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8. November 2010, 22:34 Music Interview

DJ Ötzi: Es war aussergewöhnlich, ein Konzept von vorne bis zum Schluss mit Emotionen zu füllen

Patrick Holenstein - Es ist November und 15 Grad warm, als ein gut gelaunter DJ Ötzi Students empfängt. Anlass war das neue Album, Du und ich. Gerry Friedle, wie der Sänger bürgerlich heisst, erzählte sehr offen, wie die Arbeit am Album für ihn war und gibt Einblicke in sein Innerstes. Du und ...

Es ist November und 15 Grad warm, als ein gut gelaunter DJ Ötzi Students empfängt. Anlass war das neue Album, Du und ich. Gerry Friedle, wie der Sänger bürgerlich heisst, erzählte sehr offen, wie die Arbeit am Album für ihn war und gibt Einblicke in sein Innerstes.

Du und ich, dein aktuelles Album, klingt ambivalent, so als wärst du mitten in einem Prozess. Zwar ist DJ Ötzi noch immer da, aber es sind doch auch nachdenkliche Stücke drauf. Woher kommt diese Veränderung?

Ich diene generell dem DJ Ötzi, weil er mich gross gemacht hat. Aber ich habe genau so eine ruhige, eine schüchterne Seite und die wurde von mir selber sehr lange zurückgestellt. Ich glaube aber, um mein Publikum, meine Fans und Freunde auf die Reise mitzunehmen, will ich mich nicht von heute auf morgen verändern. Deswegen habe ich zwei, drei schnellere Nummern, nicht einmal unbedingt Partykracher, auf das Album genommen, während die langsamen Nummern ein kurzer Seeleneinblick (unnötig und stört etwas) sind, wie ich die Welt sehe.

Besonders sticht "Tauch auf" heraus. Der Text suggeriert, dass du wieder an die Oberfläche gekommen bist, wieder atmen kannst. Wie siehst du das?

Da ist absolut etwas dran, weil ich, nicht dem Selbstmord im wörtlichen Sinne nahe war, aber dem Mord, weil ich meine Seele nicht gehört habe. Die Arbeit hat einfach alles bestimmt. Und jetzt bin ich der Meinung: „Hey Alter, atme durch!“ Es ist mir einfach nie gelungen, den Zyklus zu finden, zwischen Ein- und Ausatmen und so langsam gelingt mir das. Ich finde aber fantastisch, dass dir das so aufgefallen ist, weil die Nummer genau das aussagt, was auf dem Album der entscheidende Punkt ist.

Der andere ist Herz aus Gold. Die melancholische Ballade zählt sicher zu den markantesten Songs auf der Platte. Wieso hast du ihn auf die CD genommen?

Ich habe dem Doktor Michael Kunze die Geschichte meiner Oma erzählt. Vielleicht, um ein besseres Bild zu haben, da man ja das Leben meiner Oma und mir nicht kennt. Kannst du dich an die Frau mit dem blauen Edelstein in Titanic erinnern? Am Ende ihres Lebens lässt sie den Stein fallen und sagt so symbolisch: „Ich lass los und komme zu dir.“ Meine Oma hat ein sehr groses Herz und ich möchte den Song so betitelt wissen, weil meine Oma das Herz aus Gold ist. Meinem Grossvater habe ich auf der letzten CD ein Lied geschenkt und ich wollte, dass meine Oma noch erlebt, dass sie ein Lied von mir bekommt.

Der Text stammt von Michael Kunze, der im deutschsprachigen Raum einen sehr bekannten Namen hat. Seine Lieder stehen auf dem Album ein wenig für den „neuen“ Ötzi. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Die Geschichte mit Michael Kunze war sehr spannend, weil wir fast zwei Jahre gekämpft haben um diese Legende. Das ist fast so, wie wenn John Wayne und Clint Eastwood mit mir einen Western drehen würden. Dario Farina und Michael Kunze in einem Boot zu haben, ist grandios. Dann hat Michael Kunze mich eingeladen und hat aber fast eine Stunde lang den Schreiber nicht in die Hand genommen. Ich hab ihm in der Zeit von meinem Leben erzählt. Plötzlich fängt er an zu schreiben und hört gar nicht mehr auf. Und ich war in meinem Seelenleben total glücklich darüber, dass ich ihn überzeugen konnte, dass in mir weitaus mehr steckt, als „nur“ der Anton (Anton aus Tirol war der Durchbruch für DJ Ötzi. Anm. d. Red.). Natürlich bin ich froh, dass ich den Anton gehabt habe und speziell auch den Stern, weil ich dadurch die Freiheit habe, mehrere Sachen offen zu legen, einfach klar meine Gedanken zu zeigen, mutiger zu sein, mitzuschreiben, mitzukomponieren und auch selber zu schreiben. Diesen Weg konnte ich früher nicht gehen, weil ich nicht mutig genug war.

Auf der CD macht es den Anschein, dass Florian Ast mit seinen Songs eher in Richtung des typischen Stils von DJ Ötzi geht. Es wirkt sehr gezielt und berechnend. Wie siehst du das?

