18. März 2008, 00:28 CD / Vinyl Music

Calvin Harris ist also derjenige, dem wir Disco zu verdanken haben. Mit seiner unbescheiden I Created Disco genannten Platte zieht der Schotte alle Register der gerade ziemlich angesagten 80er-Sounds. Ein paar Tanzbodenstampfer hier, ein wenig Falsettgesang dort und ein paar lustige Soundeffekte – fertig ist der Retro-Mix. Dazu gehört natürlich auch der selbstironische Auftritt und einige Anekdötchen zum Drumherum, um die korrekte Attitüde zu illustrieren. Das Album sei komplett in Eigenregie auf dem Steinzeit-Computer Amiga produziert worden, lesen wir auf der offiziellen Homepage. Moment, Amiga? Eben, die 80er. Nun, und dann ging es weiter, wie so eine Geschichte im 21. Jahrhundert eben weitergeht. Myspace-Seite, Entdeckung, Plattenvertrag, Zusammenarbeit mit Kylie Minogue. So weit, so gut. Schieben wir also die Platte mit dem ziemlich trashigen Cover mal in den Player!

Track Nummer eins, die aktuelle Auskopplung Merrymaking At My Place, kann mit seiner catchy Bassline und minimalistischen Beats gleich überzeugen, und auch Colours tönt nicht übel. Auch wenn der Text hanebüchen ist. Aber gut, offenbar steht Calvin Harris nicht so auf unfarbig angezogene Mädchen. Aber eigentlich mag (und kriegt) er sie dann doch alle, wie er uns ein bisschen später offenbart (The Girls). Liebe und Umarmung spendet Calvin danach in Acceptable In The 80s allen, die in den 80ern geboren wurden. Kein Wunder, hat der nette Mann bei so viel Sympathieerklärungen 87331 Myspace-Freunde (Stand: 16. März 2008).

Besonders überzeugend wirken die 80er-Glorifizierungen unter anderem deshalb, weil gewisse Sound-Einsprengsel liebgewonnene Kindheitserinnerungen aufleben lassen. Wer damals auf dem Amiga oder auf einer Konsole wie dem Sega Mega Drive wunderbar kultige Games gespielt hat, wird bei Neon Rocks sofort leuchtende Äuglein bekommen. „Tönt wie die Spring Yard Zone bei Sonic 1“ könnte dann so ein wehmütiger Kommentar sein. Der Titeltrack schliesslich scheint dem Endgegner-Level von irgend einem anderen pixeligen Jump’n’Run entlehnt zu sein. Dessen Name habe ich aber leider vergessen.

Ob uns Calvin Harris’ Name ebenfalls bald entfallen wird? Wir werden es sehen. I Created Disco ist auf jeden Fall eine durchaus vielfältige Tanz-Platte mit wenig Totalausfällen, sieht man einmal vom schleimigen Electro Man und dem noch schleimigeren Love Souvenir ab. Die Texte sind zwar reichlich gaga, aber will auf dem Dancefloor schon das Hirn anwerfen? Da bleibt für mich nur noch die Frage, wie viel Zeit man eigentlich bei myspace verbringen muss, um neunzigtausend Freunde persönlich zu akzeptieren. Oder macht das die Plattenfirma für einen? Weil kann man mit einem Amiga überhaupt aufs Internet? Nun ja. Vielleicht will ich das alles gar nicht wissen.

Artist: Calvin Harris

Album: I Created Disco

Label: Musikvertrieb / Ministry Of Sound

Release: 28.03.2008