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15. Februar 2011, 00:01 Konzert Music

Iron & Wine spielten für die Ewigkeit

Patrick Holenstein - Mein Notizbuch liegt auf dem Tisch, die Seite für das gestrige Konzert ist noch immer jungfräulich weiss. Dumm gelaufen. Da ist es Iron & Wine und seiner Band doch tatsächlich gelungen, mich derart zu fesseln, dass ich jetzt vor leerem Papier sitze, weil ich keine Notizen gema...

Mein Notizbuch liegt auf dem Tisch, die Seite für das gestrige Konzert ist noch immer jungfräulich weiss. Dumm gelaufen. Da ist es Iron & Wine und seiner Band doch tatsächlich gelungen, mich derart zu fesseln, dass ich jetzt vor leerem Papier sitze, weil ich keine Notizen gemacht habe. Spricht für die Band. Also werde ich wohl versuchen, die Impressionen, die noch immer im Kopf schwirren, in brauchbare Satzkonstrukte zu formen.

Dramaturgie ist ein Schlagwort, das irgendwo in den wirren Regionen meines noch immer von zarten Folkklängen benebelten Hirns leuchtet. Die Steigerung innerhalb des Konzertes war aber auch wirklich grandios. Ins Konzert gestartet war Sam Beam, der Kopf hinter Iron & Wine, nämlich mit „nur“ vier Musikern. Keyboarder, ein Saitenmann, eine Backgroundsängerin sowie er selbst an der Gitarre und den Stimmbändern. Eingängige, gemächliche, wunderbar berührende Folksongs als Einstieg. Was will man mehr? Doch das wäre noch nicht so besonders und so sollte es auch nicht bleiben. Nach wenigen gespielten Songs stiessen jedoch weitere Musiker dazu, sodass zeitweise bis zu neun Leute auf der Bühne standen. Eine davon war Tift Merritt. Was mich zur zweiten, nicht verblassen wollenden Impression des Abends bringt.

Tift Merritt hat den Abend nämlich eröffnet, zumindest sollte sie das. Sie hat aber nicht nur angeheizt, sondern schlicht begeistert. Selten war ein Saal – in Zürich schon gar nicht – so ruhig, wenn ein Support-Act auf der Bühne stand. Als Tift zum Schluss ohne Mikro in den Saal sang und nur mit sparsam verstärkter Gitarre spielte, hätte man die sprichwörtliche Stecknadel im Saal fallen hören. Ein wahrlich ergreifender Moment. Und wie Tift den Abend eröffnet hatte, so führte Iron & Wine ihn weiter. Das bringt uns zur dritten Impression des Abends. Die Musik. Wie schon erwähnt, war der Anfang von Folk dominiert. So sollte es allerdings nicht bleiben. Sam Beam und seine Mitstreiter steigerten sich von Song zu Song, die Improvisationen wurden immer ausführlicher, beeindruckender, begeisternder. Die stilistische Bandbreite einzufangen ist kaum möglich. Die versierte Band hüpfte wie selbstverständlich von Jazz bis Folk, von Country zu Rock und den gleichen Weg wieder zurück. Da war alles dabei, selbst das neueste Steckenpferd von Iron & Wine, der Pop, war zu finden. Gelegentlich fühlte man sich an eine Mischung aus Paul Simon und den Bee Gees erinnert.

Die vierte und abschliessende Erinnerung gehört den Leuten im Saal. Das darf ruhig mal wieder gesagt sein. Es gibt ja kaum etwas Störenderes, als desinteressiertes, lautes Egoistengeschwafel. Umso schöner war, dass in der Bühne A, direkt beim ellokal, wo das Konzert stattfand, höchstens geflüstert wurde. Da waren für einmal Menschen, die für die Musik gekommen waren, Leute, die eine grössere Aufmerksamkeitsspanne haben, als die gemeine Stubenfliege, Personen, die auf andere Rücksicht nehmen und diese Tatsache hat dem perfekten Abend das i-Tüpfelchen augesetzt.

Perfekte Soundeinstellung, ein überaus gut gelaunter Sam Beam – „Das letzte Mal war ich im letzten Jahr hier. Hattet ihr denn schöne Weihnachten?“ meinte er als Begrüssung – und eine sagenhafte Band, die vor lauter Spielfreude und -energie schon fast grün leuchtete. Alles in allem – auch ohne Notizen gemacht zu haben: Das war ein Konzert für die Ewigkeit.

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