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28. Mai 2010, 14:20 Kolumnen International

no. 4 - big apples from the Big Apple

meng tian - Inspiration. Ein kompliziertes Unterfangen, wies sich in den letzten Monaten herausgestellt hat. Ich möchte ehrlich sein. Der Abschlussstress im vergangenen Wintersemester machte es nicht gerade einfach, kreativ zu sein. Gepaart mit dem Bescheid, dass der New-York-Traum in Erfü...

Inspiration. Ein kompliziertes Unterfangen, wies sich in den letzten Monaten herausgestellt hat. Ich möchte ehrlich sein. Der Abschlussstress im vergangenen Wintersemester machte es nicht gerade einfach, kreativ zu sein. Gepaart mit dem Bescheid, dass der New-York-Traum in Erfüllung geht, war ich eine ganze Zeit lang gleichzeitig mit Stolz, Dankbarkeit, aber auch mit immenser Unsicherheit und Druck auf mich selber gefüllt. Das Wissen, wie einmalig diese Chance ist und wie überprivilegiert ich doch bin, kreierte unbewusst nur noch mehr Anspruch an sich selbst und an diese Zeit – auch wenn dies rational völlig unlogisch ist. Ich hatte das Gefühl, ich muss unbedingt eine ganze Menge leisten in den sechs Monaten. Jetzt, wo ich endlich die Chance dazu habe.

Aber Inspiration hat mit Stress, Druck und auch Dankbarkeit nichts zu tun. Wenn die Muse einen einfach nicht richtig zu küssen scheint, was dann? In den ersten Wochen hier hatte ich noch eine Ausrede, indem ich mir sagte: ok, du musst dich erstmals an der neuen Umgebung gewöhnen. Nach und nach verging die Zeit. Bestimmte Cafés und Restaurants wurden zu Stammorten, der Alltag bekam eine gewisse Struktur, neue Bekanntschaften wurden langsam zum hiesigen sozialen Kreis. Die aufregende Phase des Jeden-Tag-Was-Neues-Erlebens ist vorbei. Und somit auch die Hoffnung, New York könnte solch eine neue Inspirationsquelle bilden wie ein Apfel vom Baum auf den Kopf fallen würde.

Wie weiter? Es wird oft gesagt, besondere Umstände verlangen besonderen Massnahmen. Ich begab mich auf die Suche: zahlreiche verschiedene Openmics, Hauskonzerte in Brooklyn, Konzertbesuche allgemein, Treffen mit neuen Bekanntschaften, viel Metro fahren, noch mehr zu Fuss laufen, Museumbesuche, an Lesungen und Vorträgen gehen, Kurs für kreatives Schreiben usw. All das hab ich ausprobiert und das eine mehr, das andere weniger regelmässig weiter verfolgt. Über jede dieser Aktivitäten könnte und werde ich noch einen ganzen Blogeintrag schreiben. Aber das, worüber ich jetzt schreibe; das, was mir persönlich am meisten Inspiration eingebracht hatte, waren schliesslich die ruhigen Momente zu Hause am E-Piano oder in diesem Park.

Anfangs ging ich nur in den Park, um unweit von Zuhause draussen einen Bissen verdrücken zu können. Dann machte ich die Entdeckung, dass in dem Park Street Polo gespielt wird, und blieb jeweils etwas länger sitzen. Nach und nach ging ich dorthin, um mich vom schnellen New Yorker Alltag zu erholen und meine Gedanken zu sammeln, vielleicht auch die eine oder andere Idee für den nächsten Song zu skizzieren. Irgendwann merkte ich, dass ich unbewusst schon verschiedene Bilder vom Park gemacht hatte: verschiedene Winkel, verschiedene Jahreszeiten.

Es gibt blitzartige Einschläge von Inspiration, wenn man etwas komplett neues kennenlernt, das einen umhaut. Dann gibt es solche Verbindungen, die aus unerklärlichen Gründen länger an einem hängen bleiben. Natürlich braucht man die intensiven Erlebnisse oder Momente der Explosion an Inspiration, doch es sind meistens diese ruhigen Momente in der Unbedeutsamkeit, die den Wert des Erlebten wirklich wiederspiegeln können. Dabei spielt Geographie keine Rolle, wo man ist. Vielleicht nicht einmal, wie sehr das zu Verdauernde einen beeindruckt hat. Es geht um eine innere Bereitschaft, es zuzulassen, inspiriert zu werden. Einzutauchen. Einzuatmen.


big apples from the Big Apple Reihe: Übersicht
Meng Tian im Web: Meng-tian.com
Popkredit der Stadt Zürich: Musikeratelier in New York

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