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19. April 2007, 00:00 Movie

Heartbreak Hotel

Christina Ruloff - Gibt es ein Leben für (geschiedene) Frauen über 40? Der sehenswerte schwedische Film Heartbreak Hotel gibt absurde, schrecklich amüsante, zum Teil aber tieftraurige und grausam ehrliche Antworten. 'Man kann auch alleine tanzen und Spass haben!' Elisabeth (Helena Bergström) un...

Gibt es ein Leben für (geschiedene) Frauen über 40? Der sehenswerte schwedische Film Heartbreak Hotel gibt absurde, schrecklich amüsante, zum Teil aber tieftraurige und grausam ehrliche Antworten.

'Man kann auch alleine tanzen und Spass haben!' Elisabeth (Helena Bergström) und Gudrun (Maria Lundqvist) im Heartbreak Hotel.

„Bis dass der Tod uns scheidet“, heisst es im kirchlichen Eheversprechen. Dabei wäre vielleicht „Solange wir es miteinander aushalten“, oder „Bis ich etwas Besseres gefunden habe“, vielfach passender. Elisabeth (wunderbar Helena Bergström) und Gudrun (beängstigend realistisch Maria Lundqvist) können von der Ehe ein Lied singen. Als die Gynäkologin und die Verkehrspolizistin, beide geschiedene Frauen über 40, sich zum ersten Mal begegnen, endet die emotionale Konfrontation mit wilden Beschimpfungen („Scheissfotze!“), dabei hat die eine doch nur falsch parkiert und die andere ihr einen Strafzettel verpasst. Beim zweiten Mal, einer gynäkologischen Untersuchung, ist der Umgang wesentlich freundlicher und beim dritten Treffen in der titelgebenden Disco Heartbreak Hotel, werden die Frauen Freundinnen. Während Elisabeth offen, selbstbewusst und wild entschlossen ist, das Leben auch ohne ihren Mann zu geniessen, sucht Gudrun ihrer Tochter eigentlich nur zu beweisen, dass Party, Feiern und Lebensfreude überhaupt nichts für sie sind. Zusammen lässt sich jedoch leichter tanzen, trinken und Spass haben...

Frauen gehen miteinander nicht zimperlich um und halten selten zusammen.

Der neue Film des britischen Regisseurs Colin Nutley ist von einer Art, wie ihn das amerikanische Kino nie hervorbringen könnte und aber auch nicht wollte: Voller (schwarzem) Humor und schrecklich amüsant, gerade weil kein Blatt vor den Mund genommen wird, zugleich aber nüchtern und traurig und manchmal grausam ehrlich. Der Film stellt sich der hochaktuellen und so schwierigen Frage, ob Frauen über 40 auch ein Leben haben können und wie das denn aussieht, gerade wenn man den ungeliebten Ehemann losgeworden oder selber vom vielleicht geliebten Ehemann entsorgt worden ist.

Niemand sollte – wie Gudrun zu Beginn – den Freitagabend sinnlos vor der Glotze oder mit dem Abtauen des Tiefkühlers totschlagen, und schon gar nicht weil der erwachsene Sohn oder die empörte Tochter ein festes Bild haben, wie sich „eine über 40 jährige Mutter“ zu verhalten hat. Eine der wunderbaren Szenen des Films dokumentiert ein zickiges Geschrei zwischen Mutter, Tochter und Freundin in der Toilette, wo sich eine aufgebrachte Tochter für ihre Mutter schämt („In so einem Aufzug läufst du herum!“) und sie zugleich schrecklich beneidet.

'Was würdest Du sagen, wenn du deine Mutter besoffen tanzen sehen würdestt?' - 'Sie darf sich auch mit 60 wie eine 22-jährige aufführen!' Tochter, Mutter und Freundin im Clinch.

„Man kann alleine tanzen und Spass haben“, stellt Elisabeth tapfer fest. Stimmt das denn? Wer den beiden sympathischen Frauen in Heartbreak Hotel zusieht, dem kommen Zweifel. „Ich will mein Leben führen und ich selbst sein“, erklärt sich die erfolgreiche Ärztin ihrem Mann. Unglaublich betrunken aber, sehnen sich die Frauen doch nach Männern oder wenigstens nach Sex. Die vorhandenen Männer und Exmänner sind aber so abschreckend, dass mit 40 und geprägt von alten Rollenmustern kaum eine Alternative zu bleiben scheint, als Rückkehr oder Einsamkeit.

Colin Nutley findet am Ende eine dritte Lösung, die aber aus purer Not aus dem Drehbuch gezaubert scheint. Das tut aber dem grossen Film, Zeitzeugnis und Kommentar zur vermeintlich unabhängigen Frau im Jahr 2000 keinen Abbruch. Heartbreak Hotel ist nicht nur für ein weibliches Publikum sehr sehenswert.

Bewertung: 4 von 5

Das Interview mit Colin Nutley und Helena Bergström!

Was bedeutet überhaupt 'Spass haben'? Gudrun sucht in ihrem unfreundlichen Job nach Antworten.

Originaltitel: Heartbreak Hotel

Land: Sd

Genre: Tragikomödie

Dauer: 100 Minuten

Regie: Colin Nutley

Darsteller: Helena Bergström, Maria Lundqvist, Erica Braun, Johan Rabaeus, Claes Mansson

Verleih: Rialto

Kinostart: 14.4.2007

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Quelle: Rialto
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