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6. April 2011, 09:21 Kultur

Schreiben ist küssen mit dem Kopf

students Redaktion - Die TheaterFalle Basel zeigt in einer Wiederaufnahme „Gut gegen Nordwind“ nach dem Kultbuch des österreichischen Autors Daniel Glattauer.

Die, im Stile eines Briefromanes beschriebene, amüsante Schilderung einer eher ungewöhnlichen E-Mail-Beziehung besticht durch scharfzüngige Dialoge und pointierte Komik. In der Theateradaption erleben die Zuschauer die sich allmählich entwickelnde Liebesgeschichte an faszinierenden Orten eines ehemaligen Industrieareals entweder aus Emmis oder Leos Sicht.
Das avantgardistisch in schwarz gehaltene Theaterfoyer ähnelt einem Terminal, grüppchenweise sitzen die Zuschauer um ihren farbig markierten Treffpunkt. Ein elektronischer Gongschlag und eine Frauenstimme vom Band kündigen die logistische Einführung ins Stück an. Ruth Widmer, die das Konzept gestaltete, erklärt unserer kleinen Gruppe (die Entscheidung für Emmi und ein rotes Armbändchen wird uns für gut vier Stunden vereinen) den Ablauf. Doch mehr als die Erwähnung der unterschiedlichen Spielorte und den Gebrauch der Kopfhörer verrät sie nicht. Unser bunt zusammengewürfeltes Grüppchen verschlägt es zuerst in die Dunkelheit der „Blinden Kuh“, das Restaurant im Dunklen ist nur einige Meter entfernt in einer alten Fabrikhalle untergebracht. Über unsere Kopfhörer sind wir dabei, wie die beiden Protagonisten sich kennenlernen.

Eigentlich wollte Emmi Rothner nur ein Zeitschriftenabonnement kündigen, doch durch einen verwechselten Buchstaben landet die E-Mail bei Leo Leike. Aus dem Missverständnis, dem noch weitere folgen werden, entspinnt sich ein witziger Schlagabtausch, der das Interesse am Anderen erst befeuert. Die pointierten und geistreichen Mails führen bei beiden zu einem eindeutigen Suchtverhalten, mittlerweile schreiben sie sich schon Dutzende pro Tag. Emmis Neugierde provoziert ein Treffen, sie überzeugt den wissenschaftlich forschenden Kommunikationsberater von der Idee, dass sie ihre Bilder vom Anderen in der Realität überprüfen. Sie verabreden sich im Café Huber, ohne zu wissen, wie das Objekt der Begierde aussieht.

Die genaueren Beweggründe Emmis; „Sie verklemmter Verbalerotiker!“ und Leos Einwände; „Wollen Sie mich persönlich kennenlernen? Wozu? Wozu soll das hinführen? erfahren wir, auf dem Hof des Gundeldingerfeldes stehend, wieder mittels Kopfhörer. Dann geht es ins Restaurant „eoipso“, das sich in einer anderen ehemaligen Industriehalle befindet. Das gutbesuchte Lokal und der Geräuschpegel von Bar, Lounge und Essbereich assoziieren perfekt die Kaffeehausatmosphäre. Bei einem offerierten Glas Bier lauschen wir amüsiert, wie die beiden sich nicht erkennen, dafür jeweils mehrere mögliche Kandidaten beziehungsweise Kandidatinnen im Nachhinein gnadenlos karikieren.

Nach dem missglückten Versuch, der in weiteren E-Mails detailliert ausgewertet wird, wechseln wir erneut den Ort. In der Stadtbibliothek Basels, die im Gundeldingerfeld eine Zweigstelle unterhält, werden wir in ein improvisiertes Schlafzimmer geführt, dass im Wesentlichen aus einem grossen Bett besteht. Auf diesem sitzt eine sinnliche Brünette mit modischem Kurzhaarschnitt, die gebannt auf ihr Laptop starrt. Um das Bett herum stehen diverse Schuhe, Frauenzeitschriften und Gartenbildbände liegen verstreut herum. An der Wand hängen schicke Sommerkleider in Braun- und Rosatönen.

Emmi, denn natürlich ist sie es(grossartig gespielt von Marie-Louise Hauser), wartet auf Leos Mail. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, als ein Piepston ihr die nächste Nachricht anzeigt. Das „Piep“ des Computer ist sehr oft zu hören, doch weder für Emmi noch für Leo (Martin M. Hahnemann überzeugt mit differenzierten stimmlichen Nuancen )häufig genug. Das Wort Beziehungskiste bekommt, angesichts der offensichtlichen Abhängigkeit der beiden von ihrem Computer, hier eine ganz andere Bedeutung.

Emmi schreibt und analysiert in ständigen Gefühlswechseln, ihre Verfassung lässt sich mühelos an ihrem Gesicht ablesen. Meistens mit einer diebischen Freude am Argumentieren, ist sie beunruhigt, wenn Leo nicht schreibt, glücklich, wenn sie etwas Schönes von ihm liest, manchmal nachdenklich und einige Male erfrischend wütend.

Ab und an verabreden sich die zwei sogar auf ein Glas Wein am Computer, dann wird es recht erotisch, „schreiben ist küssen mit dem Kopf“, nennt Leo das. Doch es gibt da noch ein klitzekleines Problem, zumindest stellt Emmi die Existenz ihres Ehemanns gern so dar. Wie sich die Dinge weiterentwickeln, wird hier nicht verraten, nur so viel sei gesagt – es bleibt spannend bis zum Schluss.

Leo haben wir übrigens nicht zu Gesicht bekommen, dafür gibt es hinterher die Möglichkeit, sich mit anderen Zuschauern auszutauschen. Oder wiederzukommen und sich Leos Version anzusehen, wofür sich noch einige entschieden. Was aber nur bedingt erklärt, dass fast alle Karten der vergnüglichen und rundum gelungenen Inszenierung schon durch Mund zu Mund Propaganda verkauft sind.

Autorin: Annekatrin Kaps
Nähere Informationen unter www.theaterfalle.ch
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