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9. August 2010, 00:00 Music Festivals

Der Stoff, aus dem Legenden gemacht sind

Melanie Pfändler - Zürich, pack deine Röhrchenjeans aus! Schon am Eröffnungstag hat das erste Zürich Open Air ein Line-Up zu bieten, das jedem Indie/Elektro/Alternative-Liebehaber ein spontanes Dankesgebet entlockt. Für die Einweihung des Festivalgeländes wurde ein Superlativ verpflichtet: Pl...

Zürich, pack deine Röhrchenjeans aus! Schon am Eröffnungstag hat das erste Zürich Open Air ein Line-Up zu bieten, das jedem Indie/Elektro/Alternative-Liebehaber ein spontanes Dankesgebet entlockt. Für die Einweihung des Festivalgeländes wurde ein Superlativ verpflichtet: Placebo, bekannt als eine der besten Live-Bands überhaupt. Dank einer „gigantischen Lichtinstallation“ soll der Auftritt in die Musikgeschichte eingehen. Schliesslich wird in Rümlang ein Mythos aus dem Boden gestampft, so das erklärte Ziel der Veranstalter. Mit Brian Molko und Kohorten als Headliner stehen die Chancen schon mal nicht schlecht. Und dank der neu entdecktem musikalischen Leichtigkeit dürften auch beschwipste Frohnaturen an der Band Gefallen finden. Ihre sechste Scheibe „Battle for the Sun“ ist laut Molko nicht Pop, nicht Rock, sondern „Hard Pop“. Es widerspiegle den bewussten Entscheid, die Dunkelheit hinter sich zu lassen, das Leben zu wählen und sich dem Sonnenlicht zuzuwenden.
Krawatten für den Weltfrieden

Etwas weniger post-suizidal präsentiert sich der zweiten Freitags-Knüller: The Hives. Ihre Songs bringen die Massen zum Kochen, ihre Anzüge sind massgeschneidert und ihre Zitate machen selbst Woody Allen-Quotes Konkurrenz: „The world would be a better place if more people wore ties.“ Aha.
„The Black and White Album“, die letzte Hives-Platte, wurde unter anderem von Pharell Williams und Timbaland produziert. Und lehrt uns: Das muss trotz den One Republic- und Nelly Furtado-Debakeln nicht gleich was Schlechtes bedeuten. Wenn man das Album nicht kenne, könne das nur daran liegen, dass man die letzten zwei Jahre in einem Erdloch gehaust habe, behauptet die Band. Die fünf In-Dandys sind zwar nicht gerade für ihre Bescheidenheit bekannt, aber ganz Unrecht haben sie nicht. Nicht umsonst hat sich die Band nach einer Hautkrankheit benannt: „We irritate people. We get under their skin“, erklärt Bandleader Howlin‘ Pelle Almqvist. Der neueste Wurf dürfte sich eher auf der Haut des geneigten Hörers festkleben: „Tarred and Feathered“ erscheint im Herbst; Hives-Hungrige können bereits drei Songs daraus herunterladen. In einem Lied stirbt die Zivilsation aus, das zweite dreht sich um eine nasty Sekräterin. Nesselsucht vom feinsten!
Doch auch abseits der grossen Bühne darf fröhlich gefeiert werden – und das schon am frühen Nachmittag. Die Ehre, das Festival zu eröffnen, fällt dem Luzerner Rock-Vehikel 7 Dollar Taxi zu. Wenn man den hüte-zückenden Kritikern Glauben schenken darf, haben sich die vier Jungs das auch redlich verdient. Das Online Musikmagazin „Room Thirteen“ prophezeite ihnen eine gloriose Zukunft ("I reckon Swiss pop-rockers 7 Dollar Taxi are going to be bloody huge") und der Musikmeinungsmacher vom Dienst, die britische Zeitschrift NME, verlieh ihnen den Status einer „Breaking Band“. Doch nicht nur die Presse, auch die Fakten sprechen für sich: Ein Vertrag mit einer japanischen Plattenfirma. Auftritte mit den Babyshambles und Maxïmo Park. Airplays auf australischen und philippinschen Radiostationen. Dafür würde so manche Nachwuchsband ihre Seele dem Teufel verkaufen.Doch trotz des internationalen Erfolgs stehen die von Arx-Brüder und ihre Kumpanen zu ihren Wurzeln. Denn eigentlich sind sie ja nur vier Buben aus dem Mittelland, die gerne Musik machen: Soeben haben sie den offiziellen Werbe-Song der Schweizer Jugendherbergen eingespielt. „Looking like you need some sleep“ klingt wie ein vielversprechendes Sequel zum Durchbruchs-Hit „Do the Robot“: Erst wird getanzt, dann umgefallen.


