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1. März 2011, 13:23 Campus

«Einen Guttenberg abziehen» schon ab 5000 Franken

students Redaktion - Zu Guttenberg geht: Der einst umjubelte Polit-Star kam heftig in die Schlagzeilen. Grund dafür, seine gefälschte Dr.-Arbeit. Students.ch ging dem Thema auch schon in der Schweiz nach – Wie unserer Recherchen letztes Jahr gezeigt haben, kauft man sich Abschlussarbeiten ab ca. 5000 Franken.

Diplomarbeit? Mit 5000 Franken ist man dabei

Immer wieder gibt es Studenten, die sich vermeintliche Titel erkaufen oder Arbeiten in Auftrag geben. Ein besonders krasser Betrugsfall hat Hochschulen und Personalchefs aufgeschreckt.

von Patrick Holenstein, 2010

Der Fall des «Doktor Sudaro» schlug in der Schweiz ein wie eine Bombe. Mit dreistem Titelschwindel und beeindruckenden Bluffs hat es Tiziano Sudaro bis in höchste Ämter beim Verteidigungsdepartement und – Ironie des Schicksals – auch bei der Bundeskriminalpolizei geschafft. Auf seinen Visitenkarten steht vor dem Namen «Dr. rer. pol.». Doch als er den neuen Posten als Chef des «Komissariats IV Criminal Intelligence» antritt, löst eine vermeintlich harmlose Anfrage des SF bei einer Hochschule eine folgenschwere Kettenreaktion aus.

Recherchen des Senders offenbaren: Alles erschwindelt. In Wirklichkeit gibt es offenbar keine einzige Dissertation, die er verfasst hat. Auch seine anderen Titel werden mittlerweile angezweifelt. Im Januar diesen Jahres tritt Sudaro daraufhin per sofort zurück. Andere Titel-Betrüger hingegen bleiben jahrzehntelang unbehelligt. Warum, zeigt ein Blick in die Praxis.

Auch in der Schweiz ist ein Titel käuflich

Fälle wie der des «Doktor Sudaro» werden nicht jeden Tag publik. Doch die Gefahr des Schwindels im Zusammenhang mit akademischen Titeln ist allgegenwärtig. Die Verlockung ist gross, da auch das einschlägige Angebot inzwischen beträchtlich ist. Agenturen sowie private Autoren sind per Mausklick leicht zu finden und bieten Hilfe an, wenn man selbst eine Arbeit nicht schreiben kann oder will.

Acad Write ist eine dieser Agenturen. Die Firma hat ihren Sitz in Kloten und beschäftigt aktuell ein Team von 200 Autoren. Das Geschäft floriert. Thomas Nemet, Präsident des Verwaltungsrates, erklärt: «Das Auftragsvolumen schwankt zwar mit der Wirtschaftslage, aber generell ist schon eine Zunahme zu erkennen.» Allerdings, so betont Nemet, lasse sich schwer eruieren, wie viele Kunden tatsächlich Studierende seien. Realistisch wäre es durchaus. Nemet gibt zu bedenken, dass mit der Situation im Hochschulwesen – Stichwort Bologna-Prozess – ein höherer Druck auf den Studierenden lastet.

Von Verweis bis Suspendierung

Also kann man sich tatsächlich eine Diplomarbeit kaufen? Im Prinzip ja. Jedoch distanziert sich Thomas Nemet pflichtbewusst davon. «Unser Team erstellt wissentliche Auftragswerke gemäss den Wünschen unserer Kunden. Was damit passiert, unterliegt dem Interesse des Kunden.» Nicht nur Acad Write hält vertraglich fest, dass das Ausgeben einer Auftragsarbeit als die eigene gegen die Vertragsbedingungen verstösst. Diese Klausel ist bei den meisten Ghostwritern Standard. Wer eine Arbeit als seine eigene deklariert, handelt nämlich wider das Gesetz und muss mit Sanktionen rechnen.

