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22. Dezember 2009, 17:16 Kultur

Freier @ Theater der Künste

Robert Salzer - Der Mittelpunkt an diesem Abend sind die Männer, stellvertretend für die Freier. Deshalb separiert Regisseur Volker Hesse in seinen „szenischen Skizzen aus dem Zürcher Rotlichtmillieu“ Frauen und Männer im Theater der Künste. Die Männer sitzen kreisförmig in der Mitte ...

Der Mittelpunkt an diesem Abend sind die Männer, stellvertretend für die Freier. Deshalb separiert Regisseur Volker Hesse in seinen „szenischen Skizzen aus dem Zürcher Rotlichtmillieu“ Frauen und Männer im Theater der Künste. Die Männer sitzen kreisförmig in der Mitte mit den Gesichtern nach aussen, die Frauen rundherum mit freiem Blick auf das Männerrudel. Dann geht es los. Die Prostituierten, gespielt von Studentinnen der ZHdK, suchen sich ihre Kunden aus. Jeder männliche Zuschauer im Raum ist Ziel der Umschwärmattacke, so dass man sich rasch an die Reeperbahn versetzt fühlt. „Kennen wir uns nicht?“, „Ich finde Männer mit leichtem Bauchansatz extrem anziehend“, „Du hast schöne Hände, spielst Du Klavier?“Diese Zuschauer-Schauspieler-Interaktion ist es, die den Abend besonders macht. Während der Szenen gibt es davon immer wieder und sie führen dazu, dass man sich nicht nur als Zuschauer, sondern als Teilnehmer der Handlung, vielleicht sogar als Täter oder Opfer fühlt.

Ein Freier, der sich aus dem männlichen Zuschauerpulk löst, verhandelt mit einer Prostituierten den Preis für den Beischlaf. Plötzlich will er, dass sie seine Telephonnummer lösche. Es entbrennt ein Streit rund um die Technik des Telephons, denn einem Freier scheint die Angst erwischt zu werden vor dem Sexualvergnügen zu stehen. Ein anderer Freier, nur mit einem Badetuch bekleidet, erklärt den Männern die Vorzüge käuflicher Liebe. Später befragt der Schauspieler in der Rolle eines Sexualforschers die Zuschauerinnen nach ihrem ersten Orgasmus. Mehr oder weniger bereitwillig gibt das Publikum Auskunft. Dann befragt er auch die Prostituierten, welche ihm die Antwort verweigern und ihn aus dem Raum jagen. Für etwas Aufheiterung an diesem doch nachdenklich stimmenden Theaterabend schafft die Szene, in welcher die osteuropäischen Dirnen die für sie wichtigsten Sätze Deutsch lernen. Käuflicher Sex sei Entwicklungshilfe, erklärt uns ein nächster Freier in einem Monolog. Wie diese Entwicklungshilfe aussieht, sehen wir in der folgenden Szene, in welcher er ein völlig verängstigtes Mädchen mit Geld zum Beischlaf bringen möchte.

So wechseln sich an diesem Abend die eine mit der anderen „szenischen Skizze“ ab und man erhält viele Facetten des Rotlichtmilieus vorgezeigt. Leider kratzen diese Szenen aber oft nur an der Oberfläche und gehen nicht in die Tiefe. Hin und wieder würde man gerne mehr erfahren von einem Charakter und schon kommt die nächste Szene. Ein grosses Kompliment gebührt den Studierenden, die gerade in diesen aussergewöhnlichen Rollen aus dem Vollen schöpfen können und dies auch tun. Es bleibt jedoch dabei, dass man oft nur die Fassade sieht und nicht, was dahintersteht. Wer im geschützten Rahmen von der Langstrasse erfahren will, der gehe ins Theater der Künste.

  • „Freier – Szenische Skizzen aus dem Zürcher Rotlichtmillieu“
  • Regie: Volker Hesse
  • Ort: Theater der Künste, Bühne B
  • Premiere: 10. Dezember
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