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7. Februar 2011, 19:38 CD / Vinyl Music

Navel - Neo Noir

David Nägeli - Navel sind etwas vom Besten, das die Schweizer Musikszene in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Wieso, erklären die folgenden Abschnitte, die ganz ohne abgedroschene Nirvana-Vergleiche auskommen, obwohl die Band ein Neil Young Cover spielt und visuell immer noch an die Grung...

Navel sind etwas vom Besten, das die Schweizer Musikszene in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Wieso, erklären die folgenden Abschnitte, die ganz ohne abgedroschene Nirvana-Vergleiche auskommen, obwohl die Band ein Neil Young Cover spielt und visuell immer noch an die Grunge-Grössen erinnert. Berechtigt wäre der Vergleich dennoch, denn Navel spielen puren Rock’n’Roll. Vom feinsten.

Navel sind drei junge Typen aus der Schweiz, die bereits mit beinahe allem auf Tour waren, das in ihrem Genre einen Namen hat. Konzerte mit Queens Of The Stone Age, Eagles Of Death Metal, Wolfmother und Fu Manchu lassen bereits vermuten, dass die Truppe einiges auf dem Kasten hat. Und mit Neo Noir, ihrem bisher besten Album, liefern sie hierfür den eindeutigen Beweis – in Form eines dreckigen, stinkenden Mittelfingers an all die Ignoranten, die wirklich behaupten, der Rock’n’Roll wäre tot.

Die Photografie auf dem Plattencover wurde von dem tessiner Photografen Reto Rigassi nach der Aufnahme in dreckiges Wasser getaucht und bildet mit ihrer charmant-morbiden Abbildung von Venedig die perfekte Hülle für Neo Noir. Das Album spielt elegant mit Einflüssen zwischen dem Blues und dem Grunge der 1990er Jahre, huldigt grossen Vorbildern und klingt trotzdem höchst aktuell. Mit „Hunger Child Blues“ covern Navel eine Perle von Townes Van Zandt, dem Grossmeister der melancholischen Songwriter, und transponieren sie gekonnt in unsere moderne Welt. Auch der Text passt glänzend, denn Navel sind hungrig. Nicht nach Aufmerksamkeit, Erfolg oder bedrucktem Papier, sondern nach Rock’n’Roll. Und das hört man.

Der grosse Erfolg von Bands wie dem Black Rebel Motorcycle Club oder Queens Of The Stone Age zeigt ein wachsendes Bedürfnis nach kaputter Gitarrenmusik, übersteuerten Verstärkern und Schreien - ganz so als ob ein Weg gesucht wird, um mit einer absurden Mischung aus Melancholie, Wut und Verzweiflung aus unserer leistungs- und konsumorientierten Gesellschaft auszubrechen. Nur benötigt es unheimliche Ehrlichkeit um solchen Sound spielen zu dürfen und überhaupt erst spielen zu können. Das nun drei Schweizer Jungs dies klar erreichen und mit diesem Album hoffentlich den Grundstein legen, um ihren Rock’n’Roll der Welt zu offenbaren ist äusserst bemerkenswert.

Ebenfalls fällt auf, dass Navel technisch versierter und variantenreicher geworden sind. Und das sich Jari Antti, Gitarrist und Sänger, ein Tremolo-Pedal zugelegt hat, mit dem er in ruhigeren Songs beinahe durchgehend die fehlende Verzerrung ersetzen will. Das Spektrum von Navel reicht auf Neo Noir von einem wunderbar geradlinigen Cover von Neil Young’s „Keep On Rocking In The Free World“ über in-die-Fresse-Granaten wie „Kobra The Killer“ oder „Speedbox“ bis hin zu Grabgesängen mit Trainspotting-Appeal, wie „It’s The Road that Makes The Song“ – thematisch der Schlüsselsong des Albums:

„It’s a one-way street we’re walking. And it’s the road that makes the song“.

Neo Noir von Navel klingt an einigen Stellen wie eine Adaption von einem Neil Young, der die elektrische Gitarre und die Verzerrung bereits in rebellischen Teenagerjahren entdeckt hat, an anderen Stellen erinnert es an den Black Rebel Motorcycle Club – nach zwei Wochen auf Tour, ungeduscht und langsam angepisst. Wer sich für zeitgetreue, ehrliche, Musik aus der Schweiz interessiert, Bonaparte nicht ernst nehmen kann, Sophie Hunger für langweilig und all die Indiebands und Electro-DJs für geschlechtslos hält, dem ist das neue Navel Album vorbehaltlos zu empfehlen. Ausserdem gibt’s am Ende noch einen Bonustrack, aber das bemerken all die Downloader sowieso im iTunes, denn kein Track auf Neo Noir dauert 20 Minuten. So viel Navel am Stück macht nämlich entweder depressiv, fördert aggressives Verhalten oder erzeugt eine Revolte der Jugend. So ähnlich wie Twitter in Ägypten, nur mit mehr Schlagzeug und mehr Arschtritt.

Auf Deutsch: Mehr Rock’n’Roll als Navel bot die Schweiz (beinahe, man lasse Celtic Frost oder Krokus in glücklichen Zeiten ausser Acht) noch nie.



Myspace: Navel

Navel auf Tour:

9. Februar – Zukunft, Zürich
11. Februar – Kaserne Basel, Basel
12. Februar – KAFF, Frauenfeld
23. Februar – Le Bourg, Lausanne
25. Februar – Reithalle, Bern
26. Februar – L’Etage Biel, Biel

Kommentare
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fischyou 09.02.2011 um 18:33
den nagel auf den nabel getroffen!