Mit 5000 Franken dabei

Beat Müller, stellvetretender Leiter Kommunikation an der Universität Zürich erklärt, dass die Konsequenzen von einem schriftlichen Verweis bis zu einer sechsmonatigen Suspendierung vom Studium gehen könnten. Für das Ausmass der Strafe ist laut Müller «die Bedeutung der beeinträchtigten oder gefährdeten Hochschulinteressen, andererseits das Verschulden, die Beweggründe und das Verhalten des Angeschuldigten ausschlaggebend.» Wer das Risiko auf sich nehmen möchte, muss zusätzlich über das nötige Kleingeld verfügen. Eine 60 Seiten umfassende Arbeit würde bei der Acad Write je nach Aufwand schnell zwischen 5000 und 7000 Franken kosten. Im Preis sind dafür sämtliche Arbeiten inklusive Recherche enthalten.

Der moralische Aspekt

Wo im täglichen Leben der Beruf des Ghostwriters redlich und anerkannt ist – was würden zum Beispiel Politiker ohne Redenschreiber machen –, bekommt er im akademischen Kontext einen bitteren Nachgeschmack. Während Studenten, die bei ihrer Arbeit abschreiben, mittels entsprechender Internetprogramme leicht aufzuspüren sind, ist die unerlaubte Inanspruchnahme von Ghostwritern deutlich schwerer zu belegen. Wer clever genug agiert, kann das System ohne allzugrosse Gefahr unterwandern. Ein Problem, bei dem Hochschulen bislang nur auf die Moral ihrer Studenten bauen können.

Students.ch via 20 Minuten Campus
Kommentare
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Students_Redaktion
Students_Redaktion 07.03.2011 um 11:41
Hier findet ihr den TV-Bericht zum Thema Ghostwriting:

http://www.students.ch/magazin/tv/576?ref=homepage-tv-latestmovies
schoenewiese 02.03.2011 um 04:14
What amazes me about the entire affair is that the professors, who must have read and approved his thesis, clearly didn't know enough about their own subject matter to ever realise he might have plagiarised. Frankly speaking all those who awarded him his PhD deserve to be fired for being totally ignorant as to the nature and origin of certain manuscripts and documents...
akademiker 02.03.2011 um 01:56
Die Professoren und Dekanate bescheissen uns doch genauso. Ehrlich arbeitenden Studenten, die ein Auslandssemester absolviert haben, werden die Punkte nie vollständig anerkannt. Studenten werden gezwungen, an der Uni unbezahlte Praktika zu absolvieren. Besserwisserische Assistenten geben einem für abgegebene Übungen, die nachweisbar richtig sind, nicht die volle Punktzahl, so dass man nicht zur Abschlussprüfung zugelassen wird. Ein Professor setzt die Messlatte für das Bestehen der Prüfung so hoch, das 80% richtige Antworten einer 3 entsprechen. Ein weiterer führt Online-Tests durch, bei denen auf dem Bildschirm die volle Punktzahl angezeigt wird, die erst Monate im Nachhinein mit einer 2 bewertet werden und verweigert im Anschluss die Prüfungseinsicht. Und der Mitarbeiter bei der Rekurskommission versucht einem sogar abzuwimmeln, noch bevor man seinen Rekurs überhaupt geschrieben hat. Das sind alles Fälle, die an der Uni Zürich mir und anderen Leuten, die ich kenne, passiert sind.
Und dann haben die Professoren noch den Nerv, uns Studenten als Betrüger darzustellen! Ich frage mich langsam: Wer bescheisst hier eigentlich wen? Und sitzen die wahren Guttenbergs wirklich im Hörsaal auf der Bank, wo sie die Respektlosigkeiten der Professoren erdulden müssen oder nicht doch viel eher auf dem Dozentenstuhl, an den Schalthebeln der Macht und des Machtmissbrauchs?
Ich bin mir sicher, die Hauptkundschaft von Acad Write findet sich eher im Dozentenfoyer der Uni Zürich als in einer ärmlichen Studentenbude. Welcher Student hat schon 5'000 Franken vorrätig? Schon mal dran gedacht, dass der Betrug nicht von unten, sondern von oben kommen könnte?