Florian ist ein weitaus unterschätzter, genialer Schreiber. Dass er sich bei zwei Liedern darauf eingelassen hat, einen Schlager zu schreiben und das sehr gut funktioniert hat, beweist das. Ohne dich zum Beispiel ist aussergewöhnlich gut, das ist wirklich seine Schreibart, was ich von ihm zwar nicht verlange, aber mir wünsche. Florian ist wirklich unterschätzt, weil er ähnlich sensibel ist, wie ich, aber auch ein Rohdiamant. Wenn man ihn in dem Arm nimmt, wenn er es zulässt, dann ist er wirklich aussergewöhnlich gut. Was du ansprichst, ist meiner ehrlichen Meinung nach so nicht ganz richtig.

Ich wollte damit nicht Florian Ast angreifen, aber bei Amore drängt sich der Gedanke schon auf, dass der Song eng an den Stern angelehnt ist...

... ich glaube aber, dass er da momentan tatsächlich in einer Unruhe ist, er persönlich. Weil, wenn er wissen würde, wie genial er in seiner Art zu schreiben tatsächlich ist, würde er so etwas nicht machen. Aber er hat es gemacht und ich bedanke mich dafür, weil es der falsche Weg wäre, ihn dafür anzuklagen. Das steht mir bei Gott nicht zu. Lustigerweise ist die Nummer das Lieblingsstück meines Steuerberaters. Vielleicht genau wegen dieser Melodie. Ich wollte das Stück aber bewusst auf die Platte nehmen, um einfach dem Florian zu zeigen, dass er sich auf mich verlassen kann, auch wenn es noch nicht so meins ist. Ich sehe in Florian Ast ganz etwas anders, Songs wie Ohne Dich zum Beispiel, ich seh ihn bei Tränen oder Hotel Engel, wo er Bilder erzeugt, die ein Picasso nicht besser hätte malen können. Aber momentan lädt er sich viel zu viel auf. Ich kann ihn nicht ändern, aber wenn er versteht, was ich jetzt hier ausgesagt habe, wäre ich sehr dankbar, weil er wirklich ein genialer Freund und ein genialer Schreiber ist.

Gibt es einen Song auf der Platte, der dir besonders nahe ist?

Ich habe mich tatsächlich in jeden einzelnen verliebt, bis auf Amore. Ich komme mit dem Song noch nicht zusammen, aber beim Einsingen war es schon tricky, weil der Gesang rauf und runter geht und trotzdem schlüssig ist. Von der Komposition her ist der Song einfach gedacht, aber nicht banal ausgeführt. Tatsächlich war das Konzept so, dass ich in die Songs ein Gefühl geben wollte, das unbeschreiblich ist. Unbeschreiblich heisst für mich, nicht einfach runter zu lesen oder auswendig zu lernen, sondern die Verliebtheit, jeden Song als Frau zu sehen. Schon immer die gleiche, nämlich meine Frau. Es ging darum, wie nähere ich mich dieser Frau an? Wie weit muss ich gehen, um sie für mich zu gewinnen? Dieses Gefühl ist irrsinnig stark. Ich war nach dem Album leer, ich wollte mit niemandem reden, wollte keinen sehen, wirklich nur alleine sein. Weil ich im Studio so alleine war. Ich hatte kein Publikum vor mir, die meine Arbeit hätten bewerten oder mir Energie zurückgeben können. Es war aussergewöhnlich, diese Geschichte so zu erleben, also tatsächlich ein Konzept zu haben und dieses von vorne bis zum Schluss mit Emotionen zu füllen.

Ein Stern ist ja schon zehn Jahre alt und es gab vor dir schon andere Versionen. Wie erklärst du dir den extremen Erfolg eurer Version?

Ich glaube, und auf das beharre ich bis zum Ende meiner Tage, dass mein Chef mich dafür ausgesucht hat und nicht ich das gefunden habe. Ich mache ja nicht mehr als jeder andere, ich bin nicht mehr Mensch oder weniger Mensch als jeder andere. Was es wirklich ausmacht, dass es so viele Leute berührt, wenn ich es singe - es war ja beim Anton ähnlich, auch den Song haben 15 Leute vorher gemacht, haben keine 500 Platten verkauft und wir danach 1, 7 Millionen Platte verkauft - ist, glaube ich, dass ich dankbar und demütig und vor allem fleissig bin und bleibe. Ob das so ist, sei dahingestellt, aber ich glaube, so lange ich bleibe wie ich bin, mich weiterentwickle und versuche, aus den Talenten, die er mir gegeben hat, etwas zu machen, solange gibt Gott mir auch die Chance, Erfolg haben zu dürfen.

Dieter Thomas Heck hat mal in einem Interview mit der Welt gesagt, deine Lieder würden „plötzlich eine Explosion in die Herzen der Menschen bringen.“ Könnte er damit Recht haben?

Ja, denn ich bin nur ein Leiter. Man kann mich dafür gerne als verrückt erklären, man kann sagen, ich sei deppert, aber ich glaube, dass ich nur ein Leiter bin. Weil ein Lied schreibst du ja nicht nur selber. Das Glück zu haben, in zwanzig Minuten einen Song wie Ein Stern zu schreiben, der dir einfach so von der Hand läuft, das ist ein Glück, das nur von oben kommen kann. Bitte, lasst mich so demütig bleiben, denn nur so bin ich glücklich.

DJ Ötzi - Herz aus Gold

Das Album "Du und Ich" ist im Fachhandel erhältlich.

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