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30. Oktober 2010, 05:21 Kolumnen

Shots no. 12: California, träumend

Dominik Mösching - Die Bar schrie. Während sich die Leute in den Armen lagen und auf den Tischen tanzten, studierte ich konzentriert die Wiederholung des Schlags. Ich guckte, wie ein Baseball-unkundiger Europäer halt eben guckt: Angestrengt.

Hastig prostete ich den Feiernden zu. Nicht, dass die mich noch als gegnerischen Fan interpretieren, dachte ich. Etwas später stand der Sieg fest. Die San Francisco Giants hatten die Texas Rangers mit 11 zu 7 geschlagen.

Zwar haben die World Series, wie die Finalspiele des US-Baseballs mit der typisch amerikanischen Bescheidenheit genannt werden, erst gerade begonnen. Doch die Giganten machen sich grosse Hoffnungen, den, nun ja, Weltmeistertitel zum ersten Mal in die Bay Area zu holen. So vibrierte die ganze Stadt noch lange nach dem Spiel, was auch auf Baseball-Rookies wie mich durchaus ansteckend wirkte.

Wie ich danach erfuhr, waren die Giants bis 1954 schon sechs Mal Meister. Sie spielten damals noch in New York. Dass man komplette Sportklubs einfach so vom einen zum anderen Ort transferieren kann, mutet für Europäer mit gefestigten Sportidentitäten ungewohnt an. Ich stellte mir vor, es spielten die Young Boys Basel gegen Galatasaray Berlin und Real Barcelona gegen Milan United. Das wär’ ein Fest, dachte ich.

Ein bisschen unbeschwertes Festen könnten die Kalifornier übrigens wieder einmal gut gebrauchen. Die weltweit zehntgrösste Volkswirtschaft trägt einen der besten Brands der Erde zwar bereits im Namen (wer projiziert nicht all seine persönlichen Träume in den Begriff California?). Doch wenn im Zuge der Immobilienkrise gegen die Hälfte der Hausverkäufe auf Zwangsversteigerungen zurückzuführen ist und selbst Gigant Schwarzenegger als Gouverneur zum Zwerg schrumpft, guckt auch der hartgesottenste US-Optimist kurz nachdenklich.

Um danach gleich wieder das stete Mantra des amerikanischen Traums – von Obama mit den drei Wörtern Yes, We und Can genial zusammengefasst – aufzunehmen, die Brust zu schwellen und stolz auf all diese gigantösen Superlative zu verweisen, die die USA und speziell Kalifornien zum Massstab für alle anderen machen. 11 zu 7, you know!

P.S.: Ich wollte den Artikel eigentlich mit „Die Traumfabriken in den Köpfen der Menschen dürfen nicht schliessen“ betiteln. Aber das hätte zu sehr nach Tocotronic geklungen, dachte ich.

In Kalifornien lebt man auf grossem Fuss.

Am schnellsten, am reichsten, am weitesten oder, wie hier, am grössten: An der Avenue of the Giants findet man die höchsten Bäume der Erde.

Seelöwe mit stolzgeschwellter Brust am Pier 39, San Francisco.

Ein bisschen unbeschwertes Festen.

Und zum Schluss noch dies: Portland, Oregon feuert einen Berner Ballsportverein an.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

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