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27. März 2010, 20:38 Konzert Music

Jan Delay: Schweiss!

Marius von Holleben - Viertel nach acht, wir stehen an der Abendkasse. Irgendwie läuft hier was schief. Die nette Dame hinter der Glasscheibe kann meinen Namen nicht auf der Gästeliste finden. Not good... Ich hau in die Tasten, wer bringt uns rein? Andi? ...Mailbox. Daniela? ...Mailbox. Mir wird sch...

Viertel nach acht, wir stehen an der Abendkasse. Irgendwie läuft hier was schief. Die nette Dame hinter der Glasscheibe kann meinen Namen nicht auf der Gästeliste finden. Not good... Ich hau in die Tasten, wer bringt uns rein? Andi? ...Mailbox. Daniela? ...Mailbox. Mir wird schlecht. Ungewisse Minuten folgen, Anspannung liegt in der Luft. Und dann, der wichtige Mann mit dem Headset nickt zustimmend. War das denn so schwer?

Zur Stressbewältigung gönne ich mir erstmal zwei Bier an der Bar. Es ist voll und heiss. Das Durchschnittsalter schätze ich auf 24, ich bin 24 – alle sind 24! Ich sehe sehr wenige Schirmmützen, mehr Röhre als Baggy und fühle mich mit meiner Zauberziggi schon ein bisschen crazy. Man wird älter, Jan wird älter.

Und dann kommt der Funk. Aus dem Stand haut die Disko No.1 in die Vollen. Die Halle bewegt sich und ich staune. Unglaublich schön tanzen sich die zehn Musiker von einer Minichoreo zur nächsten. Perfekt. Hier wird professionell unterhalten, Band und Herr Delay verschmelzen in Rekordzeit zur bangenden Einheit.

Der Meister schäkert charmant-frech mit dem Publikum, äussert aber auch gleich zu Beginn seinen Unmut über Minarett-Verbote und Schweizer Volksparteien. Aus Protest gegen Fremdenhass und Intoleranz gibt’s ein spontanes Islam-Madley. Backstreet’s Back Alright! Die Meute tobt.

Rampensau Delay spritzt mit Schweiss und wringt den Schlips. Ich tauche tief ab in die Disko und tanze à la James Brown. Um mich herum Boogie Babes soweit die Äuglein reichen. Ich kann’s kaum fassen, doch in just diesem Moment hat Jan Delay jeden Arsch in der Maag-Event Halle fest im Griff.

Es scheint Nichts zu geben, was jetzt nicht funktioniert. Auch alte Deichkind-Schlager und Techno-Remixes werden gnadenlos gefeiert. Hauptsache es geht noch ein bisschen weiter. Zugabe um Zugabe folgt. Und gut eine halbe Stunde, nachdem ein zufriedenener Jan Delay zuvor den letzten Song des Abends angekündigt hatte, schmachten so noch immer Hunderte zu Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann.

Dann ist Schluss, Herr Eissfeld ist platt. Völlig verausgabt verabschiedet er sich von seinem ergebenen Publikum und überlässt die Bühne seiner Band für einen letzten Disco-Walzer. Die Lichter gehen an und um mich herum sehe ich ausnahmslos glückliche Gesichter. Die Stimmung schwankt zwischen völliger Erschöpfung und totaler Glückseligkeit. Hochleistungssport eben!

Ich habe im Vorfeld mit vielen Freunden über Jan Delay gesprochen und verschiedenste Meinungen und Stimmen zu hören bekommen. Arrogant sei der Herr Delay und selbstsüchtig, kommerziell verdorben und ein Knecht der Industrie. All das kann gut sein, vermutlich ist es schlicht unmöglich als Perfektionist, der schon immer ganz nach oben wollte, ohne Kollateralschäden vorwärts zu kommen.

Runtergekocht bleibt: Jan Delay & Disko No.1 Live, Bravo!

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