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16. Februar 2011, 09:17 Kolumnen

Polizeischule ist keine Uni

students Redaktion - //Seltsame Begegnung (I)// von Christian Zweifel Was macht ein durch etliche Vorlesungen und Seminare gebeutelter, bis in alle Ecken und Enden geistig ausgebrannter Studentenschädel ? Richtig, er wird an der frischen Luft spazieren getragen: Gespenstisch verschlafen schlu...

Seltsame Begegnung (I)

von Christian Zweifel

Was macht ein durch etliche Vorlesungen und Seminare gebeutelter, bis in alle Ecken und Enden geistig ausgebrannter Studentenschädel ? Richtig, er wird an der frischen Luft spazieren getragen: Gespenstisch verschlafen schlummern die kahlen Gerippe der fruchtlosen Apfelbäume im Dunkel des Winterabends vor sich hin. Nur der leise Schein der Strassenlaterne spendet etwas Licht und weist mir den Weg durch die endlose Schwärze der wolkenverhangenen Nacht. Ich spüre die feuchtkalte Novemberluft unter meine Jacke kriechen und mit ihr die Vorlesungen und Seminare des heutigen Tages vorläufig aus dem Gedächtnis weichen. Es ist das ein Gefühl von Befreiung, wie sie nur dem Bürosklaven vertraut ist, der sich nach acht Stunden lustloser Schreibtischarbeit auf den Heimweg macht.

Plötzlich aber tritt in die Stille der Natur ein leises Rauschen, fortwährend an Lautstärke gewinnend, doch stets hinter meinem Rücken verharrend. Ich drehe mich um und erkenne die Scheinwerfer eines Automobils, welches sehr langsam daher gefahren kommt und in geringer Entfernung mit mir Schritt hält. Schliesslich gibt der Fahrer etwas Gas und überholt mich, um dann wenige Meter vor mir abrupt anzuhalten. Die Türen des Wagens öffnen sich, und seinem Innern entspringen zwei Gestalten, von denen mir die eine mit der Taschenlampe unentwegt ins Gesicht leuchtet „Guten Abend, der Herr, Polizeikontrolle. Können Sie sich ausweisen ?“. Verdutzt grüble ich in der Innentasche nach meinem Geldbeutel mit den Ausweisen darin. Der Polizist pickt sich meine Identitätskarte und will wissen, ob ich auch derjenige sei. Ich spreche brav meine Wohnadresse vor und fühle mich wie ein kleiner Schuljunge, der im Blickfeld seiner Schulklasse ein Gedicht rezitieren muss. Damit ist allerdings das Verhör- Pardonnez, die Vernehmung- wie das seit 1945 im Beamtenjargon heisst, noch nicht beendet. Warum ich so spät unterwegs sei, woher ich komme und wohin mich mein Weg führe, wollen die Gesetzeshüter wissen. „Ich bin auf einem Spaziergang“, antworte ich wahrheitsgetreu. „Jetzt, in der Dunkelheit, gehen Sie spazieren ?“, hakt der Beamte misstrauisch nach. „Jawohl“, gebe ich zu Protokoll und möchte noch hinzufügen, dass ich bis in den späten Nachmittag hinein in den Vorlesungen der Denkfabrik gesessen habe. Doch das interessiert die beiden Freunde und Helfer unserer Gesellschaft schon nicht mehr: Polizeischule ist eben keine Universität. Man gibt mir meinen Ausweis zurück nicht ohne zum Abschied einen schönen Abend zu wünschen, und vorbei ist der Spuk.

Aber warum gerade ich ? Das wird sich nach einer solchen Kontrolle, die man ohne Übertreibung als demütigend bezeichnen darf, wohl jeder fragen und sich sagen: Jemand anders wäre das nicht passiert. Lag es an meiner Art, zu gehen und noch dazu ohne Hund unterwegs zu sein, was in dieser Gegend selten vorkommt ? Oder an meinem schwarzen Rucksack ? Vielleicht vermuteten die beiden etwas übereifrigen Gesetzeshüter Einbruchswerkzeug darin. Aber dann bin ich in der falschen Richtung unterwegs gewesen, es sei denn, ein Ganove gäbe sich mit der bescheidenen Habe der Landwirte zufrieden - soll ja schon vorgekommen sein, dass ein paar Strolche eine Bauernfamilie ausgenommen haben.

Ansonsten kann die Erklärung nur das eine sein: Polizeischule ist keine Uni.

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