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26. November 2007, 16:19 Movie Music

DVD der Woche: Wachtmeister Studer

Christina Ruloff - Wendelin Witschi ist erschossen im Wald bei Gerzenstein aufgefunden worden. Ein unbeholfener Ex-Knacki – Erwin Schlumpf – ist mit einer grösseren Menge Bargeld in der Nähe des Tatorts gesehen und verhaftet worden. Für den Untersuchungsrichter in der Stadt ist der Fall klar...

Wendelin Witschi ist erschossen im Wald bei Gerzenstein aufgefunden worden. Ein unbeholfener Ex-Knacki – Erwin Schlumpf – ist mit einer grösseren Menge Bargeld in der Nähe des Tatorts gesehen und verhaftet worden. Für den Untersuchungsrichter in der Stadt ist der Fall klar: Der Vorbestrafte Schlumpf hat den Bürger Witschi beraubt und umgebracht. Dass Schlumpf die Tat vehement abstreitet, spielt keine Rolle, die Fakten sprechen für sich. Schlumpf ist schon so
  • gut wie verurteilt, das tritt Wachtmeister Studer auf den Plan. Er hört sich Schlumpfs Version an, sichtet die Fotos vom Tatort und fährt aufs Land nach Gerzenstein: Allein die von seiner Ankunft verängstigten Bürger und ihr seltsames Verhalten reichen Studer um zu wissen, dass etwas nicht stimmt: Alles wissen etwas, doch niemand will sich äussern, weil alles irgendwie zusammenhängt...
Wachtmeister Studer ist einer der grossen Schweizer Klassiker. Der Film von Leopold Lindtberg (der gebürtige Wiener und Exilant zeigt sich für viele andere grosse Schweizer Filme – Füsilier Wipf, Landammann Stauffacher oder Die letzte Chance – verantwortlich) aus dem Jahr 1939 ist in vieler Hinsicht noch immer ein fester Massstab; und man wünscht sich sehnlich, aktuelle Schweizer Regisseure würden zumindest einen Versuch wagen, sich daran zu messen.

Sie hat etwas von Ingrid Bergman, oder? Anne-Marie Blanc in ihrer ersten Rolle als unschuldiges Meitli.

Wachtmeister Studer, nach dem hervorragenden Roman von Friedrich Glauser, bietet nicht nur 110 Minuten spannende Unterhaltung, sondern zeigt, reflektiert und demaskiert unsere gesellschaftlichen Strukturen. Der Bürgermeister lenkt die Geschehnisse, ja sogar die Presse und instrumentalisiert die dankbaren „ehrbaren Bürger“: Er kreiert ein Feindbild, hetzt gegen die sozial Schwächeren. Wer anders denkt, wie der liberale Besitzer der Baumschule, Ellenberger, wird als „Halunken - Pestalozzi“ beschimpft und aus der Gemeinde ausgeschlossen. Die Behörden – hier wunderbar verkörpert vom „Herrn Doktor“ Bezirksrichter, der in breitem Baseldeutsch Banalitäten von sich gibt und sich per Telefon gerne auch bestechen lässt – schlagen sich immer auf die Seite ihrer Freunde und Gleichgesinnten.

Ohne eine heroische Figur wie die des Wachtmeisters Studer, der auch noch von hohem Fieber geschüttelt den Fall lösen will, abwechslungsweise „Good Cop / Bad Cop“ spielt und sich echt für die Mitmenschen interessiert, stände es um das fiktive Kaff Gerzenstein schlimm: Unrecht und Vetternwirtschaft würden triumphieren. Gerzenstein steht aber für die ganze Schweiz, für Stadt und Land, auch fürs Ausland, handelt die Geschichte doch in der Gegenwart des Jahres 1939. Denn wie sagt Studer am Ende: „Wenn es im Kleinen nicht stimmt, stimmt es auch im Grossen nicht!“

Ohne Studer wären sie mehr als nur aufgeschmissen: Der Vorbestrafte und seine Verlobte bedanken sich artig an Studers Krankenbett.

Wachtmeister Studer ist ein grossartiger und wunderbar visueller Film, auch dank dem tollen Heinrich Gretler, dem man jede Rolle abnimmt, erst recht die des anständigen Studer. Ein Must für alle Filmfreunde.

  • Originaltitel: Wachtmeister Studer
  • Land: Schweiz
  • Genre: Kriminalfilm
  • Dauer: 110 Minuten
  • Regie: Leopold Lindtberg
  • Darsteller: Heinrich Gretler, Anne-Marie Blanc, Robert Bichler, Zarli Carigiet
  • Verleih: Praesens-Film
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