Es ist schön, weil es schwedisch ist

Falls man den Internet-Auftritt als Orakel für die reale Show herbeiziehen darf, könnten die Local Natives beim Zürcher Publikum interessante Nebenwirkungen auslösen. Die Homepage der fünf Kalifornier kommt so psychedelisch-verstörend daher, als hätten sich Ronja Räubertochter, Salvador Dalí und ein mit einer Polaroidkamera bewaffneter Schimpanse zusammen an einen Tisch gesetzt und gesagt: „So, und jetzt machen wir was Schönes.“ Die wilde Artwork-Video-Collage ist allein schon einen Blick wert. Doch auch der band-eigene Blog hat so Einiges zu bieten:„The pound is my favorite coin in the world. I like that its the perfect size/weight and that it looks like Pirate Booty. I like our new Sprinter Van. It doesn't have a leaky roof and my knees have room to hold normal conversations with the other knees around them without feeling self conscious about being a 'close talker'.“ Sweet!
Selbstverständlich darf an einem Indie-Festival die schwedische Musik-Delegation keinesfalls unterverteten sein. In Zürich kommt sie neben The Hives gleich sechsfach zum Zuge, was die angenehme Konsequenz hat, dass schon am Nachmittag grosse Nummern aufspielen. So etwa die Shout Out Louds um 16:40 Uhr auf der Hauptbühne. Netter Fun-Fact: Bei ihrer Gründung hiess die Band noch „Luca Brasi“, musste sich allerdings umbennen, da sich schon eine andere Band mit diesem Namen schmückte. Man staune und lerne: Immer brav googlen, am besten vor der Taufe.

Hippies, Housies und Hintern-Schüttler

In diesem Sinne geht es weiter. Dass es sich bei Sleepy Sun um eine waschechte (oder ungewaschene?) Hippie-Formation handelt, verraten schon die Titel ihrer ersten drei Veröffentlichungen: „White Dove“, „New Age“ und „Embrace“. Ein Kritiker von „Pitchfork“ kommentierte: „Songs that still move you after the drugs wear off.“ Na, das klingt doch vielversprechend. Die dänische Band Kashmir überzeugt mit glasklaren Melodien, markanten Vocals und intelektuell angehauchtem Soft-Rock. Zu später Stunde lässt sich dafür zu Groove Armada, Booka Shade und Crystal Fighters ganz wunderbar das Tanzbein schwingen. „Groove Armada“, das Crossover-Duo aus Cambridge, ist für folgende Hinterteil-Hymne verantwortlich: „I see you baby, shakin‘ that ass“ – diese Zeile dürfte auch Armada-Ignoranten ein Begriff sein. Booka Shade vertreten die deutsche Elektro-Szene. Mitte Juli musste ihr Set am Londoner Lovebox Festival abgebrochen werden, weil ihnen die Fans das Festzelt einrannten. Fortsetzung folgt? Auch auf die katalanischen „Crystal Fighters“ darf man gespannt sein. Die Kristallkämpfer sehen aus, als seien sie einem Herr der Ringe-Film entsprungen: Viel Haare, viel Kajal, bedeutungsschwangere Blicke – ganz schön viel Attitüde für eine Truppe, die noch über keinen englischsprachigen Wikipedia-Artikel verfügt und erst im September ihr Debütalbum rausbringt. Doch der Rhythmus des baskischen Instruments Txalaparta und die entfesselte Bühnen-Show macht das Quintett zu einem echten Geheimtipp. Hübsches Schmankerl: Bei jeder Show spielen die Monster-Dancer neues Material.

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Kommentare
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LarissaLuana 06.08.2010 um 01:38
und natürlich auch mit dabei: mando diao! nicht nur was fürs auge....