es nicht viel zu schreiben. Wir suchen schon lange nach einen Skandal, aber die Lovebugs geben einfach nichts her. Aber das ist gut so. Und wenn mich ein Lied anspricht, dann erzähle ich das gerne jenen Leuten, die das auch interessiert. So entstehen immer wieder gute Diskussionen.

Eine Band, die du empfiehlst, ist The Whitest Boy Alive, die du sehr schätzt. Wird es eine Zusammenarbeit zwischen euch geben?

Das wäre natürlich das Schönste. Ich kenn die Band leider nicht persönlich, aber Erlend Øye, der Sänger der Band, ist für mich ein grosses Vorbild, was das Songwriting angeht. Er hat beeindruckend vorgemacht, wie man Genre übergreifend Musik machen kann und das ist etwas, was ich irgendwann auch etwas stärker verfolgen möchte.

Zurück zu Only Forever und den Lovebugs. Lass uns doch kurz auf einige Songs eingehen. In Wall of Sound singst du: We only wanna break free and fuck the old record company. Auf was spielst du damit an?

Wir hatten, was das angeht, schon eine recht derbe Zeit. Der Song ist inzwischen mehr als zehn Jahre alt. Das war die Zeit, in der die Musikindustrie noch aus grossen Konzernen bestand. Wenn du bei einem dieser Labels unter Vertrag standest, dann warst du ein kleiner Fisch und wenn du dich mit der Plattenfirma nicht verstanden hast, dann hattest du ein Problem. Uns erging es genau so. Man hat sich einfach nicht verstanden. Es hat sehr viel Energie und Nerven gekostet, dort wieder wegzukommen und die Freiheit zurück zu erlangen. Das alles sollte in dem Song zum Ausdruck kommen.

Neben der Funktion als Metapher zitiert Wall of Sound aber, musikalisch gesehen, den legendären Produzenten Phil Spektor, der die Wall of Sound-Technik kreiert hat. Wie bewusst war die Anspielung auf Spektor?

Klar, es ist ein wenig von allem. Wir haben die Vorliebe zu chatchy Titeln, da passt Wall of Sound gut, und natürlich kommt das schon von Phil Spektor, es war ja auch sein Sound. Wir haben es bewusst so produziert, dass die Wand von Gitarren im Song daher kommt. Es hat einfach zum Song gepasst.

Immer wieder bezeichnen Leute Avalon als eure schönste Ballade. Der Track ist ein Duett mit Lene Marlin. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Norwegerin?

Das ist eine sehr schöne Geschichte aus unserer Karriere. Lene Marlin hatte in damals mit Sitting down here einen kleinen Hit. Thomy (Thomas Rechenberger, Gitarrist der Lovebugs) und ich fanden die super. Als wir am Song Avalon gearbeitet hatten, fanden wir, dass jetzt der Moment da war, Lene anzufragen, weil der Song als Duett perfekt wäre. Wir haben dann über diverse Ecken die Adresse ihres Managements bekommen und sie angefragt. Eine Woche später stand sie in der Schweiz und hat den Song aufgenommen. Ohne vorher irgendetwas vertraglich zu regeln, sie wollte das Duett machen, weil sie es super fand. Das lief so unverkrampft und darum ist es wohl auch so gut geworden.

Avalon ist die Insel, auf die sich König Arthur in der Sage nach seiner Verwundung zurückgezogen hat. Du verwendest Avalon als Metapher für das Unbekannte im Zwischenmenschlichen Bereich. Wie bist du darauf gekommen? Beschäftigst du dich mit Mythologie?

Ich finde es immer toll, wenn Songs starke Bilder hervorrufen. Wieso es so kam, das weiss ich nicht mehr. Oft ist es so, dass du einfach mal drauflos spielst, irgendein Kauderwelsch singst, bis sich langsam Worte formen. Hier war es genau so. Plötzlich war Avalon da und es hat extrem gut zum Song gepasst, weil etwas mystisch ist und der Text sich um verborgene Ängste und Geheimnisse dreht, die man vor anderen hat. Darum ist das geblieben.

Die Lovebugs mit Adrian Sieber (Mitte). Foto von Lea Meienberg.

