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2. Dezember 2010, 08:06 Kolumnen International

Wild, Wild West # 4: Living Blue

Samuel Schumacher - Indianer, die einem am Lagerfeuer mystische Stories zuflüstern? Ja, das gibts noch. Auch wenn man dabei als Modern Day Citizen gan schön viel einstecken muss...Die kleine College Stadt Flagstaff ist Heimat der Northern Arizona University, an der ich seit bald drei Monaten US-Co...

Indianer, die einem am Lagerfeuer mystische Stories zuflüstern? Ja, das gibts noch. Auch wenn man dabei als Modern Day Citizen gan schön viel einstecken muss...

Die kleine College Stadt Flagstaff ist Heimat der Northern Arizona University, an der ich seit bald drei Monaten US-College-Luft schnuppere und mich mit historischen Ansichten der hiesigen Academia auseinandersetze. Flagstaff ist aber auch die Heimat einer der grössten Native American („Indianer“) Gemeinden im Land. Die Navajo Nation, das größte Reservat Nordamerikas, beginnt nur wenige Meilen nordöstlich der Stadt und erstreckt sich weit hinauf bis in die roten Felsgebiete Utahs. Wer in diesem Gebiet auf Outdoor-Erkundungstour gehen will, braucht entweder einen relativ teuren Permit oder einen indianischen Freund, der einem mit in die Canyonlandschaft nimmt.

Seit ich Sean vor ein paar Wochen in der NAU-Kantine eine Pizza bezahlte, habe ich einen solchen Freund und bin nicht mehr auf Navajo-Permits angewiesen. Vor zwei Wochen hat mich Sean mitgenommen auf eine Kletter-Trip in die südlichen Canyons der Navajo Nation. Es war fantastisch schön. Aber, romantische Landschaftsschilderungen sind auf students.ch wohl fehlplatziert. Also reiss’ ich mich mal am schreiberischen Riemen und komme zum Punkt:

Am Lagerfeuer am Abend hat mir Sean in indianischer Manier alte Geschichten und Mythen aus der Region erzählt. Die Navajos sehen die Welt noch immer in antik-anmutenden Bildern, sprechen von Flussmonstern, Berggeistern und Skin-Walkern (eine Art oldschool Freddy Krueger, der in den Träumen der Indianer erscheint und sie in die ewigen Jagdgründe geleitet). Nur das Leben nach dem Tod – interessanterweise – spielt in der Navajo-Mythologie keine Rolle. Sean erzählt mir also von all diesen Dingen, mir wird ein wenig mulmig beim Blick in die nächtliche Steppe um unseren Lagerplatz. Und ich frage ihn, ob er das denn wirklich alles glaubt. Ja, meint Sean, er sähe das als eine gute Alternative zum „Living Blue“. Living Blue? So bezeichnen die Navajos den Lebensstil moderner Weißer: gefüllt mit Konsum, Prahlerei und Konkurrenz. Gezeichnet durch einen Mangel an Glauben, Mythologie und Fantasie. Alle sind grau und gleich, teil einer sich durchs Leben wälzenden Masse.

Living Blue… Irgendwie haben Sean und seine Navajos ja recht. Klar konsumieren wir alle in etwa das Gleiche. Klar prahlen wir. Klar konkurrieren wir miteinander. Und ja, Glauben und mythologische Fantasie haben in meiner Welt wirklich nicht viel Platz. Ich halte mich lieber ans Konkrete, an die „hard facts“, wie man das hier nennt. Ich bin Teil dieser sich vorwärtsrollenden Masse, grau und gleich. Aber hey: ganz so grau und gleich bin ich dann doch nicht! Immerhin bin ich hier noch nie bei McDonalds eingekehrt. Immerhin nehme ich für meinen 200-Meter Schulweg nicht das Auto, sondern laufe. Und immerhin glaube ich nicht, dass Obama ein sozialistischer Moslem ist! Living Blue? Ja sicher, aber at least my way!

Schau doch mal auf www.insideusa.ch vorbei. Würde mich freuen…

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