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17. November 2010, 05:49 Kolumnen

Shots no. 14: Nur ein Spiel?

Dominik Mösching - River Plate gegen Boca Juniors: Der Superclásico, das berüchtigte Derby zwischen den beiden Traditionsvereinen, lässt die Herzen von Fussballfans aus aller Welt höher schlagen. Nur ein Spiel?

Die beiden Hauptstadtklubs aus Buenos Aires haben in den hundert Jahren ihres Bestehens die argentinische Gesellschaft unter sich aufgeteilt. Je gut ein Drittel der Bevölkerung soll Anhänger von Boca respektive River sein. Lediglich dreissig Prozent schreien also für andere Klubs oder bleiben bei Fussball stumm – klar, dass der Superclásico hier schon Tage vor dem Spiel Gesprächsthema Nummer eins ist. Gerade erst in Argentinien angekommen, ist für mich somit ein Besuch des sagenumwobenen Klassikers Pflicht. Die Mythen eines Gastlandes wollen erforscht werden.

Auf der Shuttlebusfahrt werden wir gebrieft wie vor einem mittelschweren Militäreinsatz. Unbedingt zusammenbleiben; Um Himmels willen auf Wertsachen achten; Ja keinen Anflug von Freude zeigen, falls Boca ein Tor schiessen sollte (wir hatten Tickets für River, das Heimteam). In gespannter Erwartung sehen wir das Stadion in der Ferne auftauchen. River Plate, heute im Reichenviertel Nuñez beheimatet, stammte ursprünglich wie die Juniors aus La Boca, dem armen Hafenquartier der argentinischen Kapitale. Nach dem Umzug in den 1930er Jahren waren die Rollen verteilt. River, das waren fortan die Reichen. Boca wurde zum Stolz der Arbeiter.

Nachdem wir in der Nähe des Stadions die Tickets vorweisen, passieren wir eine Sicherheitskontrolle. Gleich darauf zeigen wir die Tickets ein zweites Mal und stehen für die nächste Durchsuchung an. Schliesslich dürfen wir die Drehkreuze zu den Stiegen unter Aufsicht betätigen, natürlich nicht ohne die Tickets noch einmal zu zücken. Die Botschaft ist klar: Bau keinen Mist. Veständlich, denn in den 1990ern eskalierte die Fehde. Es gab Tote. So ermordeten 1994 Boca-Anhänger nach einem 2:0 Sieg für River zwei gegnerische Fans. Der grausame Kommentar, der auf Graffitis in der Stadt zu lesen war, lautete „Empatamos. Wir haben ausgeglichen“.

In den letzten Jahren hat sich die Lage glücklicherweise wieder etwas beruhigt, die Klubs haben zum Frieden aufgerufen. Geblieben ist eine unbändige Passion, die sich in aufwändigen Choreografien, mitreissenden Perkussionsrhythmen und ohrenbetäubenden Schlachtgesängen äussert. Das Stadion und wir Ausländer auf den Rängen erzittern, als die Gladiatoren einlaufen. Die geschmetterten Zeilen und aufgehängten Spruchbänder sind nichts für zarte Gemüter, und im Laufe des Spiels sorgt Feuerwerk, das auf den gegnerischen Rängen landet, dafür, dass der Puls weiter steigt. Zum Schluss rollen die River-Fans noch einmal ihr gigantisches Transparent aus, um die vierzig gesetzlich verordneten Minuten Wartezeit im Stadion – Zweck: Räumen des Gästesektors – zu überbrücken.

War da noch etwas? Ach ja. River gewann 1:0 und befindet sich in der Meisterschaft auf Rang acht. Boca ist nur Fünfzehnter. Das Spiel war schwach und entsprach damit dem Niveau zweier Mannschaften aus dem Niemandsland der Tabelle.

Fussball. Nur ein Spiel? Zum Glück nicht immer ausschliesslich.

Das Estadio Monumental Antonio Vespucio Liberti, Heimstätte River Plates.

Aufwändig, mitreissend, ohrenbetäuend: Choreografien der Fans.

Bau keinen Mist.

Nimm tonnenweise Zeitungen, gebe sie den Fans. Fertig ist der Konfettiregen.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

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