Im November spielt ihr nach 2006 wieder am Energy Stars for Free im Hallenstadion. Das Hallenstadion hat in der Schweiz Kultstatus. Oft ist zu hören, dass dieses Stadion das Höchste der Gefühle für Schweizer Bands ist. Ist da was dran? Was geht dir durch den Kopf, wenn du im „Wädlitempel“ auf der Bühne stehst?

Das sagt wohl jeder Musiker, das ist ein heiliger Tempel, wie es in der Schweiz nur wenige gibt. Wohl jeder hat dort irgendwann ein Konzert einer Band gesehen, die er heiss geliebt hat, und wünscht sich diese Halle rocken zu können. Wir freuen uns sehr auf diesen Abend.

Auf eine ganz andere Bühne habt ihr euch im Frühling getraut. Stichwort: Eurovision Song Contest. Wie kamt ihr zur Entscheidung, am Contest teilzunehmen?

Es liegt ein bisschen in unserer Tradition, Dinge zu tun, die man als Band nicht tut. Ich finde, du musst, gerade als Act aus einem kleinen Land, mit kleinem Markt, Sachen machen, die etwas bewegen. Dinge tun, die die Leute bewegen, kontrovers sind und Fragen aufwerfen. Das war der Hauptgrund für uns. Im Nachhinein haben wir schon gemerkt, wie das die Leute bewegt hat. Wir als Band haben dadurch viel gewonnen, obwohl es nicht Punkte geschneit hat und nicht für das Finale gereicht hat. Das war sogar absehbar. Aber dadurch haben wir so viele neue Leute erreicht, welche die Lovebugs heute noch gut finden und die uns sonst wohl nie entdeckt hätten.

Was habt ihr als kleine Schweizer Band für Erfahrungen in Moskau gemacht?

Wir kamen uns schon vor wie in einer Freakshow. Das Ganze ist ja eine Showveranstaltung und wir sind eine Band und wir fühlten uns absolut nicht in unserem Element. Du stehst dort drei Minuten auf einer Bühne und musst Halbplayback singen. Das war etwas, was wir vorher noch nie gemacht haben. Aber trotz allem war es eine gute Erfahrung, wir konnten davon profitieren und wir haben zwei Wochen lang Moskau gesehen und die Veranstalter haben sich nicht lumpen lassen, wir hatten alles, was wir brauchten. Ich würde das sofort wieder machen und ich kann’s auch allen nur empfehlen. Es ist halt wichtig für die Schweiz, dass sie nicht den Kopf einzieht, sondern mitmacht, hingeht und sich präsentiert.

Welche Reaktionen habt ihr in der Schweiz bekommen?

Wir hatten im Vorfeld schon etwas Angst vor den Reaktionen, gerade weil wir ja miterlebt haben, wie es denen ergangen ist, die erfolglos blieben. Aber ich muss sagen, wir sind glimpflich davon gekommen, weil viele Leute eher uns verteidigt haben und sich fragten, was das für ein komischer Event sei, wir hätten es gut gemacht. Wir bekommen heute noch Mails aus Australien, die sich freuen, dass endlich mal eine Band nicht nur Klamauk macht.

Zum Schluss noch die Frage nach der Zukunft. Ihr habt so ziemlich alles erreicht, was man in der Schweiz erreichen kann. Was haben die Lovebugs noch für Ziele?

Der Albumtitel spiegelt das eigentlich gut wider. Only Forever. Wir haben noch nie kalkuliert. Wir haben 1993 einfach mal angefangen und es hat nur wenige interessiert. Anfangs hat es fünf Jahre gedauert, bis unsere Musik etwas breiter wahrgenommen wurde. Wir haben das immer nur gemacht, weil wir Spass daran hatten. Das ist bis heute so, ich kann dir nicht sagen, was wir in einem Jahr machen. Ich finde halt, man sollte nicht zu viele Ziele setzten. Es ist ein Klischee, aber es heisst doch, „der Weg ist das Ziel“, es soll Spass machen und dann ist es auch richtig.

Only Forever - The Best Of Lovebugs erscheint am 13.11.

Infos und Tourdaten auf der Homepage der Lovebugs.

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