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7. Februar 2011, 15:54 Kultur

Was versteckt Monsieur da in seinem Schrank?

students Redaktion - Jean-Baptiste Camille Corot war im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts ein gefragter Landschaftsmaler, seine Bilder meisterhafte Kunstwerke bezaubernder Landschaften. Doch der angesehene Künstler interessierte sich auch für die Menschen, verschloss diese Werke aber vor sein...

Jean-Baptiste Camille Corot war im Frankreich des neunzehnten Jahrhunderts ein gefragter Landschaftsmaler, seine Bilder meisterhafte Kunstwerke bezaubernder Landschaften. Doch der angesehene Künstler interessierte sich auch für die Menschen, verschloss diese Werke aber vor seiner Umwelt in einer Art Geheimschrank, so sagt es zumindest die Legende.

Dieses Geheimnis lüftet nun die Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ in Winterthur mit ihrer Ausstellung „Corot L’Amoire scrète Eine Lesende im Kontext“. Mittlerweile ist es die vierte Studienausstellung, diese beleuchtet den Aspekt der Figuren, welcher er letztmalig 1962 im Pariser Louvre betrachtet wurde. Dessen Museumsdirektor Vincent Pomarède verdanken sich zahlreiche Kenntnisse und Leihgaben der, zur zum Mythos erhobenen, privaten Angelegenheit des Malers, die in Ausstellung und Katalog eingeflossen sind.

Im Museum, dass oberhalb Winterthurs an einem idyllischen Waldhang liegt, wird der Besucher in lindgrünen Räume mit honiggelben Parkett geführt, das üppige Gold der meisten Bilderrahmen korrespondiert wunderbar mit den ausgestellten Werken. Im Eingang hängt eine Landschaft „Aussicht bei Narni“, die nicht nur durch das helle Sommerlicht, das auf einen breiten sandfarbenen Weg, einen milchig blauen Himmel und einen spiegelglatten Fluss fällt, besticht. Stattdessen weisst Mariantonia Reinhard-Felice auf den sich bückenden Bauern im Schatten hing. Er ist isoliert von den farbenfrohen Frauen, die im Licht sitzend, schwatzen.

Diese Isoliertheit sei eine der wesentlichen Elemente seiner Figuren, erklärt uns die begeisterte Museumsdirektorin. Sie zeigt sie auch bei anderen Bildern, beispielweise bei „La Dame bleue“, dort schaut eine sehr sinnliche Frau in einem preussischblauen, barocken Kleid, halb von hinten betrachtet, an uns vorbei. Ein „Lesender Mönch“ wirkt ganz versunken in seine Lektüre. Ein schöner Mensch mit rotem Bart im Habitus der Benediktinermönche, Mantel und Stab weisen auf die Pilger hin. Eine weitere Kuriosität Corots; die meisten Kostüme können nicht eindeutig zugeordnet werden, ist ein Phänomen, dem die Assistentin Kerstin Richter in einem Essay im Katalog nachgeht. Es gibt zwar Originalkostüme und eindeutige Kostümelemente, doch der Maler spielte oft mit Trachtenelementen, um die Rolle der Figur für den Betrachter als Italienne, Orientalin etc. zu charakterisieren. Möglicherweise spielt hier die Prägung durchs Elternhaus eine Rolle. Die Corots waren begütert, die Mutter besass eine Tuch- und Modehandlung.

Eine andere Auffälligkeit seiner Bildmotive ist die Häufigkeit des Lesens, bevorzugt bei jungen Frauen, von denen einige ganz versunken wirken, andere im Moment der Unterbrechung den Finger in die aufgeschlagene Seite legend. Lektüre als geistige Seelenebene wollte Corot damit zeigen, die farbigen Kostüme, oft ist es ein fröhliches Ziegelrot neben dem schon erwähnten Blau sind wiederum als Hommage an die Malerei zu verstehen.

Manchmal befinden sich die Figuren auf einem Hügel, was auf eine Überhöhung der Figur hinweist, fast immer in einer Landschaft, auch das Atelier mit seinen Bildern und dem flächigen Hintergrund weissen auf die Einheit mit der Natur hin. Das Mitgefühl des Malers lässt sich in der Wahl der Perspektive sehen. Der Betrachter sieht den lesenden Mönch gleichzeitig frontal, seine Füsse aber aus dem Blickwinkel von oben, sozusagen alles von der Figur. Eine starke Verinnerlichung erkennt man beim „Mönch mit Violoncello“, das Dreieck, betont von der Blässe von Händen, Kopf und Bogen, verweist damit wieder auf die seelische Ebene. Überhaupt sind diese Ebenen eine spannende Sache, erfahren wir von der zierlichen Mariantonia Reinhard-Felice, die uns alles mit einem Lächeln erklärt. Eine Ebene ist das Ideale - sie steht für die Wendung nach innen, eine andere – die Realität - für das schonungslose Beobachten. Und es gibt noch eine dritte – das Gefühl, welches der Künstler für seine Figuren verspürte. Fehlt eine dieser Ebenen oder wird eine zu sehr betont, wird das Bild überraschend modern. Wie beispielsweise bei „Marietta (à Rome)“ ein üppiger, liegender Akt, der verrät, dass das Modell auch die Geliebte des Malers war, so sinnlich und schön, wie Corot seine Liebste malte. Der Hintergrund ist nur abstrakte Fläche in lindgrün und senfgelb. Doch Corot hatte noch mehr Facetten, ein Selbstpoträt zeigt ihn in Renaissancemanier mit der Palette. Im Kabinett dagegen finden sich Bilder, die ihn im Vergleich mit Malern seiner Zeit zeigen, Ingres beispielsweise. In der Sammlung verweisen seine Landschaften auf englische Künstler wie Constable oder niederländische Meister.

Fazit – eine kleine und feine Ausstellung, die den Blick auf unbekanntes lenkt und ungeahnte Betrachtungsweisen erschliesst. Ob die „Algerierin oder Weiss verhüllte Algerierin“, ein Prachtexemplar der Austellung, nun fasziniert oder nicht, hier gingen die Meinungen auseinander, beim würdigen Abschluss im gediegenem Museumscafe waren sich alle einig: Die Tarte Tartin ist zu empfehlen.

Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, Eintrittspreise 12CHF, ermässigt 9CHF, öffentliche Führungen sonntags 11.30 bis 12.15, weitere Führungen unter www.roemerholz.ch, Museumsbus, stündlich Viertel vor vom Bahnhof SBB, zur vollen Stunde ab Museum während der Öffnungszeiten ausser mittwochs.

Autorin: Annekatrin Kaps
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