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2. August 2010, 15:39 Music Interview

Xavier Naidoo im Interview: „Der Song gefällt mir nicht mehr“

Patrick Holenstein - Lässig schlendert Xavier Naidoo in den Garten des Novotel, keine 50 Meter von der Stelle entfernt, an der er wenige Stunden später tausende Menschen begeistern wird, und stellt sich entspannt den Fragen von Students. Natürlich war das aktuelle Album ein Thema, aber auch Religi...

Lässig schlendert Xavier Naidoo in den Garten des Novotel, keine 50 Meter von der Stelle entfernt, an der er wenige Stunden später tausende Menschen begeistern wird, und stellt sich entspannt den Fragen von Students. Natürlich war das aktuelle Album ein Thema, aber auch Religion und die tragischen Ereignisse an der Loveparade in Duisburg.

Du warst letztes Jahr im Doppel mit den Söhnen Mannheims unterwegs. An einem Abend hast du gespielt, am anderen die Söhne. Was ziehst du für eine Bilanz aus dem Projekt?

Es war wunderschön. Wir hatten eine tolle Zeit und wir haben endlich einmal die ganze Mannschaft auf die Strasse gebracht. Ich will nicht sagen, dass es nicht anstrengend war, aber es war schön und gut, dass wir es gemacht haben. Wir machen das jetzt natürlich nicht jedes Mal so, aber es war ein super Erlebnis.

In Zürich schien es so, als ob du ein deutlich jüngeres Publikum anziehst. Das Kreischen in der ersten Reihe war bei dir deutlich lauter als bei den Söhnen Mannheims.

Ich kann das schwer beurteilen. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir ungefähr das gleiche Publikum anziehen, aber es stimmt sicherlich, dass die Besucher sich manchmal unterscheiden. Wie sich das jeweils genau zusammensetzt, siehst du im Publikum aber wahrscheinlich besser.

Im Vergleich zu früheren Konzerten wirkst du heute auf der Bühne gelassener. Täuscht dieser Eindruck?

Das kann natürlich gut sein, mit steigendem Alter wird man vielleicht gelassener. Ich fühl mich aber auf der Bühne immer recht entspannt und gut, aber manchmal vielleicht noch ein bisschen entspannter.

Heute war die Trauerfeier für die Opfer, die vor einer Woche bei der Loveparade ihr Leben verloren haben. Wie denkst du über die Tragödie?

Es hätte nicht sein müssen. Was soll man das sagen? Ich meine, es ist wirklich furchtbar. Man vermutet halt ein bisschen den Kommerzcharakter und ist schockiert, dass vielleicht wegen kommerziellen Gesichtspunkten so viele Menschen sterben mussten. Das ist einfach nur traurig.

Kann in solchen Situationen auch der Glaube eine Stütze sein?

Der Glaube kann, denke ich, immer helfen, wenn solche schlimmen Dinge passieren. Es sollte am besten gar nicht dazu kommen.

Du verwendest oft religiöse Bilder in deinen Songs. Wie stehst du zu Religion?

Nicht gut. Ich stehe gut zum Glauben, aber ich halte ehrlich gesagt nichts von Religion. Ich denke, man sollte eine eigene Beziehung zu Gott haben dürfen, ohne Dogmen, aber das ist natürlich auch ein Prozess. Ich komme aus der katholischen Kirche und empfinde einige Dinge, die da passieren, als fast schon unmenschlich. Das ist etwas, worüber ich Bescheid weiss und am ehesten sagen kann, dass es unnatürlich für mich ist. Inzwischen habe ich eine eigene Beziehung zu Gott und glaube an ihn. Jeder kann machen, was er will, aber ich bin nicht jemand, der sagt: „Ich bin Katholik oder ich bin dies oder das.“ Ich bin wohl Christ, das kann man sagen und Jesus ist halt einfach mein Mann.

Du hast deine ersten Konzerte entgegen aller Warnungen selbst veranstaltet – der Erfolg gab dir Recht – und dein letztes Album „Alles kann besser werden“ erschien als Dreifach-CD und wurde Nummer 1 in Deutschland. Dies in einer Zeit, in der Konsumenten ihre Songs gerne einzeln downloaden. Ist dieser Instinkt ein Teil deines Erfolgs?

