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15. März 2011, 18:51 Kolumnen

Seltsame Begegnung (3): Nasale Verführung

christian zweifel - Militärischer Wiederholungskurs- da wird manchmal alles über den Gaumen getrommelt, was durch den Hals geht. Dagegen nützen auch die Antidrogen und Antisaufkampagnen, wie sie in den muffigen Theoriesälen abgetakelter Zivilschutzanlagen zu Beginn der meist gehassten drei Wochen propagiert werden

Militärischer Wiederholungskurs- da wird manchmal alles über den Gaumen getrommelt, was durch den Hals geht. Dagegen nützen auch die Antidrogen und Antisaufkampagnen, wie sie in den muffigen Theoriesälen abgetakelter Zivilschutzanlagen zu Beginn der meist gehassten drei Wochen propagiert werden, nicht viel.

Drogen sind mir nicht sympathisch, weil sie einem betrügen. Man glaubt, die Welt sei erträglicher geworden, aber das ist ein fürchterlicher Trugschluss.

Dennoch: Aller innerer Überzeugung zum Trotz hatte ich mich während meinem ersten Wiederholungskurs zu einem “Schnupf“ hinreissen lassen, und so machte ich zum ersten und letzten Mal Bekanntschaft mit einem dieser Weltverbesserer. Jener Soldat, welcher übrigens Fahrer war, liess auf meinem Handrücken ein kleines Häufchen braunen Pulvers entstehen. Also schnupfte ich wie ein alter Mann und wartete. Dann geschah etwas ganz sonderbares: Zuerst geschah geschah nämlich gar nichts. Bis sich plötzlich die Welt zu drehen begann, ein Gefühl, als müsste ich die Treppe hinunterpurzeln. Statt Höhenflüge ein seelischer Abstieg, wie ich ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Ein gewaltiger Raum an innerer Leere tat sich auf, und irgend etwas benebelte meine Sinne, so dass sämtliche Gedankengänge in eine mächtige Unordnung ausarteten.

Wenn einer nicht mehr klar denken kann, dann lässt ihn die Gesellschaft fallen. Es mag einer noch so hoch sitzen: wenn sein Kopf nicht mehr richtig funktioniert, dann wird er erbarmungslos hinuntergerissen. Nur der Anspruchslosigkeit militärischer Wiederholungskurse hatte ich es zu verdanken, nicht zu Boden geschubst zu werden. Auch der Fahrer, der doch immerhin Fahrer war, viel nicht auf. Seine Vorgesetzten hatten nicht den leisesten Schimmer davon, in welchem Zustand sich dieser Mann ans Steuer setzte.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sich mein geistiges Durcheinander gelegt hatte, und wie enttäuscht war ich. Nicht das geringste Abheben, nicht der kleinste Freudensprung, kein bisschen Weltverbesserung war mit diesem Schnupf eingetreten. Alles, was da gewesen ist, war ein mächtiges Quantum an Verwirrung und innerer Leere. Bis heute rätsle ich darüber, ob das Zeugs wirklich nur Tabak oder doch mehr als blosser Tabak gewesen ist. Dennoch war ich über alle Massen erleichtert, denn hätte mir dieses Pülverchen Glücksgefühle inmitten trostloser Kasernenluft beschert: wer weiss, wer weiss, wer weiss...

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