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13. Januar 2011, 16:27 Kultur

"Werther" mit Lotte und Albert

Thibault Schiemann - Seit dem 12. Januar lassen sich in Vidmar:2 die Leiden des bekanntesten Selbstmörders der deutschen Literatur mit verfolgen. Mit „Werther“ bringt Regisseur Max Merker ein lustiges, zugleich trauriges Stück auf die Bühne, das nicht zuletzt dank der Schauspieler einen spann...

Seit dem 12. Januar lassen sich in Vidmar:2 die Leiden des bekanntesten Selbstmörders der deutschen Literatur mit verfolgen. Mit „Werther“ bringt Regisseur Max Merker ein lustiges, zugleich trauriges Stück auf die Bühne, das nicht zuletzt dank der Schauspieler einen spannenden neuen Blick auf das Schicksal jenes Liebenden gewährt.

Auf der Bühne befinden sich lediglich drei Stellwände, die sich an zwei Stellen öffnen lassen. Nach links geben sie den Blick frei zum Notausgang: die Freiheit, jederzeit gehen zu können, eine Hintertür zu benutzen. Werther wird diese Tür ein paar Mal öffnen, bevor er letzten Endes durch sie hindurch schreitet. Rechts neben der Bühne befindet sich ein DJ- Pult, hinter dem sich ein grösserer unbeleuchteter Platz ausdehnt. Diese Bühne betritt Werther frohen Sinnes und beginnt sodann, von seinen ersten Eindrücken in der Kleinstadt zu berichten: „4. Mai 1771“ – der Zuschauer wird nie darüber im Ungewissen gelassen, von welchem Tag gesprochen wird.

Das Schicksal des Werther ist wahrlich starker Tobak: Mit Leib und Seele verliebt er sich in die junge Lotte, die ihrerseits die Liebe erwidert, dummerweise aber bereits mit dem braven und guten Albert verlobt ist. Zum Glück ist dieser momentan verreist und das Liebespaar frönt seinem Glück. „30. Julius.“ Albert ist zurück und verspürt, verständlicherweise, wenig Lust, das Feld zu räumen. Da nun äussere gesellschaftliche Umstände eine Trennung der Verlobten verhindern, muss Werther am Ende auf Lottes Liebe verzichten. Dies wäre nicht weiter schlimm, wenn Werther nicht eben Werther wäre. „Sturm und Drang oder was?“, bemerkt Lotte an einer Stelle ironisch, leider aber richtig und für Werther gibt es nur einen Ausweg: den Selbstmord.

Was seinerzeit (1774) zu enthusiastischen Nachahmungen führte, würde heute wohl eher peinliches Hüsteln ob des ganzen Pathos evozieren. Darin liegt der grosse Verdienst dieser Inszenierung: Ohne das Tragische der Geschichte zu verlieren, wird das Pathetische mit komischen Elementen gebrochen. So verteilt z.B. Lotte Toastbrot an das Publikum, der Maler Werther drückt seine ganze Kreativität damit aus, dass er das Wort „Kunst“, später „Büro“ auf eine der Wände schmiert, und die zwei tanzen statt eines klassisch begleiteten Contretanzes wie Jugendliche in einer Disko des 21. Jahrhunderts zu den Beats eines DJs.

Sehenswert macht diese Fassung, die übrigens von Max Merker selbst geschrieben wurde, vor allem die Betonung der beiden anderen Figuren Lotte und Albert. Man hört nicht immer nur Werthers Briefen/Monologen zu, sondern auch denen der anderen beiden. Lotte und Albert zeigen dadurch ein anderes Figurenbild, da sie nicht ständig aus der Perspektive Werthers geschildert werden müssen. Werther selbst wird dadurch stärker kontrastiert: Er ist nicht das einzige Opfer seiner Gesellschaft, dessen Tod sie aus Unverständnis verschuldet. Nicht nur er leidet, sondern auch Lotte und Albert ringen in diesem Dreieck um ihr Glück.

Dieses Stück ist ein Muss für alle in blau-gelben Anzügen, Empfindsame, Humorvolle, Humorlose und Theaterliebhaber. Auch Schülern, die das gelbe Reclam-Heftchen in der Schule haben lesen müssen, ist geraten, den Besuch nicht betrunken anzutreten*: ein guter Text, eine gelungene Inszenierung, drei brillierende Schauspieler, ein exzellenter Abend (und kein morgendlicher Kater).

Regie: Max Merker

Schauspieler: Werther: Sebastian Edtbauer Lotte: Mona Kloos Albert: Fabian Guggisberg

Dauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause

Vorstellungen gibt es bis zum 30. März 2011. Für weitere Informationen siehe http://www.stadttheaterbern.ch/624-werther.html|

*Leider durfte ich Zeuge sein, wie Schüler sich aus Verdruss, ins Theater gehen zu müssen, ereiferten, vorher viel zu trinken. Einer unter ihnen verliess denn auch vorzeitig den Saal.

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