Ich versuche immer das zu geben, was ich kann. Es soll so sein, dass die Leute, wenn sie eine CD kaufen, für ihr Geld etwas bekommen. Wir geben uns jeweils die grösste Mühe mit der Verpackung und dem ganzen Artwork. Von daher ist mir lieber, wenn wir diesen Weg gehen, anstatt versuchen alles zu vereinfachen. Klar, das wird mit der Zeit auch kommen, aber im Moment hat es mir grossen Spass bereitet, ein Triple-Album zu machen.

„Alles kann besser werden“ blieb deutlich unter den Verkäufen früherer CDs. Wie zufrieden bist du mit dem Erfolg der CD?

Ach, ich bin super zufrieden. Man darf ja nicht davon ausgehen, dass man gleich viele Platten verkauft wie vorher, schon gar nicht, wenn man so ein dickes Ding macht. Ich habe zuvor schon gedacht, dass die Verkäufe ein Wahnsinn sind. Mir ist wichtig, dass ich weiterhin das machen kann, was wir immer getan haben und es muss niemand entlassen werden. Zudem ist es ja nicht so, man gleich in den ersten vier, fünf Monaten so viele Platten verkaufen muss, das kann ja über Jahre gehen.

Du hast das Artwork angesprochen. Das Cover der CD ist sehr rätselhaft. Kannst du etwas Licht ins Dunkel bringen und erklären, was es bedeutet?

Nicht wirklich. Das Bild stammt von einem holländischen Künstler und es hängt bei mir zuhause. Ich sehe das jeden Tag und habe mir zu der Zeit gedacht, dass das Motiv als Plattencover passend wäre. Also habe ich Chris Berens, der das Bild gemalt hat, angerufen und habe ihn gefragt, ob er sich das vorstellen kann. Er meinte nur: „Ist ja eh dein Bild.“ Allerdings hat er es noch ein bisschen vorbereitet und so ist es passiert. Ich finde, das Bild hat etwas Mystisches und die Figur, bei der man nicht weiss, was sie darstellt, hat zum Thema von Alles soll besser werden gepasst.

Ich würde dir gerne drei deiner Songs nennen und würde dich bitten, mir kurz etwas dazu zu sagen.

Söldnerlied (Vom Album „Alles kann besser werden“, 2009)

Für mich mit das wichtigste Lied auf dem Album. Ich versuche wo möglich Themen zu behandeln, die kontrovers sind und die mich vom Gefühl her gar nicht so stark betreffen. Trotzdem versuche ich mich jeweils in die Betroffenen hineinzuversetzen und spüre so oft, wie elend die Situation ist, in der diese Menschen sind. Für mich ist das eine Möglichkeit mich damit auseinanderzusetzen und Themen besser zu verstehen. Von daher ist mir das Söldnerlied schon wichtig.

Bist du am Leben interessiert? (Vom Album „Telegram für X“, 2005)

Ich liebe es, wenn ein Song viel Text an einem Stück hat und alles ein bisschen verschlungen ist, fast wie Rap. Das mag ich an diesem Song.

Freisein (Vom Album „Nicht von dieser Welt“, 1998)

Das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht. Es ist halt das erste Lied, mit dem mich die Leute wahrgenommen haben. Aber ich habe nicht so eine Beziehung zum Song.

Gibt es einen speziellen Grund, weshalb du Freisein nur noch selten oder gar nicht live spielst?

Es gefällt mir nicht mehr. (lacht laut)

Was für Projekte hast du als Nächstes geplant?

Klar, die Söhne Mannheims arbeiten wieder an einem Album. Dann gibt es einige kleine Projekte, die auf kleinen Bühnen stattfinden, etwas das ich mit Sasha, Rea von Reamonn und Michael Mittermeier mache...

...kannst du da mehr darüber erzählen?

Das ist doch noch voll geheim. (grinst)Vielen Dank für das interview und, dass du dir die Zeit genommen hast.

Das aktuelle dreifach Album, Alles kann besser werden, ist im Handel erhältlich.

Sämtliche Livebilder stammen vom Usgang.ch und wurden am Urban Festival gemacht. Die Fotostrecken sind HIER zu finden.

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