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15. November 2007, 18:46 Interview Music

Andrew Bird (USA)

Simon Knopf - Er war zwar sichtlich erschöpft, aber trotzdem bemühte sich der Tausendsasse aus Chicago um ein nettes Gespräch. Students.ch traf Andrew Bird einige Stunden vor seinem Konzert in der Roten Fabrik. Dein neuestes Werk "Armchair Apocrypha" ist mittlerweile schon seit einiger Zeit...

Er war zwar sichtlich erschöpft, aber trotzdem bemühte sich der Tausendsasse aus Chicago um ein nettes Gespräch. Students.ch traf Andrew Bird einige Stunden vor seinem Konzert in der Roten Fabrik.

Dein neuestes Werk "Armchair Apocrypha" ist mittlerweile schon seit einiger Zeit draussen. Ich persönlich bin der Meinung, dass die CD mit der Zeit immer besser wird. Wie siehst du dein letztes Album?

Wenn ich ein Album aufnehme, versuche ich stets den Songs etwas Ruhe zu gönnen. Also, ich nehme ein Lied auf und höre es mir dann während einigen Monaten immer wieder an. Einfach um sicher zu gehen, das es auch eine gewisse Langlebigkeit hat, dass es funktioniert, egal in welcher Stimmung du bist. Ich benutze mich da selber als Tester. In meinem Kopf läuft immer eine Art Radio, und bei Melodien beispielsweise, weiss ich, dass ich die weiterverfolgen muss, die sozusagen in meinem Kopf bleiben.

Wenn man sich deine Live-Mitschnitte anhört, fällt auf, dass du auch ältere Stücke immer wieder etwas abänderst.

Ja, definitiv! Das ist ein sehr essentieller Teil von mir. Das ist die Art Musiker, der ich bin, das ist auch wie ich Poetry schreibe. Das hat wahrscheinlich auch etwas mit meinem Werdegang zu tun. Ich hatte schon immer etwas Rastloses in mir, einen Mangel an absoluter Zufriedenheit. Ich hab schon öfters mit Musikern gesprochen, die mir gesagt haben: „weißt du, wir touren diese Album schon seit zwei Jahren und wir können es nicht mehr hören“. Da sag ich einfach: „hey, das ist dein eigener Fehler. Du musst die Musik am Leben erhalten!“

Man hört öfters von jüngeren Musikern aus dem Bereich Folk, dass sie über einen Familienhintergrund zu dieser Musik gefunden haben. Wie war das bei dir?

Nein… ich wuchs mit klassischer Musik auf; aber gewissermassen auch übers Ohr. Also eigentlich auch in einer Art „mündlicher“ Tradition, nur halt mit Bach und Mozart. Meine Ohren waren immer offen für alles. Ab dem Alter von neun hab ich angefangen zu experimentieren. Ich hörte irgendwo ein Lied, zum Beispiel ein irisches Traditionslied, und konstruierte mir daraufhin ein eigenes Stück, welches diesem Muster entsprach. Dasselbe hab ich mit anderen Stilen gemacht…

Du hast sozusagen Musikstile in dich aufgesogen…

Ja genau. Und so hab ich sehr schnell meinen Zugang zu Irish Traditional, Jazz, Bluegrass etc gefunden… und natürlich auch zu gewissen Techniken. Ich meine, Klassik ist immer noch der Bogen, der sich über alles spannt. Ich habe vor Allem dazugelernt wie man aus der Violine mehr rausholen kann, dem ganzen etwas mehr Drive verschafft.

Wenn wir schon bei Musikstilen sind. Es gibt ja einige Elemente in deiner Musik, die bereits zu Markenzeichen geworden sind. Das Pfeifen, die Art wie du mit Loops und Samples arbeitest. Hast du mal darüber nachgedacht, irgendwann in eine ganz andere Richtung zu gehen?

Darüber habe ich tatsächlich schon nachgedacht. Ich glaube nicht, dass ich gleich meine ganze Musik über den Haufen werfen würde, aber wenn etwas zu formelhaft wird, bin ich der Meinung, dass man es wieder auf seine Grundelemente runterbrechen sollte. Das würde für mich wahrscheinlich heissen, wieder zurück zu den Wurzeln zu gehen, zu irgendwelchen alten Gospelaufnahmen… um daraus wieder die Essenz rauszuholen.

Du hast vorher Poetry erwähnt. In deinen Lyrics findet man sehr oft sehr ausdrucksstarke Bilder und intensive Momentaufnahmen. Hast schon mal darüber nachgedacht, deine Texte von der Musik zu lösen? Könntest du dir vorstellen, Schriftsteller zu werden?

Hm… ich hab irgendwie diesen Impuls nicht! Verstehst du was ich meine? Fast jedes Wort, das ich niederschreibe, resultiert automatisch in einem Song. Ich habe nicht einmal irgendwelche Notizbücher voller Ideen oder so. Was auch immer in meinem Kopf die Qualität besitzt, zu was Konkretem zu werden, wird einfach verarbeitet. Das funktioniert ein bisschen wie bei den Melodien, was ich dir vorher erzählt habe. Manchmal schwirrt da einfach dieses Wort in meinem Kopf rum, und ich weiss, ich muss es in einem Song verwenden.

Vor einiger Zeit hab ich mit einem Schriftsteller geredet, der mir erzählte, dass seine Texte ihm dazu dienten, seine Ängste zu bannen. Haben deine Texte, deine Musik eine ähnlich befreiende, erlösende Aufgabe?

Darüber habe ich schon ganz oft nachgedacht! Ich glaube, dass der ganze Lebensstil, den ich für mich kreiert habe, dazu da ist, mit meinen Ängsten umzugehen. In meinem Alltagsleben bin ich zu so etwas wie einem Gewohnheitstier geworden, rein um meinen Ängsten entgegenzutreten. Ich weiss nicht, ob das dies war, was er gemeint hat… aber ja, Songs können tatsächlich zu Begleitern werden…

Wenn man sich deine CD Covers anschaut, oder auch den Clip zu „Imitosis“ kriegt man das Gefühl, dass die Ästhetik rund um die Musik ebenfalls eine grosse Rolle für dich spielt.

Das ist tatsächlich so. Ich verbringe auch nicht gerne Zeit mit anderen Musikern. Ich bin viel lieber mit bildenden Künstlern zusammen. Der Grossteil meines Bekanntenkreises in Chicago sind Leute, die mit Druck oder Text arbeiten. Das bedeutet für mich eben, dass ich auch mal von der Musik abstand nehmen kann, abschalten kann…

Es bietet wahrscheinlich auch die Möglichkeit von gegenseitiger Inspiration…

Ja, absolut. Das ist etwas, was auch sehr viel Spass macht. Wir reden über mögliche Poster und Cover für meine Alben, machen Witze darüber und ein paar Wochen später haben sie dann dieses wunderschöne Bild geschaffen, nach Ideen die ihnen vielleicht bei meiner Musik gekommen sind.

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